Mrs. Robinsons Gespür für Wein
Von Georg Gesellmann
Ob ein Zehn-Euro-Wein qualitativ so gut ist wie einer um 50 Euro, was sie von Eichenholzchips (Anm.: werden dem Wein zugefügt, um ein Holzaroma zu erzielen) hält, ob Frauen den besseren Gaumen haben und wo Österreichs Weine im internationalen Vergleich liegen, erzählt die britische Weinkritikerin Jancis Robinson im KURIER-Interview.
KURIER: Wo würden Sie sagen, liegen die österreichischen Weine im internationalen Vergleich - rot wie weiß ?
Jancis Robinson: Sie sind fast ausnahmslos sehr gut gemacht, aber relativ hochpreisig.
Warum haben wir in Österreich, abgesehen von wenigen Ausnahmen, keine großen Rotweine?
Ich glaube, dass Qualität und Ansehen österreichischer Weine sich in den letzten Jahren großartig verbessert haben, da die Winzer zunehmend der Frucht gegenüber dem Eichenholz mehr Gewicht verleihen.
Wie sollte sich Ihrer Meinung nach unsere Wein-Stilistik entwickeln? Sollten sich Österreichs Weinbauern stärker an internationalen Trends orientieren?
Ich würde sagen, dass Grüner Veltliner schon Weltklasse-Status erreicht hat - er wird von Central Otago bis Napa Valley über Limoux angebaut. Außerdem erwarte ich einen Boom des Blaufränkisch durch den weltweiten Trend weg von den Rotwein-Bomben, hin zu eher frischen Weinen.
Es gibt Winzer, die auf Biodynamik umstellen. Was halten Sie davon?
Nun gut! Erst gab es Bio, dann Biodynamik und jetzt kommen noch "natural wines" mit sehr wenig chemischen Zusätzen. Es ist schon eigenartig, da keiner exakt erklären kann, wieso Biodynamik funktioniert, nur dass damit generell gesündere Rebstöcke und Weingärten und viel lebendigere Weine erreicht werden. Ich glaube, ich kann in einer Blind-Verkostung Bio-Weine nicht erkennen, dafür aber fast immer biodynamische.
Was halten Sie davon, dass einige Winzer - und es werden immer mehr - ihren Weinen
Eichenholz-Chips hinzufügen, anstatt sie in Barrique-Fässern zu vinifizieren?
Ich bin nicht begeistert davon. Ich vermute, dass sich der Einsatz von selbst verringert, weil mehr Endverbraucher lernen, Weine mit dominantem Eichenholz-Ton zu meiden.
Kann es sein, dass ein Zehn-Euro-Wein qualitativ so gut ist wie einer um 50 Euro?
Aber sicher. Ich glaube nämlich nicht, dass es eine absolute Übereinstimmung zwischen dem Preis und der Qualität eines Weines gibt. Es gibt zahlreiche köstliche Weine, die nicht besonders viel kosten, und es gibt hunderte von überteuerten Flaschen, deren Preise der Fantasie eines hoffnungsfrohen Befürworters der freien Marktwirtschaft oder eines Weingut-Besitzers entsprungen sind.
Welche Rolle spielt das Glas beim Weintrinken?
Für Sachkundige und Weinliebhaber sehr viel. Sogar jene, die sich wenig mit Wein auskennen, werden mit einem feinen, gut gemachten Weinglas den Wein mehr genießen als aus einem dickwandigen Wasserglas.
Wie schätzen Sie die Bedeutung der Weinkritik für den Markt und für die Produzenten ein?
Allmächtig. War nur ein Scherz.
Sie sind eine der wenigen Frauen, die den Masters of Wine geschafft haben. Ist es für eine Frau schwierig in der Männerdomäne des Weins Fuß zu fassen?
Da ich ein Frau bin, durfte ich am Anfang immer neben den Weinproduzenten sitzen, während meine männliche Kollegen eher am andere Ende des Tisches saßen. Das war ein Vorteil.
Angeblich haben Frauen den besseren Gaumen. Sehen Sie das auch so?
Ob Frauen oder Männer den besseren Gaumen haben, kann ich von mir nicht behaupten. Wissenschaftler finden, dass Frauen präziser und konstanter verkosten als Männer. Vielleicht hat das mit unserer Entwicklung zu tun, da die Männer eher auf Jagd waren und die Frauen auf die Lebensmittel achten und wissen mussten, wann das Essen schlecht wurde.
Zur Person
Jancis Robinson ist die erfolgreichste Wein-Journalistin der Welt. 1950 geboren, wuchs sie in einem Ort mit 46 Einwohnern südlich der schottischen Grenze in England auf. Sie studierte in Oxford Mathematik und Philosophie, wo sie auf den Geschmack von gutem Essen und Weinen kam. Dann wechselte sie in die Tourismusbranche, verbrachte drei Jahre in der Provence, wo sich ihre Wein-Faszination verstärkte.
Erst im Alter von 25 Jahren fand ihr beruflicher Einstieg ins Thema Wein statt - als Mitarbeiterin des Weinmagazins Wine and Spirits. In nur neun Jahren brachte sie es zum Master of Wine - als erste Frau überhaupt. Die heute 61-Jährige ist seit 2005 Mitglied der Royal Household Wine Company. Ihre Aufgabe besteht darin, jene Weine auszusuchen, die die Königin ihren Gästen kredenzt. In einem Interview in der Neuen Zürcher Zeitung gestand sie, dass sie schon mal 200 Weine am Tag verkostete, "was für mich eindeutig zu viel ist". Rund 80 Weine könne sie aber noch fair beurteilen. Danach könne es sein, dass sie am Abend noch ein Glas genießt - "ein bisschen Alkohol trägt zur Entspannung und Erholung bei".
Robinson - verheiratet und Mutter dreier Kinder - hat viele Weinbücher verfasst und wurde mit Preisen überhäuft. Sie schreibt eine Kolumne in der Financial Times und für das
Weinmagazin Wine Spectator. Sie kommt heute, Donnerstag, auf Einladung des Esterházy Weingutes nach Eisenstadt.