Leben

Was bleibt vom Titel? Österreichs erfolgreichste Missen erzählen

Eva Cowen ist dieser Tage schwer erreichbar. Sie ist gerade dabei, mit ihrem Mann Brian eine Ausstellung zu organisieren. Sie macht Skulpturen, er ist Maler und gemeinsam mit anderen Künstlern aus Pinner lädt man zum „Open House“ ins eigene Atelier. „Platz gibt es genug. Wir haben einen großen Garten“, sagt Cowen, 68, auf Deutsch, gemixt mit englischem und steirischem Akzent. Hätte sie eine tiefe Stimme, könnte man meinen, Frank Stronach wäre am Apparat. Und Pinner? Ein Vorort von London, der Cowens zweite Heimat ist. Ihre erste heißt Österreich, wo Cowen als Eva Rueber-Staier 1951 in Bruck an der Mur geboren wird.

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Die kleine Eva ist eine begabte Turnerin, später kommt noch etwas dazu: Das Mädchen, inzwischen ein Teenager, ist ausnehmend hübsch. Es folgt der Klassiker. ein befreundeter Fotograf schickt Evas Fotos anlässlich der Wahl zur „Miss Austria“ 1969 ein und hat Erfolg. „Nach dem Aufruf einer Zeitung haben sich zu wenige Mädchen gemeldet“, erinnert sich Cowen. „Da habe ich aus Gaudi zugestimmt, dass er meine Fotos einschickt.“ Wenig später wird sie nicht nur „Miss Austria“, sondern auch „Miss World“ und kann mit dem per Zufall eingeschlagenen Lebensweg vorerst nicht viel anfangen. „Ich erinnere mich heute gar nicht mehr so gut daran. Ich glaube, das liegt daran, dass mich das Modeln nie wirklich interessiert hat. Natürlich war es schön zu reisen, aber mit dem Schönheitsaspekt hatte ich immer so meine Probleme.“

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Schauplatzwechsel ins Auto von Ulla Weigerstorfer, 51, auf dem Weg zu einem Meeting. Ein Punkt in ihrem Lebenslauf deckt sich mit dem von Eva Cowen. Auch Weigerstorfer war „Miss World“ und galt 1987 als schönste Frau der Welt. Der Ursprung des Erfolgs lag auch hier in einem Zufall. „Deshalb hab ich das von Anfang an nicht überbewertet. Ich bin für ein krankes Mädchen eingesprungen, durfte nach London reisen und bin Miss World geworden.“ Ein Ereignis, das ihr Leben beeinflusst hat, ist Weigerstorfer überzeugt. „Die Miss-Wahl hat mir einige Türen geöffnet. Der Nachteil ist, dass du dich nachher viel mehr beweisen musst.“ 

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Eine der Türen öffnet sich in Richtung Fernsehen. Weigerstorfer wirkt in einigen TV-Produktionen mit, später geht sie für Frank Stronach und sein „Team“ sogar in die Politik und findet einige Jahre später  als Geschäftsführerin  seines Pferdesportparks „Magna Racino“ in Ebreichsdorf ihre wahre Berufung. „Mein Schwerpunkt ist dort der Sportbereich. Wir haben 400 Pferde vor Ort“, schwärmt Weigerstorfer, die Pferde schon als Kind liebte. „Ich würde ganz sicher heute in dem Bereich arbeiten, auch, wenn ich nicht ,Miss World’ geworden wäre.“

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Die erste Zeit nach der Wahl zur „Miss World“ verläuft auch bei Rueber-Staier ähnlich. Sie fasst in der Fernseh-Branche Fuß, moderiert und  spielt an der Seite von Roger Moore in drei Bond-Filmen mit. „ Nix Bond-Girl, richtige Rolle! In „Der Spion, der mich liebte“, „Tödliche Mission“ und „Octopussy“, ist sie als General Gogols Assistentin Rubelvitch zu sehen. „Ich war erst vor zwei Monaten auf einer Bond-Reunion in einem  Londoner Hotel. Da waren etliche Schauspieler von früher da.“  Den 2017 verstorbenen Roger Moore hat Cowen in guter Erinnerung. „Er war ein netter Mann und ich habe ihn zur damaligen Zeit sehr gut gekannt. Aber das ist mittlerweile 40 Jahre her.“ Da hört man wieder die unausgesprochenen Worte, dass Cowen längst abgeschlossen hat.

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Wie Weigerstorfer verfolgt Cowen später ihren ursprünglichen Lebensplan. „Neben dem Sport hat mich die Kunst immer interessiert. Aber damals war eine Akademie für meine Mutter nicht leistbar.“ Der Traum erfüllt sich erst nach ihrer Hochzeit. Cowen zieht zuerst ihren Sohn groß und beginnt Anfang der 2000er-Jahre schließlich, an einer Kunst-Universität außerhalb Londons zu studieren. Kritik an Schönheitsbewerben lässt sie aber trotzdem nicht gelten. „Ich habe eigentlich nie verstanden, warum man Miss-Wahlen mit einer Fleischbeschau verglichen hat. Viele Laufsteg-Models haben heute oft weniger an als jede Miss.“
 

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Auch Weigerstorfer findet, dass Miss-Wahlen nach wie vor ihre Berechtigung haben. „Es liegt in der Natur des Menschen, sich zu messen. Außerdem sieht man ja, dass das Thema Schönheit die Menschen beschäftigt. Jeder versucht, einem gewissen Schönheitsideal zu entsprechen.“ Die Miss-Austria-Wahl am 6. Juni wird Weigerstorfer trotzdem nur am Rande verfolgen. „Es gibt ein Leben nach der Miss-Wahl“, sagt  die Mutter eines Sohnes. „Eher schaue ich, wer bei der Miss-World-Wahl gewinnt. In den östlichen Ländern und in Südamerika sind die Mädchen richtige Stars.“ Überhaupt ist sie dafür, dass sie als Letzte, die den „Miss-World“-Titel nach Österreich geholt hat, endlich abgelöst wird. „Seit 1987 sind viele Jahre vergangen. Es wird Zeit.“

Video: Der Moment, als Ulla Weigerstorfer zur "Miss World" gekrönt wurde

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Ob das so sein wird, wird sich weisen, denn Die Miss Austria Corporation hat derzeit keine gute Phase. Das 90-Jahr-Jubiläum der Organisation ist von viele Problemen überschattet. Zuerst die Aufregung um den aberkannten Titel von „Miss ViennaBeatrice Körner wegen angeblicher Ungereimtheiten, dann die Wiederholung der Wahl unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Schließlich die Verlegung vom glamourösen Casino Baden ins Museum Angerlehner nach Wels.

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Ob so ein Durcheinander eine zukünftige „Miss World“ hervorbringen kann? Und wenn ja, was dann? Weigerstorfer bringt das Problem auf den Punkt. „Ich habe als Miss World miterlebt, wie viel Anerkennung ich in anderen Ländern hatte. Dieser Stellenwert ist in Österreich nicht vorhanden.“ Eva Cowen legt nach: „Ich glaube, ich würde den Weg so nicht mehr gehen und etwas anderes probieren. Aber es war  auch irgendwie gut, sonst wäre ich wohl nicht in England geblieben.“