Filippous Novelli-Abgang mit Beigeschmack
Montag machte es in der Szene die Runde. Das Wiener Innenstadt-Restaurant Novelli , unbestritten eine der heimischen Top-Gastro-Adressen, und sein Küchenchef Konstantin Filippou haben sich getrennt. Unerwartet. Sowas passiert schon einmal in der Branche. Auffallend ist die Art, wie die Trennung vonstatten ging. Da wurde hier ein Rausschmiss kolportiert, da eine bereits im Frühjahr erfolgte Kündigung. Man habe sich schließlich einvernehmlich geeinigt. Solche Begriffe kennt man eher aus Vorstandsebenen von Spitzenkonzernen als aus der Gastronomie. Doch: Ein Toprestaurant, das seinen Küchenchef verliert, ist im Grunde nichts anderes als ein großes Unternehmen, das gerade eine Krisensituation zu meistern hat. Oder eben gemeistert hat.
Die Novelli-Crew gibt sich entspannt. Andreas Mikulits, erfahrener Geschäftsführer und langjähriger Mitstreiter Konstantin Filippous: "Die Außendarstellung ist Herrn Filippou wichtiger als was und wie intern gearbeitet wurde." Ein fast schlüssiger Kommentar. Man habe sich auf eine einvernehmliche Kündigung geeinigt. Das war's.
Kleine Ergänzung für alle, die das kulinarische Geschehen in Wien nicht so akribisch verfolgen: Das Novelli zählt neben dem Steirereck zu den Top-Adressen der Wiener Gourmetszene. Es ist ein gepflegtes und schönes Innenstadt-Lokal, Kritiker bemängelten aber lange die etwas richtungslose, italienische Küche. Konstantin Filippou und Geschäftsführer Andreas Mikulits schafften trotzdem während der vergangenen fünf Jahre, das Novelli in einer kräfteraubenden aber spannenden Partnerschaft an die Spitze aller Rankings zu kochen. Filippou und sein Team in der Küche legten einen bemerkenswerten Sprint im Gault Millau hin. In auffallend kurzer Zeit durfte sich der Küchenchef, der nie Kochmützen trägt, drei Gault-Millau-Hauben aufsetzen. Die Michelin-Ausgabe "Main Cities of Europe" stellte sich bald mit dem ersten Stern ein. Heuer kürte "A la carte" Filippou zum Jahresbesten in der Kategorie "Kreative Köche".
KURIER.at wollte es genau wissen und traf den entspannt wirkenden Ex-Novelli-Chefkoch zu einem Gespräch über Vergangenes und Zukünftiges.
KURIER.at: Warum verlässt ein Chef das Restaurant, das er in den letzten Jahren sozusagen umgedreht und an die Spitze der Stadt gekocht hat?
Konstantin Filippou: Nach sechs Jahren war es Zeit für eine Veränderung. Ich hatte schon im Frühjahr die Kündigung eingereicht. Damals wurde ich gebeten zu bleiben. Ich habe offenbar Zeit gebraucht, loszulassen.
Veränderung?
Ich fühle mich noch stark. Ich will das Niveau steigern.
Das hätten Sie im Novelli ja auch tun können …
Natürlich. Doch für High End braucht man Partner. Es gab unterschiedliche Ansichten über die Ausrichtung des Lokals.
War es ein Problem, ein Lokal dieser Größe mit High End-Küche zu füllen? Im Ausland funktioniert sowas.
Die Größe war nicht das Problem. Man kann aus allem etwas machen. Aber ein Restaurant braucht ein Gesicht. Eine Entscheidung muss getroffen werden, die dann konsequent und authentisch durchgezogen wird.
Was meinen Sie mit dem Gesicht?
Top-Profis müssen ein Ding, eine Idee darstellen. Es darf keine Unsicherheit geben. Von vorne bis hinten muss alles mit einer Stimme sprechen. Gemeinsam in die gleiche Richtung marschieren, das ist meine Philosophie zu arbeiten.
Es liegt also nicht nur an der immer wieder gerne vorgebrachten Ahnungslosigkeit der Wiener Gäste, wenn ein Top-Lokal nicht jeden Tag ausgebucht ist.
Sicher nicht. Das Steirereck zum Beispiel. Da stimmt alles von vorne bis hinten.
Resultat: eine Woche Reservierungszeit.
Ich war gerade in Kopenhagen im Noma. Da gibt es ein Konzept und das wird durchgezogen, ein Team, eine Einheit, Repräsentation einer Idee.
Werfen Sie Ihrem Ex-Partner und Ihrem Chef Unentschlossenheit vor?
Nein. Wir haben uns im Guten getrennt - auch wenn ich in diversen Medien etwas anderes lese. Dass es hierzu zwei unterschiedliche Versionen gibt, nehme ich mit Erstaunen - aber doch - zu Kenntnis und es zeigt mir, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Viele Kritiker werfen dem Novelli seit langer Zeit vor, ein Lokal mit gespaltener Persönlichkeit zu sein. Fühlten Sie sich in letzter Zeit wohl an Ihrem Platz am Herd?
Mein Team in der Küche war super. Dennoch fühlte ich mich oft recht allein im Hinblick auf Ziele und Ideen.
Sind Sie eitel?
Natürlich. Ich würde lügen wenn ich 'Nein' sage.
Und fühlten sich im Betrieb zu wenig geschätzt …
Das hat mit Eitelkeit nichts zu tun. Aber - mit allem Respekt - ich sehe mich auch als Kreativer. Öffentliche Anerkennung von außen gab es genug. Das haben mein Küchenteam und ich dann auch immer mit Freude entgegen genommen.
Ein Resümee nach sechs Jahren als Angestellter: Denken Sie an die Selbständigkeit? Viele Top-Chefs führen kleine Lokale und haben Erfolg damit. Zumindest trifft das im Ausland zu.
In meiner Brust schlagen zwei Herzen: Das eigene Ding, locker und mit eigener Handschrift, wäre was. Aber der Spitzensport am Herd in einem Toplokal mit einem Top-Team hat immer noch etwas Verlockendes.