Krebsmittel wegen Fälschungsverdacht zurückgerufen
Von Ernst Mauritz
Mehrere Packungen eines möglicherweise gefälschten Krebsmedikamentes sind europaweit in die legale Vertriebskette gelangt und möglicherweise bereits auch in österreichischen Apotheken verkauft worden: Es handelt sich um um zwei Chargen mit rund 50 Packungen des Arzneimittels "Jakavi 15 mg Tabletten", bei denen "dringender Fälschungsverdacht" besteht, wie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen Donnerstagnachmittag mitteilte. Rund die Hälfte davon - "eine mittlere zweistellige Zahl" - dürfte nach ersten Erhebungen bereits an Patienten abgegeben worden sein - "das kann nicht ausgeschlossen werden". "Es besteht aber nach ersten Analysen keine Gesundheitsgefahr, der Rückruf ist eine reine Vorsichtsmaßnahme", sagte Christoph Baumgärtel vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (AGES Medizinmarktaufsicht) zum KURIER. Das Medikament wird bei seltenen Formen von Blutkrebs eingesetzt, bei denen die Blutbildung im Knochenmark gestört ist.
Im Rückruf des Bundesamtes heißt es, dass es sich nach erstem Stand "ausschließlich um Packmittelfälschungen" handelt. Sowohl der Blister als auch die Faltschachtel wurden nicht vom Hersteller produziert und auch nicht von diesem in Verkehr gebracht. Wo diese Fälschungen stattgefunden haben ist "zurzeit nicht bekannt", so das Bundesamt.
Erste Analysen, die vom Arzneimittelkontrolllabor der Behörde durchgeführt wurden, ergaben, dass es sich bei den betroffenen Tabletten vermutlich um authentische Originaltabletten handeln dürfte. Der Wirkstoff konnte identifiziert werden. Allerdings dürfte die Haltbarkeitsfrist abgelaufen gewesen sein, so Baumgärtel.
"Neu umgepackt"
"Es besteht somit der Verdacht, dass bereits abgelaufene Originaltabletten von einzelnen Betrügern oder verbrecherischen Organisationen neu umgepackt und danach illegal auf europäischer Ebene in Verkehr gebracht wurden", heißt es in dem Rückruf. Von einer mittleren zweistelligen Zahl an Packungen, die in Österreich im Umlauf waren, wurde etwa die Hälfte bereits vor Auslieferung und Abgabe gestoppt bzw. auf Quarantäne gesetzt. "Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass einige Packungen dieser beiden europaweit gehandelten Chargen bereits an einzelne Patienten abgegeben wurden." Aufgedeckt wurde die Fälschung dadurch, dass die Fälscher auf Blistern und Packungen unterschiedliche Chargennummern angegeben hatten, also beide Packungen nicht zusammenpassten.
Der Wirkstoff von Jakavi, Ruxolitinib gilt grundsätzlich als stabil. Deshalb gehen die Experten davon aus, dass "bei Ablauf oder unsachgemäßer Lagerung aus heutiger Sicht keine Anhaltspunkte für eine akute Gesundheitsgefahr gegeben sind. Dennoch ist dieser Sachverhalt aus dem Vorsorgeprinzip nicht mit einer sicheren und wirksamen Arzneimitteltherapie vereinbar, weswegen ein kompletter Rückruf der beiden betroffen Chargen eingeleitet wurde". Die Fälschung dürfte im Rahmen sogenannter "Parallelimporte" durchgeführt worden sein - da werden Chargen, die bereits in andere (preisgünstigere) Länder ausgeliefert waren, von Zwischenhändlern aufgekauft, umgepackt und in hochpreisigeren Ländern verkauft. 56 Stück des Präparates kosten in Österreich rund 5000 Euro, die Patienten nehmen zwei Tabletten täglich.
"Mit der neuen Arzneimittelkennzeichnung, die Ende Februar kommenden Jahres in Kraft tritt und einen Strichcode auf jeder Packung vorsieht, sollte diese Fälschungen nicht mehr möglich sein", betont Baumgärtel.
Welche Chargen konkret betroffen sind
Betroffen sind in Österreich zwei Chargen: Jakavi 15 mg Tabletten, Zulassungsnummer
EU/1/12/773/002,007-009, Chargennummer SM018 und
SAD42, Zulassungsinhaber: Novartis EuropharmLimited; Betroffene Paralleldistributoren:
Haemato PharmGmbH und AbacusMedicine A/S)
Patienten, die diese Präparate nehmen, sollen mit ihrem Arzt Kontakt aufnehmen und sich das Medikament neu verschreiben lassen.