Im Wald ohne WLAN

Weil Sie gerade gefragt haben: Ja, die Geschichten hier sind alle wahr oder könnten zumindest wahr sein. Mir fällt das Geschichtenerzählen ja viel leichter als das Geschichtenerfinden. Meine Kinder verlangten jahrelang, ich möge ihnen am Abend eine selbstgebastelte Geschichte erzählen. Die Geschichte begann immer so: „Eines Tages geht der kleine Bär in den Wald.“ Worauf mein Sohn stets genervt sagte: „Nicht schon wieder in den Wald ...!“ Er wusste genau, wie die Geschichte weitergeht: Der kleine Bär verirrt sich, setzt sich müde auf einen Stein, schläft ein und wacht am nächsten Tag in einem fernen Land auf, weil der Stein nämlich eine riesige Schildkröte und in der Nacht tüchtig ausgeschritten ist. Das ist die einzige Geschichte, die ich je selbst erfunden habe. Lustig finde ich ja, dass meinen Kindern das Sujet „Wald“ nichts mehr erzählt. Der Wald ist doch in den Sagen-, Mythen- und Märchenlandschaften der Welt jener Ort, wo sich die heftigsten Geschichten abspielen. Ein Ort, an dem man wilde Tiere trifft und Räuber, Hexen und Zwerge und Geister, geheimnisvoll leuchtende Pflanzen und tanzende Lichter, Durchgänge in andere Welten, spärlich bekleidete Feen, Feuer hustende Drachen und reihenweise ihrer Rettung harrende Prinzessinnen. Im Wald wispert und raunt und raschelt es, im Wald werden wilde Träume von der Leine gelassen, in Gestalt von Wölfen schleicht die Verführung durchs Unterholz, und auf einer Lichtung träufelt Puck vier jungen Menschen verhängnisvolle Liebestropfen auf die Augen ... Für meine Kinder ist der Wald einfach der Ort, an dem man stundenlang fad durchs Gemüse hatschen muss, und das ohne WLAN. Vielleicht hätte ich, um meinem Publikum zu gefallen, die Geschichte so beginnen müssen: „Eines Tages geht der kleine Bär ins Internet ...“

Die nächsten Termine für Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Urlaubsfotos (keine Diashow)"

Mittwoch, 24. September, 19.30
Theater am Alsergrund
www.alsergrund.com

Samstag, 27. September, 20.00
Stadttheater Walfischgasse
www.stadttheater.org