Leben

Der weise Hai

Sommer ist, und ich warte auf den Hai. Es vergeht ja kein Sommer, ohne dass Boulevardmedien im Hitzerausch eine Killer-Hai-Geschichte zusammenfantasieren. (Die allerbeste erschien vor zwei oder drei Jahren. Ein Gratisblatt behauptete, ein betrunkener Urlauber habe am Roten Meer bei einem nächtlichen Satz vom Sprungturm einen lauernden Hai zufällig am Kopf getroffen und so getötet.) In Wahrheit haben Haie ja wesentlich mehr Grund, sich vor Menschen zu fürchten, als umgekehrt. Etwa fünf bis zehn Menschen fallen pro Jahr Haien zum Opfer, etwa 50 bis 100 Millionen Haie den Menschen. Vermutlich schauen Haie Filme wie „Der weiße Mensch“. Eine sehr nette Leserin hat mir den ersten Schulaufsatz ihres kleinen Sohnes zum Thema Hai zur Verfügung gestellt. Er ist es wert, dass wir ihn uns näher anschauen – es ist nämlich ein sehr kluger Aufsatz: „Der reuber ist nicht gerade Bekwem. Ale denken wen sie haie sehen An BLUD. Weil alle schon DER WIESE HAI gesehen haben. Der weise hai isst weiche sachen. Aber er muss sich zusammenreisen – Sehund und surfer sind nicht leicht Auseinander zu halten. die anderen erneren sich in dem sie die fische der fischer klaun und werden gröser und so die ganze zeit.“ Abgesehen davon, dass Haie auf der Wiese tatsächlich nicht bekwem sind (dafür aber sehr selten), klingt dieser Aufsatz doch beruhigend: Haie sind weise und essen lieber weiche Sachen. Wir sollten also darauf achten, nicht zu weich zu sein und einem Sehund nicht zu ähnlich zu sehen. Abgesehen davon sind wir Menschen den Haien ähnlich: Auch wir sind oft reuber, für andere nicht bekwem, weil wir uns von dem erneren, was wir anderen klaun, und werden gröser und so die ganze zeit. Ob wir noch lernen, uns zusammen zu reisen?

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