Leben

Fäkaliensturm

Der nette, hochgebildete Herr, auf dessen Schultern zu stehen ich auf dieser Seite die Ehre habe, befasst sich heute mit der Frage, welches Verhalten gegenüber einer Dudelfunkmoderatorin angemessen sei, die sich unangemessen verhalten haben soll. Abgesehen davon, dass Sie wahrscheinlich nicht wissen, wovon wir reden (wenn Sie diese Kolumnen lesen, ist das Thema vermutlich vergessen, keiner bringt heute mehr als eine Woche Aufmerksamkeit für eine Sache auf). Ich finde, man soll mit der Moderatorin so wie mit jedem Menschen umgehen: grundsätzlich respektvoll. Das soll ja niemanden daran hindern, sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen. Was mich so fassungslos macht und in mir manchmal den Wunsch erweckt, bei Humboldt den Einsiedler zu machen und im zweiten Berufsweg Eremit zu werden, ist die Bereitschaft so vieler Menschen, im Schutz der Anonymität des Internets zutiefst böse, vernichtende, gehässige Dinge über andere zu äußern, die den Fehler begehen, eigene Gedanken zu denken. In einer Demokratie sind unterschiedliche Meinungen ja nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Im Internet regieren die Schmaldenker: Sie lauern mit entsicherten Keyboards auf jeden, der es wagt, etwas Abweichendes zu sagen. Der Kollege Fleischhacker aus dem Hochparterre dieser Seite, an dessen Kolumnen ich vor allem die Fähigkeit schätze, sich selbst nicht unter Naturschutz zu stellen, schöpft offensichtlich Lust aus dem Konflikt. Deshalb rüttelt er gerne am Shitstormbaum. Er schreibt keck etwas Unkorrektes und amüsiert sich köstlich über die reflexartig anhebende Aufregung der Tugendwächter. Unterstelle ich ihm jetzt. Ich kann das nicht. Mich deprimiert die Bereitwilligkeit vieler, aus dem Schutz der Masse heraus Fäkalien in Sturm zu verwandeln.