Leben/Essen & Trinken

Bunte Retro-Welle auf den Tellern

Der steirische Chocolatier Josef Zotter, bekannt für seine gewagten Kreationen von Fair-Trade und Bio-Schokolade, ist jetzt auch Landwirt. Zottelrinder, Warzenenten, Wollschweine und andere alte Rassen leben in seinem „essbaren Tiergarten“ nebst der Schokoladenmanufaktur. Zumindest bis sie auf der Schlachtbank und dann am Teller von Zotters Lokal landen. „Schau deinem Essen in die Augen“, lautet Zotters Motto. „Die Menschen sind von den Bildern der Massentierhaltung erschrocken. Ich denke, der Trend geht hin zu weniger Fleisch, aber dafür Gutes“, sagt er. Zudem leben immer mehr Menschen vegan.

Tatsächlich fragen Konsumenten zunehmend, woher ihre Lebensmittel kommen. Und wollen den Bauern auch in die Ställe schauen. Der Vorarlberger Landwirt Mathias Erath hat daraus ein Geschäft entwickelt. Unter „Kuh for you“ kann man sich eine seiner zehn Kühe für 29 Euro die Woche mieten – und bekommt dafür nicht nur Milch und Käse, sondern auch eine Freischaltung zur Live-Kamera im Kuhstall. Nicht nur Städter würden sich für diese Packages interessieren, sagt Erath.

In den Ställen der Industrie geht es jedenfalls ziemlich einfältig zu. Jede zweite Henne stammt von der deutschen Firma Lohmann, schätzen Branchenkenner. Dabei handelt es sich um Hochleistungshennen, die bis zu 300 Eier im Jahr liefern. Zum Vergleich: Alte Rassen können gerade einmal mit 150 Eiern im Jahr dienen.

Grüne Eier

Hühner wie die Barbette, die Eier mit grünlicher Schale legt, sind bei Hobbybauern zu Hause und nicht in den Ställen der Industrie. Für den Preisdruck, der im Handel bei Massenware herrscht, sind sie zu wenig effizient. Der steirische Pionier der Freilandhaltung, Toni Hubmann, bezeichnet den Trend hin zu seltenen Arten noch als „zartes Pflänzchen“. Hubmann: „Da muss man schon genau hinsehen, dass man es sieht.“

Dennoch: Die großen Handelshäuser füllen ihre Regale mit regionaler Ware und seltenen Sorten auf. Bunte Erdäpfel – wie die Blaue Elisa, Rosa Tannenzapfen oder die Rote Emma – sind ein florierendes Geschäftsfeld. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: Sie sind nur in kleinen Mengen und zeitlich begrenzt verfügbar.

Noch. Denn der Trend ist den Landwirten freilich nicht entgangen. Sie schieben mit größeren Anbauflächen für ausgefallene Sorten die Entwicklung zügig voran. Was zu neuen Problem führen kann, wie Iga Niznik, Sprecherin der Arche Noah (Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt & ihre Entwicklung) erklärt: „Unter der Massenproduktion kann die geschmackliche Qualität der bunten seltenen Sorten leiden.“

Hybridsorten

Mit den Hybridsorten der großen Saatgutkonzerne können die alten Sorten beim Output freilich nicht mithalten. Seltene Tomatensorten haben laut Experten einen Ertrag von durchschnittlich zwei Kilogramm pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Hybridsorten, die in holländischen Gewächshäusern eingesetzt werden, liefern auf gleicher Fläche einen Ertrag von 150 Kilogramm.

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Sie tragen dunkle Pullover, Wollhauben und Gummistiefel. Und sie sind bewaffnet – mit Schaufeln und Saatgut. Verlassen sie den Tatort, blüht dieser auf. Guerilla Gardening hat ein Ziel: den brachliegenden öffentlichen Raum zu begrünen. „Natürlich ist das illegal, schließlich wird der Eigentümer nicht gefragt“, sagt David Stanzel, Mitglied des Vereins Gartenpolylog. „Guerilla Gardening entspringt der politischen Frage, wem der öffentliche Raum, die Stadt gehört.“

Der Vordenker

„Nicht alles, was illegal ist, ist schlecht oder böse“, sagt dazu Richard Reynolds. Der 1977 geborene Brite gilt als Gründer dieser Bewegung. Die Initialzündung war ein verwahrloster Pflanzkübel vor seinem Wohnhaus. Reynolds setzte dort Alpenveilchen – und es gefiel ihm. Im Laufe der Zeit wurde aus diesem illegal besetzten Kübel ein blühendes Paradies; und aus Richard Reynolds die Ikone des Guerilla Gardenings.

Während in New York, London oder Berlin die Szene gut organisiert ist und tatsächlich politische Statements hinter ihren Aktionen stehen, wurden in Wien wenige aufsehenerregende Projekte von Guerilleros umgesetzt. Eine Ausnahme ist der Längenfeldgarten. 2010 besetzten Untergrundgärtner Wiesen zwischen U-Bahn und Wienfluss, um Nutzpflanzen anzubauen. „Eigentlich ist Guerilla Gardening eine temporäre Sache“, sagt David Stanzel. „Aber der Längenfeldgarten wurde geduldet und hat sich zu einem fixen Bestandteil im Stadtbild etabliert.“ Und er ist nicht der einzige: In den vergangenen fünf Jahren sind österreichweit zwischen 80 und 100 Gemeinschaftsgärten entstanden, 40 davon in Wien.

Der erste war 2008 jener in Wien-Ottakring. „Das ist mittlerweile ein internationaler Trend“, bekräftigt Umweltstadträtin Ulli Sima. „Immer mehr Stadtbewohner sehnen sich nach einem Stück Grün, auf dem sie aktiv Natur erleben können, frisches Obst und Gemüse genießen und ihre Hände in der Erde spüren können.“

Starker Zusammenhalt

Die Idee der Gemeinschaftsgärten geht auf die Community Gardens im New York der 1970er-Jahre zurück. Hier pflanzten die Bewohner in Baulücken Obst und Gemüse an. Das ist auch in Wien so. „Nutzpflanzen stehen bei Gemeinschaftsgärten im Vordergrund“, sagt Stanzel. „Das liegt am gestiegenen Ernährungsbewusstsein der Menschen.“ Doch auch der soziale Aspekt darf nicht vergessen werden: Immerhin treffen in Gemeinschaftsgärten die unterschiedlichsten Menschen mit einem gemeinsamen Ziel aufeinander. „Das fördert die Nachbarschaft“, betont Ulli Sima. „Durch das gemeinsame Garteln findet man zueinander und erweitert seinen Horizont.“ Übrigens: Für die Wiener Gemeinschaftsgärten gibt es lange Wartelisten. David Stanzel: „In Wien gäbe es aber noch viel Platz. Man könnte etwa bei Neubauten auch die Dächer nutzen.“