Leben

Stefan Petzner: "Ich sag' offen, dass ich Schiss habe"

Stefan Petzner bei „Dancing Stars?“ Irgendwie passt das nicht. Oder doch? Am besten ich frage den Ex-Politiker und Politik-Berater selbst. Einem Treffen im „Tanzcafé Jenseits“ stimmt er sofort zu – „Gute Idee!“ – obwohl er beim Eintreten dem Ambiente eine Ähnlichkeit zu Rotlicht-Etablissements attestiert. Doch die schummrig-schöne Atmosphäre und ein köstlicher Wodka Makava bieten den Rahmen für ein offenes, ehrliches Gespräch. 

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Herr Petzner, Sie stehen kurz vor „Dancing Stars“ und rauchen noch?

Ich bin fit und gehe fast jeden Tag ins Fitnesscenter.  An der Kondition wird es nicht scheitern, das Rauchen aufzugeben, muss ich noch umsetzen. Aber ich hab’ ja noch ein bisschen Zeit.

Seit wann wissen Sie, dass Sie mitmachen werden?

Ich wurde im September, Oktober angefragt und habe lange überlegt, ob ich mitmachen soll.

Was hat Sie beschäftigt?

Ich habe mich gefragt, ob ich mir das zutraue oder nicht. Ich möchte mich auch nicht zum Kanonenfutter machen. Der ORF will Quote machen, was ich verstehe, aber es muss ein Fair Play bleiben. Bisher ist es so.

Haben Sie keine Angst, dass „Dancing Stars“ Ihre Seriosität als Politik-Berater beeinträchtigen könnte?

Das ist mir wurscht.

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Wir müssen alle von etwas leben oder haben Sie im Lotto gewonnen?

Habe ich nicht, ich war aber nie ein Mensch, der etwas wegen Geld getan hat. Schauen Sie, ich hab’ all meine Haider-Wahlkämpfe für null Euro gemacht, weil es mir um die Sache gegangen ist. Was ich damit sagen will: Natürlich verdiene ich bei „Dancing Stars“ auch etwas, aber das war kein Motiv, mitzumachen.

Ihre Miete müssen Sie trotzdem zahlen.

Ich hatte auch Zeiten, in denen ich entscheiden musste, kaufst du dir Zigaretten oder was zum Essen. Beides  ging sich nicht aus. Ich hab’ so viel durch im Leben, mich kann nix mehr erschüttern. Ich komme aus  einer  Bergbauernfamilie und habe nie in Geld-Kategorien gedacht. Ich habe auch oft erlebt, dass gerade die reichsten Menschen die unglücklichsten sind.

Geld ist Ihnen offenbar nicht wichtig. Was dann?  

Autos haben mich zum Beispiel nie interessiert. Ich besitze gar keines. Früher bin ich Skoda gefahren oder einen Opel-Gebrauchtwagen. Ich wohne auch bescheiden, fast schon spartanisch. Was mir aber wichtig ist, ist Kleidung.

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Sind Sie denn sehr eitel?

Das bin ich und ich habe wahnsinnige Angst vor dem Altern. Das ist auch ein Grund für „Dancing Stars“. Ich hatte schon als Kind das Gefühl, möglichst viel erleben zu müssen, weil ich nicht so viel Zeit habe wie andere. Woher der Gedanke kommt, weiß ich nicht.

Haben Sie sich wirklich Ihr Sterbedatum vorhersagen lassen?

Das Alter habe ich mir sagen lassen. Beim Haider hat die Prognose der Wahrsagerin auch gestimmt. Sie meinte: „Haider wird bei der Wahl 2009 nicht mehr Landeshauptmann sein.“ Was ich zuerst nicht verstanden habe, aber als sie mich zwei Tage nach seinem Tod angerufen hat (Anm.: Oktober 2008), wusste ich, was gemeint war. Sie hat sich mit den Worten „Ich darf Ihnen sagen, wann Sie, aber nicht, wann andere sterben“ dafür entschuldigt, dass sie nicht direkter sein konnte.

Warum um alles in der Welt wollten Sie Ihr Sterbedatum wissen?

Ich habe zu vielen verschiedenen Dingen andere Zugänge. Reinhard Mey, vor dem ich mich verneige, hat ein Lied mit dem Titel „Lass nun ruhig los das Ruder“ geschrieben. Darin geht es um seinen Sohn, der mit 32 Jahren nach einer übergangenen Lungen-Entzündung ins Wachkoma gefallen und verstorben ist. Da gibt es eine wundervolle Textzeile: „Der Tod ist kein Feind, er ist ein Freund, der es gut mit uns meint.“So sehe ich das auch. Angst vor dem Sterben im Sinne von Leiden? Ja. Aber Angst vor dem Tod? Lächerlich! Am Ende möchte ich sagen können: Ich habe aus vollstem Herzen gelebt und so viel erlebt, wie nur irgendwie möglich war!   

Viele Menschen haben Angst vor Neuem, weil sie scheitern könnten.

Man muss riskieren, zu scheitern, ja vielleicht sogar verspottet und verhöhnt zu werden. Als ich wegen Haider geweint habe, wurde ich ausgelacht und war das Weichei. Als ich harte Wahl-Kampagnen gemacht habe, war ich der brutal Böse. Dieses Kastl-Denken mochte ich nie.

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Können Sie eigentlich tanzen?

Nein, das kann ich nicht. Ich sage das auch ganz offen. Deshalb ist es für mich und für die Zuschauer ja etwas ganz Neues. Es ist absolut das erste Mal, dass es in meinem Leben nicht um Politik geht. Der Stefan Petzner wird mit verschiedenen politischen Funktionen, die er hatte, verknüpft, aber nur wenige kennen den Menschen dahinter.

Was sollen die Leute von Ihnen wissen?  

Der Stefan mit 38 ist ein anderer als der Stefan, der mit 20 zum Haider gekommen ist. Ich finde es unfair, wenn Leute dir nicht zugestehen, dass du dich weiterentwickelst. Mir war Veränderung immer wichtig – als Mensch, als Persönlichkeit, als Charakter. Ich sehe das Tanzen als weiteren großen Schritt auf dieser Lebensreise hin zu mir selbst. „Dancing Stars“ bedeutet für mich aber auch großen Druck. Es schauen doch sehr viele Menschen zu, außerdem gibt es die eigene hohe Erwartungshaltung. Ich sag’ offen, dass ich Schiss habe!

Sie können es immer noch bleiben lassen.

Es gibt da diesen Satz: „Versuche drei Mal am Tag Kolumbus zu sein. Es gibt noch so viel zu entdecken!“ Kolumbus hat nicht gewusst, ob er je ankommen wird, als er aufs Meer hinausgefahren ist. Er wird auch Schiss gehabt haben. Aber man muss im Leben auch wagen.

Das Risiko bei  „Dancing Stars“ zu sterben, ist allerdings relativ überschaubar.

Aber ich kann mit 0 Punkten von der Jury vernichtet werden. Selbst darauf versuche ich mich einzustellen, indem ich sage, das ist typisch österreichisch, wie man beim Song-Contest schon gesehen hat. Ich bin ein großer Fan und Österreich ist das Land, das am öftesten mit 0 Punkten nachhause gefahren ist. Beim ersten Song-Contest 1956 hat Österreich mit dem Lied „Wohin kleines Pony?“ den letzten Platz belegt. Wir haben da eine gewisse Tradition, obwohl wir auch gewonnen haben - Conchita und Udo Jürgens 1966.

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Sie haben Udo Jürgens sehr verehrt.

Udo hatte ein Lied mit dem Titel „Was wäre diese Welt ohne Lieder“. Ich erweitere das: Stellen wir uns geistig eine Welt ohne Musik vor. Das wäre furchtbar öde. Ich liebe deutschsprachige Musik, weil ich die deutsche Sprache wunderschön finde und das Poetische sehr mag.

Musiker stehen auf einer Bühne. Was bedeutet Ihnen Öffentlichkeit?

Auch das sehen die Leute immer falsch. Es geht nicht um Aufmerksamkeit. Ich sage immer, mein Zuhause ist die Bühne, egal ob politische Bühne, Tanz-Bühne oder mediale Bühne. Ich fühle mich dort geborgen und aufgehoben, was ich sonst im Leben vielleicht manchmal nicht tue. Das klingt traurig und ist es vielleicht  auch. Aber es wird der Tag kommen, an dem ich das nicht mehr brauche und ein anderes Zuhause gefunden habe. Das ist ein Prozess. Das müssen die Leute im Bezug auf meine Person verstehen.

Was finden Sie auf der Bühne?

Jeder Mensch, der die öffentliche Bühne betritt, wurscht in welcher Form, sucht in Wahrheit damit immer etwas in sich selbst.

„Dancing Stars“ dauert im besten Fall zwei Monate. Was ist mit der Angst vor der möglichen Leere danach?

Ich kann mit Leere gut umgehen, weil ich sie schon öfter erlebt habe. Nichts hat man ewig. Das habe ich auch bei den politischen Ämtern so gesehen. Ich glaube, im Leben ist oft nicht entscheidend, was gerade ist, sondern was war und was man aus Geschehenem macht. Man sieht mit dem Abstand viele Dinge anders, zum Beispiel den Tod vom Haider. Wenn es passiert, ist das wie ein Weltuntergang. Über die Jahre lernt man aber, damit zu leben.

Warum sagen Sie eigentlich immer „der Haider“ und nie „Jörg“?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der mir selber irgendwann aufgefallen ist. Elisabeth Kübler-Ross (Anm.: Sterbeforscherin) hat die Trauerphasen der Menschen beschrieben, von Schmerz über Zorn bis zu  Resignation. Eines Tages kommt der Moment, wo man abschließen kann. Sie beschreibt das Ende dieses Trauerprozesses als „Akzeptanz“. Genau das drückt sich in diesem „Haider“ statt „Jörg“ aus. Es hat aber lange gedauert, das gebe ich zu.  

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Wie denken Sie heute über ihn?

Ich bin ihm sehr dankbar. Fast jedes Kind hat einen Kindheitstraum. Manche wollen Pilot werden, andere Sänger wie Justin Bieber. Wie viele rennen dem Kindheitstraum hinterher, ohne ihn je zu erreichen? Ich wollte schon als Kind Politiker werden und habe das mit 25 erreicht. Das war viel Arbeit, aber der Haider hat mir die Chance dazu gegeben. Obwohl es zugleich eine Bürde ist. Im Musical „Evita“ heißt es in einem Lied: „Erst 26 und bereits am Ziel, das muss doch schrecklich traurig sein.“ So ist es auch. Wenn man sehr jung erreicht hat, was man wollte, kommt irgendwann die Frage: Was jetzt? Womit wir wieder bei der Leere wären.

Was kommt nach „Dancing Stars“?   

Das weiß ich nicht.

Würden Sie gerne in die Politik zurückkehren?

In die aktive Politik nie mehr. Das meine ich mit Entwicklung und Aufbrechen. Ich weiß nicht, was mich bei „Dancing Stars“ erwartet. Es kann mich im wahrsten Sinne des Wortes fürchterlich auf die Gosch’n hauen, auch live im Fernsehen vor einer Million Zuschauer. Aber ich bin süchtig nach Leben, nach Neuem.

Sind Sie glücklich?

Ich halte es mit Otto Schenk der einmal in einer großer Selbstironie gesagt hat: „Wenn man ehrlich ist, ist der Großteil des Lebens fürchterlich fad.“ Über das Glück hat er gesagt: „Das sind Momente im Leben.“

Gehen Sie zum Grab von Jörg Haider?

Ich war einmal dort für mein Buchprojekt (Anm.: „Haiders Schatten“). Aber bei Friedhöfen und Gedenkstätten habe ich eine Sperre. Ich trage die Erinnerung im Herzen und brauche dazu keinen Platz. Das würde ich auch für mich selber nicht wollen. Wenn ich irgendwann hin bin, grabt's mich ein irgendwo und gebt’s a Ruh’ dann!

Soll das unser Schlusswort sein?

(lacht) Nein, soll es nicht. Ich mache einen Schlussappell, das ist schöner. Im Leben ist es wichtig, offen zu blieben. Das heißt auch, verletzbar zu sein, aber den Preis ist es wert. Kein Schubladen-Denken haben, Abenteuer wagen, den Menschen Entwicklungen zugestehen! Ich bitte die Zuschauer, an das zu denken, wenn sie mich im Ballroom sehen.

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Stefan Petzner, 38, wurde als mittleres von fünf Kindern 1981 in Tamsweg geboren. Er wuchs im steirisch-kärntnerischen Grenzland bei Murau auf einem Bergbauernhof auf und wollte, da in seiner Familie Politik immer Thema war, schon als Kind Politiker werden. Nach der Matura studierte er Publizistik, schloss aber nicht ab, weil er 2004 vom Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (damals FPÖ) als Pressesprecher und Spin-Doctor in die Politik geholt wurde. Ab 2005 war er für das von Haider gegründete BZÖ tätig. Nach Haiders Unfalltod 2008 kam es 2013 zu Streitigkeiten mit dessen Nachfolger Josef Bucher. Petzner wurde aus dem BZÖ ausgeschlossen. Seither ist er als Politik-Berater tätig und versucht sich nun als ORF-„Dancing Star“. Petzner prägte nach dem Tod Jörg Haiders das Wort „Lebensmensch“, das 2008 zum Wort des Jahres gewählt wurde. „Das Wort stammt von Thomas Bernhard und ist wunderschön. Deshalb hat es mich auch geärgert, dass sich damals so viele darüber aufgeregt haben.“

Seit 15. März tanzt Stefan Petzner an der Seite von Roswitha Wieland durch den ORF-Hauptabend.