Leben/Wohnen & Design

Wenn der Robo-Koch zum Messer greift

Mark Oleynik bestellt seine Leibspeise: Tomatensuppe mit Garnelen. Nicht in einem Restaurant, nicht beim Lieferservice, auch nicht bei seiner russischen Mama. Oleynik tut etwas viel Simpleres. Er tippt in der firmeneigenen Versuchsküche auf einen Touch-Bildschirm und wählt aus einer Speisekarte das passende Gericht. Was dann passiert, könnte aus einem Science-Fiction-Film stammen: Hinter einer Glasscheibe beginnen zwei Computerarme emsig zu hantieren – schnippeln Zwiebel, hacken Knoblauch, würfeln Tomaten, gießen Öl in einen Topf, stellen ihn zu, bedienen den Herd. Future ist served!

Lehrling

Sobald die Tomaten einige Minuten gekocht haben, wird mit Wasser aufgegossen. Behände greifen die Roboterarme nach dem Salz und würzen. Während das Süppchen köchelt, nimmt der Roboter die Garnelen aus einer Schüssel und gibt sie zum Anbraten in eine Pfanne. Noch etwas Pfeffer, eine Prise Zucker in die Suppe. Nach exakt 26 Minuten hat der Robo-Küchenchef fertig gekocht und richtet an. Suppe in die Schale, die Garnelen dekorativ am Rand drapiert. Am Ende der Show malt er mit Obers ein Herzchen in die Suppe. Rührend!

Mark Oleynik ist zufrieden. Während der russische Computerwissenschaftler, der heute in seiner Londoner Robotic-Küche die Zukunft des Kochens vorantreibt, wohlwollend die Suppe löffelt, putzt der Roboter mit einem Schwamm die Küche und erledigt den Abwasch.

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Wer all das nicht glauben mag, kann auf der Internetseite von Mark Oleynik (www.moley.com) anhand eines Videos selbst sehen, wie das funktioniert. Vollends perfekt ist die Robotic-Küche allerdings noch nicht. Die eigentlich schon für 2017 angekündigte Markteinführung der weltweit ersten automatischen Küche verzögert sich. Noch feilt Oleynik an Details, nicht alles läuft reibungslos. Unlängst erst waren die Spaghetti Bolognese entsetzlich versalzen.

"Ein Programmierfehler“, gesteht Oleynik. Man arbeite an der Verbesserung der Rezeptanweisungen, auch die Bewegungsabläufe werden ständig nachjustiert, wenngleich die zwei Roboterarme aus Stahl und Kunststoff schon jetzt so fingerfertig wie ein geübter Spitzenkoch agieren. Die Arme wirbeln mit Pfannen und Schneebesen herum, jonglieren mit Flaschen und Messbechern, greifen nach Schälchen mit Butter, Gewürzen und anderen Zutaten. Sieht verdammt professionell aus.

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Abgeschaut

Tatsächlich holt sich Oleynik regelmäßig Spitzenköche in sein Kochlabor. Dort filmt der russisch-britische Ingenieur mit 3-D-Kameras jegliche ihrer Handgriffe, digitalisiert sie und überträgt die einzelnen Zubereitungsschritte und die damit verbundenen Bewegungsabläufe auf den Roboter. Zusätzlich filmen Kameras alle vorhandenen Zutaten, damit der Robo-Koch später weiß, wonach er greifen muss. Der aber ist von einem Sternekoch noch weit entfernt. Ein Prototyp, der noch eine Menge lernen muss.

Dennoch wird auf der Webseite die Markteinführung für heuer angekündigt, falls der Lehrling seine Abschlussprüfung – die Zubereitung eines mehrgängigen Menüs – schafft. Doch selbst dann, wenn der digitale Küchenchef in Serie gehen sollte, wird er vorerst wohl nur für eine ausgesuchte Klientel erschwinglich sein: superreiche Chinesen, Araber und Amerikaner, die bereit sind, für die Automatikküche 70.000 Euro hinzublättern.

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Dennoch zweifeln Trendforscher nicht daran, dass die Digitalisierung die Küchen dieser Welt verändern wird. Ein Haupttrend: die zunehmende Vernetzung der Elektrogeräte. Das Internet der Dinge, sprich die Verschaltung elektronischer Geräte mit weltweiten Datenströmen, ist auch in der Küche längst im Gang.
"2020 werden alle unsere Hausgeräte vernetzt sein“, verspricht etwa Boo-Keun Yoon, Co-CEO des südkoreanischen Elektronikriesen Samsung. Mit vernetzten Geräten lassen sich Programmstatus, Benachrichtigungen für Pflege, Wartung und Service komfortabel empfangen und prompt an die jeweiligen Servicestellen weiterleiten.

"Kühl- und Küchenschränke behalten den Überblick über Vorräte und ordern Lebensmittel selbstständig nach. Backöfen passen durch Sensoren automatisch Brat- und Backzeit an Gerichte an. Und dank Kameras kann man dem Striezel oder dem Brathuhn im Rohr via Handy-App beim Garen zusehen und den Kindern via SMS die Foto-Botschaft senden: Das Essen ist in zehn Minuten fertig. Das ist keine Vision, sondern bereits Realität“, sagt Markus Miele, Chef des gleichnamigen Weltunternehmens für Küchen- und Haushaltsgeräte.

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Coole Zukunft

Apropos, auch bei Kühlschränken bahnt sich mit dem Magnetkühlverfahren eine Wende an. Die Methode nutzt einen physikalischen Effekt, nach dem bestimmte Materialien ihre Temperatur verändern, wenn sie in Magnetfelder eintreten. Ein mit dieser Technik betriebenes Kühlgerät erreicht seine Kühlwirkung durch einen Magneten an der Rückseite, in dem sich ein Rotor dreht – geräuschlos, ohne Kühlflüssigkeit, mit 20 Prozent weniger Stromverbrauch als Kühlschränke der höchsten Energieklasse von heute. Die Serienreife ist für 2030 geplant.

Akkurater wird sich in der Küche der Einsatz von Sprachsteuerung und künstlicher Intelligenz vollziehen. Elektrogeräte werden Komfort und Benutzerfreundlichkeit bei gleichzeitig erhöhter Funktionalität und Effizienz steigern. Neue Geräteklassen werden verschiedenste Möglichkeiten von zuvor getrennten Geräten zu cleveren Kombinationen fusionieren. Auch die Steuerung mit Gesten und Sprache wird kommen. Miele: "In der Küche macht das besonders Sinn, weil dadurch diverse Geräte dann auch mit ,vollen Händen‘ bedienbar sind.“

Auch 3-D-Drucker werden zusehends küchenrelevant. Schon jetzt gibt es Geräte, die Süßes aus Marzipan und Schokolade printen. Im Test ist derzeit „Foodini“, eine Allround-Maschine, die auf Basis zähflüssiger Materialien jegliche Lebensmittel – vom Schokoriegel bis zur Pizza – zu drucken vermag. Ob uns das schmecken wird?