Leben

Spü di ned!

Ist das nicht interessant? Wir Österreicher spielen uns, aber sterben einander. Sieht der Österreicher ein spielendes Kind, sagt er: Das spielt sich. Das „sich“ bleibt übrigens auch in der Mehrzahl erhalten: Wir spielen sich. Ebenfalls korrekt: Wir spielen sich uns. (In der Realität sagt der Österreicher zu spielenden Kindern meistens nicht „Die spielen sich“, sondern: „Is jetzt a Ruah, momentan, deppate Fratz’n, deppate!“). Sich zu spielen, beschreibt zum Beispiel Sport: „Mia ham se nur mit an Boin g’spüt“ (was können wir dafür, dass die Fensterscheibe nichts aushält?). Oder Freizeitgestaltung: „Du sitzt bei an Olivenbam/und du spüst di mit an Stan/es is so anders als daham“ (erstaunlich, hier regt eine kaputte Fensterscheibe niemanden auf). Oder auch den Versuch, kleinere technische Reparaturen selbst vorzunehmen: „Ich hab mich ein bissl mit dem hinnigen Fenster gespielt“ (weswegen jetzt leider der ganze Westflügel in Trümmern liegt). Während jeder Österreicher im Leben sich spielt, also der Darsteller seiner selbst ist, wird sein Sterben zu einem Vorgang, der andere etwas angeht: „Sie ist mir g’storben“, sagt der Witwer und beschreibt damit die Rücksichtslosigkeit seiner Frau, ihm ihr Leiden („sie is ma krank wur’n“) und anschließend ihr Ableben anzutun. Bemerkenswert ist auch: Wenn unsere deutschen Nachbarn krank werden, fehlt ihnen was, während wir etwas haben. Bzw.,während uns etwas ist: „Is Ihna wos?“, sagt man in Wien, wenn ES jemandem schlecht wird. Nicht uns wird schlecht – ES wird uns schlecht. Nicht wir sind schuld an unserer Übelkeit, sondern das externe ES (z. B. das letzte Krügel gestern). Wir fassen zusammen: Sich spielen ist erlaubt, solange einem dabei nicht etwas ist, wodurch man wem stirbt. Gefahr ist aber gegeben, wenn man die Verneinung hört: „Ned spü di!“

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