Wo Freud und Torberg „chillten“
Von Anna-Maria Bauer
Die kleinen Logen im Café Sperl sind voll besetzt. Viele sitzen alleine hier und lesen in Ruhe die Zeitung. Alte Freunde tauschen bei einer Melange die wichtigsten Neuigkeiten aus. Eine Mutter genießt einen kurzen Moment Freizeit. Das einzige Wiener Kaffeehaus mit Originaleinrichtung aus dem Jahr 1880 gibt einem das Gefühl, als würde die Zeit stillstehen. Jeden Moment könnte Friedrich Torberg oder Sigmund Freud durch die Tür treten. Freud war tatsächlich gern gesehener Gast in dem Kaffeehaus in der Gumpendorfer Straße. Er genoss es vor allem sich in einer der Sperl-Logen zu entspannen. Er nannte sie „Inseln des Rückzugs“.
Ein Detail, das den Kaffeehauskenner im ersten Moment irritieren könnte, ist die Abwesenheit des obligatorischen grantigen Kellners. Im Sperl gibt es nur Kellnerinnen. „Meine Gäste sind doch keine Masochisten“, sagt Besitzer Manfred Staub. „Ich finde, der Gast sollte bemuttert werden. Und das können Frauen nun einmal am besten.“
Der derzeitige Besitzer Manfred Staub hat das Lokal 1968 zur Zeit des Kaffeehaussterbens übernommen. Die erste Zeit war hart. „Aber auch sehr schön“, meint Staub. Damals standen noch die Vorbesitzerin und sein Vater mit im Lokal.„Deshalb bin ich als junger Mann auch viel gereist“, erzählt Staub. Sogar ein bisschen Filmluft habe er geschnuppert. Trotzdem kann er sich nichts Schöneres vorstellen, als sein Café zu betreuen.
Das Kaffeehaus befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Lehár- und Girardigasse, zwei Berühmtheiten, die beide Stammkunden waren. Ebenso wie der Komponist Emmerich Kálmán. Er saß immer links, im Eck hinter dem Eingang und wartete auf seine Geliebte, die Balletttänzerin Vera Makinskaja. Auch heute sind Personen aus Literatur und Kultur oft gesehene Gäste.
Rauchverbot
Robert Menasse war einer von ihnen. Bis das Rauchverbot einen Teil der Kundschaft vertrieb. „Ein Gast hat sogar Blumen geschickt, weil er seiner großen Liebe, dem Sperl, jetzt untreu werden muss“, erzählt Staub.
Sorgfältig legt er den kleinen Löffel so auf das obligatorische Wasserglas, das er parallel zum Henkel der Kaffeetasse liegt. „So gehört das“, sagt der 82-Jährige und lächelt verschmitzt. Dazu serviert er die Sperlschnitte. Eine Eigenkreation aus Nussboden und weicher Schokoladenfüllung.
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142 „echte Wiener Kaffeehäuser“ haben die Chance, als UNESCO-Kulturerbe anerkannt zu werden. Um sich mit diesem Prädikat schmücken zu dürfen, müssen sie eine Reihe von Kriterien erfüllen. Dazu gehört das Glas Wasser zum Kaffee ebenso wie der Tisch, auf dem die Zeitungen liegen. Ein Ober im Smoking, Großzügigkeit im Raum, das Slowfood-Konzept, wonach die Gäste ohne Konsumationsdruck lange sitzen bleiben können – „das alles spielt mit“, erklärt Berndt Querfeld, Obmann der Wiener Kaffeesieder.