Zu gut für den Mistkübel
Alle Lebensmittel, die seit Jahresbeginn weltweit produziert wurden, landen im Müll – zumindest statistisch gesehen. In Österreich sind die privaten Haushalte die Hauptübeltäter, also wir alle. Gründe sind Fehlkäufe oder fehlendes Wissen über Mindesthaltbarkeit und Restlverwertung.
Anlässlich des heutigen "Tags der Lebensmittelverschwendung" erinnern Umweltschutzorganisationen daran, dass hierzulande 577.000 Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen im Jahr anfallen: "Österreich schmeißt jährlich so viel an Genießbarem weg, wie die gesamte Kärntner Bevölkerung isst", so WWF-Expertin Julia Haslinger.
Das Wissen, was aus Salatblättern oder Fleischresten zu Hause gezaubert werden kann, fehlt häufig. Bei Fleisch denken viele nur noch an Steaks, dabei dienten einst Gerichte wie Grenadiermarsch, Aufläufe oder Fleischknödel als traditionelle Restlverwertung. Die Kochbuch-Autorin Brigitte Rühl-Preitler zeigt in ihrem aktuellen Buch "Essen um zu leben" (Edition Esspapier, ISBN 978-3-9503791-4-3), wie Einkaufsplanung für einen ganzen Monat lang gelingt. So verwendet die gelernte Köchin den Essig vom Gurkenglas genauso wie die das Öl vom Dosenfisch für ihre Rezepte, aus Apfelschalen und Kerngehäuse stellt sie Apfeltee her, aus Gemüseschalen Suppengewürz.
Ketzerische Frage: Was ist so schlimm an weggeworfenen Lebensmitteln? Neben ethischen und finanziellen Gesichtspunkten – in jedem österreichischen Haushalt landen Speisen im Wert von 300 Euro im Müll – handelt es sich um eine Energie-und Ressourcenverschwendung. "Für Produktion, Transport und Verpackung von Lebensmitteln werden z. B. Böden ausgelaugt, wird Wasser verbraucht und viel emittiert, nur damit diese dann ungenutzt wieder im Müll landen", sagt Haslinger. Am stärksten belastet die Umwelt das Wegwerfen von Fleisch: Für die Produktion von einem Kilogramm braucht es 16 Kilogramm Futtermittel.
Bessere Planung in Kantinen hilft
Mit 175.000 Tonnen trägt auch die Außer-Haus-Verpflegung einen großen Anteil an der Verschwendung. Laut Catering-Unternehmen Gourmet zeigt die Erfahrung: Wenn es den Gästen ermöglicht wird, à la Carte mit Vorlauf und variablen Portionsgrößen zu bestellen, landet weniger Essen im Müll. "Oft bleiben in Kantinen Portionen übrig, weil die Anzahl der Gäste geringer ausfällt. Ist das Essen gekühlt oder tiefgekühlt, kann es nach Bedarf und portionsweise serviert werden. Dieser Aspekt wird bei der Planung von dezentralen Kleinküchen in der Gemeinschaftsgastronomie oft vergessen", erklärt Gourmet-Geschäftsführer Herbert Fuchs.
Das Unternehmen informiert anlässlich seiner Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung in Newslettern, über Facebook und auf dem Firmenblog über den sorgfältigen Umgang mit Lebensmitteln.
Schlaue Lösungen: Deutsche Sterne-Köche verraten Rezepte
Zudem laden die Kinderspezialisten des Caterers kurz vor Schulschluss zur Kinder-Kochwerkstatt oder Klima-Kochwerkstatt, wo die Jüngsten spielerisch lernen, wie kostbar Lebensmittel sind.
Vor sechs Jahren startete die Initiative Foodsharing, die mittlerweile 200.000 ehrenamtliche Helfer in Österreich, Deutschland und der Schweiz vereint (foodsharing.at): Teilnehmer können Essenskörbe abgeben oder von privaten Haushalten abholen. Auch politische Institutionen zeigen sich erfinderisch: So bat das deutsche Ernährungsministerium prominente Köche um Rezepte (zugutfürdietonne.de) – von Mario Kotaska stammt eine marokkanische Currywurst, von Tim Mälzer ein Paradeiser-Brot-Salat. Die Rezeptsammlung gibt es als kostenlose App fürs Smartphone.