Leben/Essen & Trinken

Den Wein lesen lernen

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Am Anfang ist das Wort, auch beim Wein. Darauf besteht Experte Frank Smulders, als er im wohnlichen Weinkeller des Palais Coburg das Glas in die Hand nimmt. "Zuerst gehört Wein analysiert und so beschrieben, dass ihn jeder nachvollziehen kann." Zum Grünen Veltliner Kaiserwetter in seinem Glas sagt Smulders "sauber". Der Holländer schwenkt das Glas, der Kaiserwetter dreht seine Runden, Smulders steckt die Nase tief hinein und fügt hinzu: "erste Reifenoten, fruchtig." Er stellt das Glas ab. Ohne einen Schluck zu nehmen.

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Frank Smulders ist einer von weltweit 280 "Master of Wine", denen größte Weinkenntnis zugeschrieben wird. Außerdem ist er Weindirektor des Palais Coburg, in dessen Kellern 60.000 Flaschen Wein lagern – von guten Österreichern bis zu sündhaft teuren Raritäten. Im Rahmen des "Welt Weinfestival" von 14. bis 17. März wird Smulders erklären, wie Profis Wein verkosten. Analyse Genau das versucht er einem Journalisten beizubringen, der Wein lieber trinkt als diskutiert. Smulders greift erneut zum Kaiserwetter und schaut den Wein an: "Der optische Eindruck ist klar, die Farbe zwischen mittel und intensiv, eher mittel. Farbton strohgelb bis gold. Und der Wein bildet leichte, aber deutliche Schlieren." Für ihn ist nun klar: Dieser Weißwein kann nicht ganz jung sein – sonst wäre er blasser. Und er muss trocken sein, nicht zu schwer – sonst hätte er mehr Schlieren. Smulders hat immer noch nicht davon gekostet.

"Ein Profi beginnt jede Blindverkostung mit der Analyse." So nähert er sich dem Wein an, auch wenn er ihn nicht kennt. "Blindverkosten ist nicht das Abrufen bekannter Weine, sondern exakte Analyse. Es ist möglich, einen Wein zu erkennen, den man noch nie im Glas hatte." Der Wein-Frischling an Smulders Seite staunt, inhaliert den Kaiserwetter fast und sagt: "Riecht sehr reif." Der gepflegte Holländer riecht jetzt ebenfalls tief ins Glas. Er antwortet höflich, als ob das kein Widerspruch wäre: "Ich würde eher ‚jugendlich‘ sagen." Es entsteht eine Diskussion, wie typisch dieser Veltliner ist. Smulders löst auf: Für das Weinviertel wäre er nicht typisch, für sein Herkunftsgebiet Kremstal schon. "Man muss beim Verkosten immer schauen, dass alle die gleiche Sprache sprechen. Ich nenne das kalibrieren."

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Nach einer halben Stunde wird der erste Schluck genommen. "Testen wir den Geschmack", gibt Smulders die Erlaubnis. Und schiebt den Kübel zum Schüler. "Einen ordentlichen Schluck nehmen, im Mund bewegen, alle Geschmacksknospen benetzen, ein bisschen Luft einsaugen. Und ausspucken." Tatsächlich ist der Eindruck noch klarer, wenn man wieder ausspuckt. Die Frage nach Geschmacksintensität und Körper des Weines ist so besser zu beantworten: Wie lange hält sich der Geschmack im Mund? Smulders: "Das sagt viel über einen Wein und seine Qualität aus." Und über dessen Komplexität – aber: "Die Österreicher trinken ihre Weine oft zu jung. Gute Weine gewinnen erst mit den Jahren an Komplexität." Die entsteht durch Gegenspiel und Balance von Säure und Süße (siehe Lexikon unten).

Rotwein

Smulders öffnet einen Bordeaux ohne hinzuschauen. " Rotweine sind schwieriger zu verkosten, weil die bitteren Tannine sich im Mund aufbauen. Man schmeckt Unterschiede dann schlechter." Diese Tannine sowie der Barrique-Ausbau machen bei Rotwein die Komplexität aus.

"Ich weiß aber nicht, warum Rotwein noch immer als der edlere Wein gilt. Das ist ebenso ein Irrtum wie: Helle Rotweine sind schlechter. Rotweine werden mit dem Alter heller. Und manche Rebsorten sind farblich weniger intensiv." Pinot Noir (Hauptsorte im Burgund) ist beispielsweise etwas heller und röter als Bordeaux. Smulders betont: "Wir suchen in guten Weinen Komplexität, nicht nur dominanten Geschmack. Es geht nicht darum, ob mir ein Wein schmeckt, sondern ob er etwas Interessantes hat." Er nimmt das Glas und gönnt sich nun doch einen Schluck.

Wein: Verkosten wie der Profi

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Frank Smulders 1962 geboren, ist er seit 1992 Master of Wine. Und das gilt als höchste Bescheinigung des Weinverständnisses. Die einzigen österreichischen Master of Wine sind übrigens Josef Schuller von "Weinakademie Österreich" und Roman Horvath von "Domäne Wachau". Smulders studierte Wein in London – die Stadt ist Handelsmetropole für Top-Wein. Er ist seit 1985 im Weinbusiness, unterrichtet viel, berät Weingüter und werkt seit einem Jahr als Weindirektor des Palais Coburg. Seine Spezialgebiete sind Spanien, Champagner und Österreich – das er für seine Weine lobt: "Österreichische Weißweine gehören zu den besten der Welt. Bei Rotweinen macht man große Fortschritte. Vor allem ist die Durchschnitts-Qualität die beste der Welt. Es gibt kaum Ausreißer nach unten." Als Lieblingswein nennt er Riesling. Welt Weinfestival Im Palais Coburg steht von 14. bis 17. März Wein im Mittelpunkt – in Vorträgen, Verkostungen und Workshops ("Verkosten wie ein Profi" kostet 85 €). www.weltweinfestival.at

Lexikon

(Barrique) Ausbau Ausbau ist Kellerarbeit mit dem Wein. Nach der Vergärung reift der Wein unterschiedlich lange in Tanks oder Fässern. So entwickelt er seinen Charakter. Neben Lage des Weingartens, Boden und Klima entscheidet der Ausbau über Qualität und Komplexität des Weines. Besondere Form i st der Ausbau in Barriques (Eichenfässern).

Komplexität Ein Wein ist interessant, wenn die Balance zwischen Säure und Süße passt. Zur Erklärung: Wein baut umso mehr Säure ab, je länger er an der Rebe hängt. Dafür steigt der Zuckergehalt. Werden die Trauben sehr reif geerntet, verliert der Wein Säure, ist aber süßer. Der Winzer versucht, die perfekte Balance zwischen verbleibender Säure und aufgebauter Süße zu finden. Diese Balance gibt dem Wein die Geschmacksnuancen, er wird so komplexer. Körper W ird auch als "Textur" beschrieben oder wie "fett" der Wein ist. Man kann sa gen: Wasser hat keinen Körper, Olivenöl sehr viel. Wein ist dazwischen. Der Körper hängt zusammen mit der ...

Geschmacksintensität Besagt, wie lange der Geschmack im Mund bleibt. So zu testen: Schluck in den Mund nehmen, drehen, schlucken: Manche Weine schmeckt man nach Sekunden nicht mehr, andere noch nach einer Minute.

Tannine Sind die pflanzlichen Gerbstoffe, die den Rotwein das raue, pelzige Mundgefühl (Adstringenz) geben. Kommen aus Schale und Kernen der Trauben: Rotwein bleibt eine Zeit lang in der Maische (Pressgut) liegen, deshalb wird er übrigens auch rot.