Wenn Mieter den Bogen überspannen
Von Ulla Grünbacher
Wenn Vermieter Mietverträge vor Zeitablauf aufkündigen wollen, dann brauchen sie dafür einen triftigen Grund. Welche das sind, ist im Mietrechtsgesetz (MRG) festgelegt. „Am häufigsten ist die Kündigung wegen Nichtbezahlung des Mietzinses“, sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien. Häufig wird eine Kündigung auch wegen angeblichen Wegfall des Bedarfs an der Mietwohnung eingebracht. „Dies betrifft dann oft ältere Leute, die einen günstigen Mietzins haben, in ihrer Pension aber öfters verreisen und daher nicht dauernd anwesend sind“, so die Expertin.
Immer wieder kommt auch die Kündigung wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs der Wohnung vor, „etwa dann, wenn eine Badewanne ohne Isolierung eingebaut wird“, nennt Hanel-Torsch ein Beispiel. Weitere Kündigungsgründe sind die gänzliche Untervermietung der Wohnung und Eigenbedarf des Vermieters. „Wichtig ist es, dass Mieter bei einer Kündigung, die sie für nicht gerechtfertigt halten, binnen vier Wochen ab Zustellung Einwendungen bei Gericht erheben“, rät Hanel-Torsch.
Abgesehen davon gibt es einige Kündigungsgründe, mit denen sich Gerichte eher selten beschäftigen. Häufig geht es dabei um rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten des Mieters, das den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet, oder um erheblich nachteiligen Gebrauch der Wohnung. Das Gericht hat nicht nur zu beurteilen, was in der Vergangenheit geschehen ist, sondern auch eine Zukunftsprognose abzugeben – ob es absehbar ist, dass sich das Verhalten des betroffenen Mieters bessert. Die vier spannendsten Fälle aus der Praxis:
1. Nachbarn belästigt
Der Mieter fotografierte eine andere Mieterin, die sich auf einem vis-a-vis gelegenen Balkon ausruhte. Als diese das Auslösegeräusch der Kamera hörte, machte sie deutlich, dass sie es bemerkt hatte. Doch der Mieter fotografierte sie weiter. Auch andere Bewohner der Wohnanlage fotografierte er wiederholt. Außerdem hörte er laufend laut Musik oder telefonierte lautstark stundenlang am Balkon.
Nach der Beschädigung seines Fahrzeugs montierte der Beklagte auf seinem Balkon eine bewegungsgesteuerte Kamera, die nicht nur den Parkplatz seines Autos, sondern auch die Umgebung erfasste, sodass auch Mitbewohner gefilmt wurden. Erst über mehrfache Aufforderung durch die Vermieterin baute er kurz die Kamera ab, um sie aber später in gleicher Weise wieder zu installieren. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals. Der Vermieter klagte daher auf Räumung und Übergabe der Mietwohnung wegen unleidlichen Verhaltens. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung – nicht zuletzt im Hinblick auf die ungünstige Zukunftsprognose hinsichtlich des Verhaltens des Beklagten.
2. Zu viel gelüftet
Eine Mieterin hat es mit dem Lüften ihrer Toilette sehr genau genommen, konkret hielt sie das Fenster monatelang ununterbrochen geöffnet. Das hat zu Feuchtigkeitsschäden am Mauerwerk geführt. Aus diesem Grund wurde die Mieterin gekündigt, der Fall landete vor Gericht. Die Vorinstanzen beurteilten die „Dauerlüftung“ durch die Mieterin als „erheblich nachteiliger Gebrauch“ der Mietwohnung und gaben der Kündigung durch die Vermieterin statt. Die beklagte Mieterin wandte jedoch ein, dass ein „durchschnittlicher Mieter“ nicht wissen könne, dass es durch das Offenlassen eines Fensters zu Feuchtigkeitsschäden kommen kann.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) gelangte schließlich zur Ansicht, dass man von einem Mieter (entsprechend der Ansicht der Vorinstanzen) durchaus erwarten könne, ein Fenster nicht monatelang offen stehen zu lassen. Die beklagte Mieterin zeigte sich letztlich dazu bereit, ihr Toilettenfenster in Zukunft geschlossen zu halten, signalisierte diese Bereitschaft aber erst im Revisionsverfahren und damit nach Ansicht des OGH zu spät. Der Kündigung wurde stattgegeben.
3. Duschen im Übermaß
Der Mieter duschte bis zu acht Mal am Tag, sein Warmwasserverbrauch war überdurchschnittlich. Nach dem Duschen lüftete er die Wohnung nicht ausreichend, sodass es wegen der hohen Luftfeuchtigkeit zu Schimmelbefall kam. Der Schimmel hatte sich außerdem auf die darunter liegende Wohnung ausgebreitet. Der Vermieter mahnte den Mieter deshalb ab, dieser weigerte sich jedoch, sein Verhalten zu ändern. Der Vermieter beauftragte daraufhin eine Firma mit der Bekämpfung des Schimmels. Nachdem auch die Baupolizei ihm den Auftrag erteilte, den Wand- und Deckenverputz im Bad und der Kochnische der vermieteten Wohnung sowie der darunterliegenden Wohnung instand zu setzen, kündigte der Vermieter den Mietvertrag.
Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren des Vermieters statt, das Berufungsgericht hingegen wies das Räumungsbegehren ab. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs (OGH) reiche ein andauerndes, erheblich nachteiligen oder vertragswidriges Verhalten des Mieters für die Kündigung des Mietvertrags. Dem Vermieter sei die Fortsetzung des Bestandsverhältnisses nicht mehr zumutbar, das Räumungsbegehren somit gerechtfertigt.
4. Tauben gefüttert
Trotz schriftlicher Aufforderung, dies zu unterlassenÜber Jahre fütterte die Mieterin im Innenhof des Hauses Tauben. Diese sind in Wohnhäusern ein Problem, da sie Verunreinigungen und Schäden an der Fassade verursachen und Krankheiten übertragen können. Die Vermieterin forderte die Mieterin daher schriftlich auf, dies zu unterlassen, doch diese änderte ihr Verhalten nicht. Wegen unleidlichen Verhaltens wurde der Mietvertrag aufgekündigt.
Der Rechtsstreit ging bis zum Obersten Gerichtshof (OGH). Dort ging es nicht darum, ob der Kündigungsgrund gegeben war, sondern der OGH befasste sich mit einer sogenannten „Zukunftsprognose“.
Wenn eine Weiterführung des bisherigen unleidlichen Verhaltens künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, könnte die Kündigung abgewiesen werden. Der Oberste Gerichtshof entschied sich zugunsten der Kündigung, weil die Zukunftsprognose negativ für die Mieterin ausgefallen ist. Da die Mieterin die Taubenfütterung trotz zweimaliger schriftlicher Aufforderung nicht einstellte, ist nicht davon auszugehen, dass sie dies in Zukunft unterlassen wird.