Witzigmanns Welt: Lamm
Das Traditionsgericht zu Ostern ist Lamm. Die Saison geht aber bis Ende Mai. Danach würde ich davon abraten. Je älter das Jungtier, desto intensiver ist nämlich sein Geschmack. Für Lamm gilt: Wenn es 100 Tage alt ist, schmeckt es am besten. Bis dahin hat es sich fast nur von Milch ernährt, aber auch schon ein paar der würzigen Gräser und Kräuter genascht. Die bekanntesten Lämmer kommen aus den Alpillen, einer Kalksteinkette im Herzen der Provence, zwischen Avignon, Cavaillon und Arles. Ein ähnlich geschmackvolles Fleisch haben die "Pré-Salé-Lämmer", die auf den vom Meerwasser überschwemmten Weiden der Normandie und der Bretagne weiden. Diese Rarität wird jedoch nur in kleinen Mengen auf dem Markt angeboten. Aber kein Grund zur Verzweiflung. Mit dem Tauernlamm aus dem Nationalpark Hohe Tauern, der Teil der "Via Culinaria - Genusswege im Salzburger Land" ist, haben wir ein qualitativ äquivalentes und regionales Spitzenprodukt. Die nobelsten Stücke vom Lamm sind der Sattel, das Karree und die Keule. Letztere ist ein traditionelles Familiengericht. Die perfekte Lammkeule wiegt zwischen 2 und 2,5 Kilo mit Knochen. Sollte locker für sechs Personen reichen. Sind es mehr, nehmen Sie lieber zwei kleine Keulen als eine große. Am liebsten würze ich meinen Lammbraten puristisch mit Thymian und Knoblauch. Das ideale Gemüse dazu sind die so genannten Flageoletbohnen. Ein Klassiker aus der Lammküche ist das "Navarin", ein Ragout aus Schulter, Nacken, Brust mit Frühlingsgemüse und kleinen Kartoffeln. Aber auch die Innereien lassen sich schmackhaft verwerten. Ich sage nur: Milchlammleber mit Kapern oder Steinpilzen; Lammniere gegrillt, auf einem Rosmarinzweig aufgesteckt oder Lammbeuscherl. Übrigens: Mein Cousin Herbert, gelernter Konditor und Bäcker, züchtet in Hohenems seit 40 Jahren Schafe und ist Mitbegründer des Vorarlberger Schafzuchtverbandes. Sein weißes Alpenschaf ist eine wahre Delikatesse. Soll noch einer sagen, die Vorarlberger seien keine "schafen" Typen.
Aus: freizeit-KURIER vom 23.4. 2011
Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.
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