Leben

Die ewige Marktgemeinde

Rom ist nicht Wiener Neudorf. Und vor allem: Wiener Neudorf ist nicht Rom. Ab und zu beißt mich diese Erkenntnis in den Hintern. Aus gutem Grund sagt man eben nicht: Alle Wege führen nach Wiener Neudorf. Und niemand nennt Wiener Neudorf "die ewige Marktgemeinde". Was habe ich gegen Wiener Neudorf? Überhaupt nichts. Ich wohne dort, und zwar gerne. Vom Wohnzimmerfenster aus kann ich einen Baum sehen, eine vergessene Sandkiste, den Billa und die vielen wunderbaren Fledermäuse, welche die Gelsen aus der Luft fressen. Ruhig ist es, bei passender Windrichtung kann man hören, wenn die Admira ein Tor schießt, denn dann jubeln die Fans, was aber eh nicht sehr oft passiert. Der Nachbar über mir hat manchmal akute Musikanfälle, er schlägt dann eine Handtrommel und singt dazu Lieder von Peter Cornelius, aber das finde ich eher unterhaltsam als störend. Nachts brüllen die Nachtigallen, ihr Gebrüll klingt gut, weniger lustig als der Petercorneliustrommelnachbar, dafür aber musikalisch wertvoller. Im Sommer schlafe ich daher gerne bei offenem Fenster und höre den Nachtigallen zu. Wobei mir das offene Fenster auch ein wenig Angst macht. Ich neige nämlich dazu, im Schlaf zu wandeln und dabei Unsinn zu reden. Ich hoffe, ich wecke nicht meine Nachbarn auf, indem ich am offenen Fenster stehend im Schlaf Reden halte und dabei vielleicht versehentlich eine Religion oder eine Drei-Bier-Partei gründe. Gerne fahre ich mit dem Aufzug auf den Dachboden, Wäsche aufhängen, denn vom Dachboden aus kann man bis zum Flughafen sehen, den Tower, die beleuchteten Rollbahnen und die startenden Flugzeuge. Und dann weiß ich wieder: Wiener Neudorf ist nicht Rom, und dann bucht meine Freundin eine Reise.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Urlaubsfotos (keine Diashow)“: 25. April im Theater am Alsergrund.