Neue Medikamente können Migräneattacken verhindern
In Deutschland leiden ca. sechs bis acht Prozent der Männer und ca. 20 Prozent der Frauen an Migräne. Die Patienten haben nicht nur pulsierende Kopfschmerzen. Oft ist ihnen übel, sie sind appetitlos, haben Sehstörungen und sind überempfindlich auf Licht und Geräusche. Von einer chronischen Migräne sprechen Ärzte, wenn ein Patient an 15 und mehr Tagen über migränetypischen Kopfschmerz berichtet. Bei episodischer Migräne leiden Betroffene in unterschiedlich großen zeitlichen Abständen an bis zu 14 Tagen monatlich unter Migräne.
„Die Ursache der Migräne ist noch nicht bekannt. Eine überzeugende Hypothese ist, dass bestimmte Botenstoffe schmerzwahrnehmende Nervenfasern im Kopfbereich reizen und damit die Migräne auslösen“, sagt Stefanie Förderreuther, Präsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und Oberärztin an der Neurologischen Klinik, Ludwig-Maximilians-Universität München.
Antikörper gegen Botenstoff
Bei der Analyse der Stoffe, die den Kopfschmerz auslösen, stießen Forscher auf den Botenstoff CGRP (Calcitonin Gene-Related-Peptide), der in der Migräneattacke ausgeschüttet wird. „Der therapeutische Ansatz bestand nun darin, einen Antikörper zu entwickeln, der die Wirkung von CGRP blockiert. Entstanden ist eine ganz neue Medikamentenklasse, die vor allem für die Vorbeugung der Migräne geeignet ist“, betont Förderreuther.
Drei CGRP-Antikörper zeigten in Studien, dass sie wirksamer sind als Placebo und zu einer signifikanten Abnahme der Migränetage führen. Alle drei Substanzen, die durch eine Spritze unter die Haut verabreicht werden, führten bereits sehr früh in den ersten vier Therapiewochen zu einem signifikanten Therapieeffekt und waren zudem gut verträglich. Die in den Studien dokumentierten Nebenwirkungen entsprachen in Art, Schwere und Häufigkeit den Nebenwirkungen, die unter Placebo angegeben wurden. Hauptbeschwerde waren Schmerzen und Rötungen an der Einstichstelle.
Gut wirksam und verträglich
Eines der drei Medikamente (Erenumab) ist bereits für die vorbeugende Behandlung von Migräne bei Erwachsenen auf dem europäischen Markt zugelassen und wird vermutlich Ende des Jahres in deutschen Apotheken zur Verfügung stehen. Die beiden anderen Präparate, Galcanezumab und Fremanezumab, sind bereits in den USA zugelassen; für den europäischen Markt wird die Entscheidung in Kürze erwartet. Die Studienergebnisse würden zeigen, dass es sich um gut wirksame und verträglich Substanzen handelt. Geheilt werden kann Migräne damit nicht.
Da sich die Studiendesigns bei den drei untersuchten CGRP-Antikörpern Erenumab, Galcanezumab und Fremanezumab sehr unterscheiden, lassen sich ihre Wirkstärken nicht miteinander vergleichen. Unter der Behandlung mit Erenumab kam es bei Patienten mit episodischer Migräne und durchschnittlich ca. acht Migränetagen pro Monat zu einem Rückgang um ca. drei Tage. In den Studien zeigten ca. 40 Prozent der Patienten eine Besserung der Migräne von mindestens 50 Prozent. Bei der besonders schwer zu behandelnden chronischen Migräne mit durchschnittlich ca. 18 Migränetagen pro Monat gingen die Kopfschmerztage um sechs bis sieben Tage zurück. Eine mindestens 50-prozentige Besserung war bei ca. 40 Prozent der Patienten zu verzeichnen.
Unter Behandlung mit Fremanezumab wurde bei der sogenannten hochfrequenten episodischen Migräne mit acht bis 14 Migränetagen pro Monat ein Rückgang um ca. sechs Tage erreicht. Über 50 Prozent der Patienten zeigten eine Besserung um mindestens 50 Prozent. Bei Patienten mit chronischer Migräne gingen die Kopfschmerztage um vier bis fünf Tage zurück. Eine mindestens 50 prozentige Besserung war bei ca. 40 Prozent der Patienten zu verzeichnen.
Galcanezumab wurde in den Studien ebenfalls bei der episodischen Migräne eingesetzt. Die Migränetage nahmen ausgehend von ca. neun Migränetagen pro Monat um ca. vier bis knapp fünf Tage ab und es wurde eine Verbesserung der Migräne um mindestens 50 Prozent bei ca. 60 Prozent der Patienten festgestellt. Bei Patienten mit chronischer Migräne kam es bei durchschnittlich 19 Migränetagen pro Monat zu einer Abnahme um vier bis fünf Tage. Eine mindestens 50 prozentige Besserung trat bei ca. 30 Prozent der Patienten ein.