Starkoch Lafer bekennt: "Kann nicht von Luft und Liebe leben"
Von Barbara Reiter
Natürlich könnte es ein Tag wie jeder andere sein. Im Leben von Johann Lafer, geborener Steirer, Sterne- und TV-Koch, ist es aber Tag N – N wie Neustart. Erst vor wenigen Minuten hat er bei einer Pressekonferenz auf der Stromburg 50 km von Mainz, seit 1994 seine kulinarische Heimat, das neue Lokal „Johanns Küche“ präsentiert – und hat sein Feinschmecker-Lokal „Val d’Or“, bis zuletzt mit einem Stern dekoriert, zugesperrt. Ein neues Lafersches Zeitalter bricht an. Weniger Chichi, dafür mehr „Kikeriki“. Will heißen: Auf der Speiskarte stehen ab sofort Gebackenes vom Bio-Huhn und Johanns Wiener Schnitzel vom Bio-Kalb. Weil Sterneküche laut Lafer nicht mehr kostendeckend ist. „Deshalb gönne ich mir nach 40 erfolgreichen Jahren mit 61 mehr Freiheiten.“
Herr Lafer, bis vor kurzem haben Sie Langostinos auf gebackenem Kalbsschwanz gekocht, jetzt sind Sie bei Schnitzel mit Kartoffel-Gurkensalat gelandet. Kann das erfüllend sein?
Den größten Erfolg kann man heute nur mit Dingen haben, die vergleichbar sind. Jeder von uns hat schon viele Schnitzel gegessen und wird festgestellt haben, dass es bessere und schlechtere gibt. Wir haben es uns jetzt zur Aufgabe gemacht, eine uns sicherlich bekannte Küche zu modernisieren, aber auch zu verändern und so zu verfeinern, dass der Gast sagt: „Wenn ich ein Schnitzel esse, dann muss ich zum Lafer gehen, weil ich dort wirklich das beste bekomme. Das ist unser authentisches, ehrliches, aber auch komplett durchdachtes System, um Menschen Freude zu machen.
Wird es Ihnen nicht trotzdem fehlen, nicht mehr dafür gelobt zu werden, Einzigartiges auf den Teller bringen?
Wenn Sie etwas Einzigartiges machen, haben Sie keine Vergleichswerte. Wir haben unser Gespräch zwar erst begonnen, aber das ist meine zentrale Aussage: Warum soll ein gutes Wiener Schnitzel mit einem exzellenten Gurken-Kartoffel-Salat so viel schlechter zu bewerten sein, als ein Soufflé von Schnecken-Eiern? Das kann’s nicht sein! Die Leute denken immer, wenn sich etwas besonders anhört, ist es das auch. Klar ist das Kunst, aber ein Schnitzel ist eine Erfindung mit Jahrhundertelanger Tradition und die Leute lieben es.
Jetzt wäre interessant zu wissen, wie ein Lafer-Schnitzel schmeckt. Warum haben Sie als Steirer nie ein Restaurant in Österreich eröffnet?
Ehrlich gesagt, hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken. Meine Aktivitäten haben sich immer in andere Richtungen entwickelt. Aber es gibt jetzt mit zunehmendem Alter ganz klar den Gedanken, auch mal was in Österreich zu machen. Aber dazu braucht es die passende Gelegenheit.
Das klingt motiviert. Kurz nach Ihrem 50er hatten Sie eine Krise. Würden Sie jetzt, kurz nach Ihrem 60er im Jahr 2017 sagen, dass ...
... ich wieder eine Krise habe?
Nein, eigentlich wollte ich ...
Da wird immer so ein Drama draus gemacht. Damals ging’s mir einfach nicht gut. Ich hab’ gemerkt, dass ich dieses Hamsterrad, in dem ich mich befunde habe, nicht mehr richtig in den Griff bekomme. Daraus habe ich Konsequenzen gezogen und bin mental stärker geworden. Dass ich mich von meinem Sterne-Restaurant getrennt habe und jetzt das „Johanns“ mache, hat auch den Grund, dass man nicht 17 Baustellen hat, sondern sich auf ein Konzept konzentriert. Durch das System, das wir gemeinschaftlich entwickelt haben, ist es mir möglich, auch mal ein bisschen mehr Freizeit zu generieren.
Würden Sie das Restaurant in Österreich dennoch gerne machen?
Ich könnte es mir schon vorstellen, auf so ’ner Almhütte ein kleines Hotel mit sechs Zimmern. Abends sitzt man dann mit den Gästen am Tisch und kocht und trinkt zusammen. Das wäre wahrscheinlich die Ideallösung. Vielleicht liest ja einer den Artikel und sagt: „Ich hab’ so ’ne Almhütte. Johann komm!“ Dann komm ich.
Wenn es dazu kommt, müssen Sie mich aber auf ein Schnitzel einladen.
Dann werden Sie bei mir als Geschirrspülerin eingestellt.
Wenig Begeisterung am anderen Ende der Telefonleitung.
Nein, nein, Spaß! Sie werden mich dann unterstützen!
Sie haben doch zwei Kinder. Wollen die nicht in Ihre Fußstapfen treten?
Leider nein. Das ist auch ein Grund, warum wir dieses, glaube ich, sehr schöne Unternehmen jetzt so konzipieren, dass es nicht nur mit einer Person, sondern einem Konzept verbunden ist. Wenn es jemanden gibt, der sagt: „Okay, an diesem System finde ich Gefallen“, kann man darauf aufbauen und weitermachen.
Warum mögen Ihre Kinder die Gastronomie nicht?
Das müssen Sie die Kinder fragen. Ich habe natürlich gehofft, dass sie einsteigen, meine Frau auch, weil sie sich viele Jahrzehnte aufgeopfert hat. Aber die Kinder haben andere Interessen. Es wäre der größte Fehler, Kinder zu etwas zu zwingen, was sie nicht wollen. Mein Sohn macht gerade Abitur und die Tochter hat in London Art-Direktion studiert und lebt schon fünf Jahre dort. Mit der Gastronomie haben beide nichts zu tun, außer, dass sie gerne essen, was wir kochen.
Sie haben Ihre Frau kennengelernt, als Sie 1983 in ihrem Restaurant als Koch begonnen haben. Es heißt oft, man solle die Finger von Liebe am Arbeitsplatz lassen. Hat Sie das nicht abgeschreckt?
Ich habe ja meine Arbeitsstelle nicht wegen meiner Frau angetreten. Das war etwas, das sich entwickelt hat. Man arbeitet zusammen und merkt irgendwann mal, dass neben der beruflichen Zusammenarbeit auch etwas anderes entsteht. Deshalb war es mir wichtig, das Unternehmen 1988 von den Schwiegereltern zu kaufen. So konnte niemand sagen: „Der Lafer setzt sich ins gemachte Nest.“ Daran sehen Sie, dass ich Beruf und Privatleben komplett getrennt habe.
Sie leben seit 1977 in Deutschland. Sind Sie schon Deutscher oder noch Steirer?
Ich habe im Februar das Tourismusband für mein Lebenswerk bekommen. Das ist die höchste Auszeichnung, die man in der Steiermark für das Thema Tourismus bekommen kann. Ich war gerührt, weil ich seit mittlerweile 25 Jahren für dieses Land kämpfe. Deshalb freut es mich auch, dass bei all meinen Aktivitäten in der Öffentlichkeit Marktforschungen ergeben haben, dass 27 Prozent der Deutschen sagen, Johann Lafer kommt aus der Steiermark. Das sind 270 von tausend Befragten.
Was verbinden Sie noch mit „daheim“?
Ich bin früher oft nachhause gefahren und habe zu meiner Mutter gesagt: „Ihr lebt hier wirklich hinterm Mond und seid 30 Jahre zurück. Alles ist so konservativ, nichts verändert sich.“ Gerade das ist heute der große Erfolg dort. Die Steirer haben das, was andere gerne hätten. Eine intakte Natur, eine Ökologie, die sich sehen lassen kann und keine Flecken-Landwirtschaft. Jeder ist spezialisiert auf das, was er kann. Südtirol und die Steiermark sind in Europa die beiden Länder mit der absolut höchsten Authentizität, der besten Produktauswahl und mit der ehrlichsten Gastfreundschaft. Wenn in der Steiermark einer sagt: „Grüß Gott“, habe ich das Gefühl, der meint das so. Woanders denkt man sich, der sagt das, weil er muss.
Haben Sie eine Idee, warum natürliche Lebensmittel derzeit so stark boomen?
Das ist doch normal. Wir sind ja nicht mit E-Nummern zur Welt gekommen und brauchen auch keine Zusatzstoffe. Wir müssen versuchen, mit Lust und Laune, aber auch etwas Arbeitsaufwand, aus einfachen Dingen was Gutes zu machen. Fangen wir mit Kartoffelpüree an ...
Meine Mutter macht Püree immer selbst.
Das ist der Punkt. Ich weiß, dass in Deutschland mehr als 90 Prozent des Pürees, das zuhause auf die Teller kommt, aus dem Beutel stammen. Wenn ich heute nicht mehr in der Lage bin, Kartoffeln zu kochen, durch die Presse zu drücken und sie mit Milch, Sahne, ein bisschen Muskatnuss und Salz zu verrühren und Butter dazuzugeben, kann ich mir gleich im Krankenhaus die Flasche anhängen lassen. Das hat etwas mit Wertschätzung für meinen Körper zu tun. Wie kann ich leistungsfähig sein, wenn ich meinem Körper nichts Gutes tue? Ich weiß ja nicht, ob Sie von Luft und Liebe leben können. Ich kann’s nicht.
Mit Schokolade ließe sich ein Leben bestreiten. Sie sind ein hervorragender Patissier. Jeder weiß, dass zu viel Süßes ungesund ist. Können Sie widerstehen?
Naja, gut, auch ich trete Jahr für Jahr den Kampf gegen die Stellen an, die beim Körper nicht so sind, wie sie sein sollten. Demnächst bin ich für drei Wochen auf Fastenkur um mich wieder einigermaßen attraktiv zu machen, wenn ich das so sagen darf. Als Koch auf bestimmte Dinge zu verzichten, ist relativ schwierig. Da bin ich ehrlich. Ich weiß aber auch, dass das Leben mit einem g’scheiten Essen noch schöner ist. Das ist oft eine Belohnung für den Stress, den man hat.
Was wäre Ihre allerletzte Mahlzeit, könnten Sie wählen?
Ich glaube, ein richtig schönes Schnitzel mit Bratkartoffeln.
Und Kürbiskern-Panade.
Noch besser wäre Kartoffel-Gurken-Salat mit Kürbiskern-Öl. Und das Öl, das übrig bleibt, würde ich zum Schluss trinken. Das haben früher die Diplomaten gemacht: Ein Viertel Liter Öl getrunken, um den Magen von innen auszukleiden. So konnte der Alkohol nicht in die Blutbahn gelangen und sie waren weniger besoffen.
Apropos: Wäre es eine Schnapsidee, sich einmal den Schnauzer abzurasieren?
(lacht). Das hat mir Frau Uhr, meine Presseagentin, schon öfters vorgeschlagen, weil sie aus mir eine moderne Marke Lafer machen will. Der Schnauz wird mittlerweile schon grau. Aber ich steh zu dem, was ich bin. Vielleicht fällt er mir mal aus, aber abrasieren werde ich ihn nie!
Wussten Sie, dass Johann Lafer Heli-Pilot ist? Mit seinem Unternehmen Heli-Gourmet fliegt er seine Gäste persönlich zu den schönsten Plätzen. Mehr im Video: