Leben/Essen & Trinken

Steiermark: Bier wird zunehmend Frauensache

Bis heute gilt Bier weithin als Männersache. Im Zuge des Trends zu Craftbeer und der aktuellen Renaissance von Kleinbrauereien und kommt diese - historisch gesehen ohnehin fragwürdige - Zuschreibung immer mehr ins Wanken. Das gilt auch für die Steiermark - nicht nur im Vorfeld des internationalen Weltbiertages am 4. August.

Eine der modernen steirischen Bier-Pionierinnen ist Anita Herzog. Sie betreibt ihr - autodidaktisch erlerntes - Handwerk seit neun Jahren in Ponigl bei Wundschuh. Mittlerweile hat sie auch einen Braugasthof, der sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Mit dem Brauen angefangen hat sie seinerzeit aus eigenem Antrieb, einfach "weil ich gern Bier trinke".

Derzeit hat sie knapp 20 Biersorten im Sortiment, insgesamt hat sie über rund 60 eigene Rezepte ersonnen. Das reicht von klassischen Biersorten wie Helles oder Pils, Weizen und Stout bis hin zu eigenwilligeren, teils nur saisonal angebotenen Varianten wie Heidelbeer-, Mais- oder Kastanien-Bier.

Handbrauerei als One-Woman-Show

Eine weitere erfolgreiche steirische Bierproduzentin ist Elfriede Forstner-Schroll, in der heimischen Bierszene als "Elfie" bekannt. Sie übernahm vor zweieinhalb Jahren die Brauerei ihres verstorbenen Ehemannes, des Bierpioniers Gerhard Forstner. Seither führt sie die Handbrauerei in Kalsdorf bei Graz als One-Woman-Show. "Ich mag verrückte Biere. Ein Bier muss für mich einen hohen Wiedererkennungswert haben", sagt sie. Deshalb biete sie bewusst eine beschränkte Anzahl verschiedener Sorten an. Derzeit sind es aber doch immerhin 15 - darunter ein Ingwerbier und ein Rosenbier. Als nächstes darf man sich auf ein Rum-Bier zu Weihnachten freuen.

Mit Manuela Strobl (Marienbräu) und Erika Hofer (Tonibräu) gibt es mindestens zwei weitere Brauerinnen in der Steiermark. Marlene Dresler aus Leutschach ist neben Anita Herzog eine der vorerst wenigen Steirerinnen mit einer Ausbildung zur Bier-Sommeliere. Sie entdeckte ihre Liebe zum Bier, als sie 2006 die erste steirische Hopfenkönigin war.

Aber auch in schon jener Zeit, als Bierbrauen und Trinken eine ausgesprochene Männerdomäne war, gab es in der Weststeiermark eine legendäre Brauereichefin. Vor rund 120 Jahren führte Helene Rottenbacher die in Voitsberg ansässige gleichnamige Brauerei, die damals weite Teile der Weststeiermark mit Schankbier belieferte. Sie galt als große Wohltäterin und war bei der Bevölkerung sehr beliebt.

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Auch als Sommeliers und Bierkonsumenten scheinen Frauen im Vormarsch zu sein. Markus Eichl, Mitinhaber der Bierboutique auf dem Lendplatz in Graz, schätzt, dass seine Kundschaft zur Hälfte aus Frauen besteht. Der Craftbeer-Trend habe in den vergangenen Jahren "gefühlsmäßig" zu einer Steigerung des Frauenanteils geführt. Ein bestehendes 7:3-Verhältnis von Kunden und Kundinnen konstatiert dagegen "Dr. Bottle" Bernd Brünner in der Reitschulgasse. Anita Herzog sieht auch einen gewissen Wechsel von Weinliebhaberinnen zu Biertrinkerinnen.

Frauen als bewusstere Biergenießerinnen

Einigkeit herrscht darüber, dass Frauen die bewussteren und unvoreingenommeneren Biergenießer sind und an der steigenden Vielfalt an Varianten und Geschmäckern vermehrt Gefallen finden. Das Klischee, dass Frauen nur mit fruchtigen Zusätzen versehene Biere trinken, etwa das belgische Kirschbier Kriek, stimmt offenbar so nicht mehr. Marlene Dresler: "In den letzten Jahren haben die Frauen ihre Neugier und Liebe zum Bier wiederentdeckt. Auch vermutlich durch die gesundheitsfördernden Eigenschaften, die Bier besitzt. So ist es zum Beispiel gut bei Östrogenmangel, Bier oder alkoholfreies Bier zu trinken."

Brauen als weibliche Angelegenheit

Historisch gesehen war das Brauen die längste Zeit eine ausschließlich weibliche Angelegenheit. Schon bei den Sumerern und in Ägypten, später auch in anderen Teilen der Welt, waren es ursprünglich die Frauen, die Bier herstellten. Hildegard von Bingen gilt als die Erfinderin des modernen gehopften Bieres. Erklärt wird diese ehemalige weibliche Dominanz in der Braukunst gemeinhin damit, dass das Brauen damals zum Backhandwerk zählte und verschiedene Malzgetränke bei bestimmten Festivitäten kredenzt wurden, was in der Regel den Frauen oblag.

Wenig verwundern mag es daher, dass alte Kulturen dem Bier spezielle Göttinnen zuordneten. Dazu zählten Kamui Fuchi in der ostasiatischen Ainu-Mythologie oder die ägyptische Göttin Hathor. Eine Hopfengöttin gibt es übrigens auch in der heutigen Steiermark: Im Schaugarten des Bierbrauers und Brauanlagenherstellers Flecks Bier in Laufnitzdorf nördlich von Frohnleiten steht eine der Venus von Willendorf nachempfundene Göttinnen-Statue mit einer spitz nach oben zulaufenden Hopfendolde als Kopf. Das Motiv prangt auch auf dem Etikett des hauseigenen Indian Pale Ale.