Sound Wars
Von Andreas Bovelino
Ennio Morricone war nicht glücklich. Er hat gern viel Zeit fürs Komponieren, im Bestfall erzählt ihm der Regisseur die Story und Signore Morricone beginnt noch vor Drehbeginn zu schreiben. Wie bei "Spiel mir das Lied vom Tod", als der Soundtrack fertig war, bevor Sergio Leone zu filmen begann. Leone spielte Morricones Musik dann sogar während des Drehs – und so begann die Komposition den Film zu beeinflussen. Für Quentin Tarantino ist so etwas keine Thema. Der Mann hat es immer eilig. "Er gibt mir zu wenig Zeit. Und würfelt dann alles durcheinander", sagt der Maestro über den Kult-Regisseur. Eigentlich wollte er nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Dann ließ er sich doch überreden. Vier Wochen gab ihm Tarantino für den Soundtrack zu "The Hateful Eight" Zeit. Die Dreharbeiten waren bereits abgeschlossen. Natürlich. Ennio Morricone war gar nicht glücklich...
Und ausgerechnet dafür bekam der große alte Mann der Filmmusik nun doch noch eine Oscar-Nominierung. Die erste seit 15 Jahren. Fünf Mal war er davor bereits nominiert, gewonnen hat er den kleinen Goldmann allerdings nie. Gut, 2007 bekam Morricone einen Ehren-Oscar fürs Lebenswerk, aber das zählt bei Filmschaffenden ungefähr so viel wie die vergoldete Uhr zum vorzeitigen Pensionsantritt. Diesmal stehen die Zeichen für den mittlerweile 87-Jährigen so gut wie nie. Wer soll ihm, dem Grandseigneur, den begehrten Preis noch wegschnappen? Ta, ta, ta, taaaa – natürlich der 84-jährige John Williams, dessen Star-Wars-Fanfare heuer ebenfalls nominiert ist. Wieder einmal.
Andererseits: Wer auch immer gewinnt – fest steht, dass beide viele der Filme, die uns unvergessen bleiben, erst zu dem gemacht haben, was sie sind. Durch ihre Musik.
Angelo Badalamenti (1937, New York)
„Wild at Heart“, „Blue Velvet“, „Mulholland Drive“, „Twin Peaks“ – dieser Mann ist praktisch untrennbar mit Regisseur David Lynch verbunden. Mit „Secretary“, „The Beach“ oder „Arlington Road“ zeigte er aber, dass er es auch ohne seinen exzentrischen Langzeitpartner kann.
20 Grammys gewann der Mann aus Little Italy, vier Oscars und einen Golden Globe. Und über vier Jahrzehnte beherrschten seine Melodien die Filmindustrie. Egal, ob „Pink Panther“, „Charade“, „Frühstück bei Tiffany“, die „Glenn Miller Story“ oder „Tom & Jerry“.
Neben John Williams und Henry Mancini die führende Persönlichkeiten im amerikanischen Filmmusik-Business. Zu seinen Klängen sorgten Sharon Stone und Michael Douglas in „Basic Instinct“ für skandalträchtiges Prickeln, der „Planet der Affen“ wurde lebendig, „Chinatown“ erhielt Atmosphäre, „Das Omen“ sorgte für Gänsehaut und „L.A. Confidential“ für Spannung.
A. R. Rahman (1966, Madras)
Seine Musik zu „Slumdog Millionaire“ machte ihn quasi zum Popstar. Und bescherte ihm zwei Oscars, zwei Grammys, einen Golden Globe und jede Menge weitere Ehrungen. Obwohl Rahman weiterhin hauptsächlich in „Bollywood“ aktiv ist, überzeugt er immer wieder auch im westlichen Kino. „Elizabeth - Das goldene Königreich“ etwa oder „127“ mit James Franco, der ihm eine weitere Oscar-Nominierung einbrachte.
John Barry (1933-2011, York/New York)
Fünf Oscars machen ihn zu einem der erfolgreichsten britischen Filmkomponisten aller Zeiten. „Jenseits von Afrika“, „Der mit dem Wolf tanzt“, „Der Löwe im Winter“ sind Filme – und Sounds – für die Ewigkeit. Und dann ist da natürlich „James Bond“. Wobei ausgerechnet das Signatur-Gitarrenriff, zu dem der Agent auftritt, nicht von Barry ist. 2001 verlor er in dieser Angelegenheit einen jahrelangen Rechtsstreit gegen den Komponisten Monty Norman.
Cliff Martinez (1954, New York)
Mit 62 zählt der ehemalige Lydia Lunch-Schlagzeuger beinahe noch zu den „jungen Wilden“ des Genres. Er hat die passenden Sounds für coole Filme wie „Drive“ oder „Traffic“ – stellte sein Können aber auch schon in Steven Soderberghs gefeierter Beziehungskiste „Sex, Lügen und Video“ unter Beweis.
Trevor Jones (1949, Kapstadt)
Die letzten 10 Minuten in „Der letzte Mohikaner“ gehören zum Besten, was es in Sachen Bild-Ton-Synergie zu sehen und hören gibt. Außerdem: „Notting Hill“, „Mississippi Burning“, „I Robot“.
Michael Nyman (1944, London)
Der klassische Komponist studierte an der Royal Academy of Music und schrieb Orchesterwerke und Opern, bevor Filmmusik machte. Sein Durchbruch kam 1982 mit Peter Greenaways „Der Kontrakt des Zeichners“. Mit dem gleichen Regisseur folgten „Die Verschwörung der Frauen“, „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“, „Prosperos Bücher“. Aber auch Jane Campions „Das Piano“, „Der Mann der Friseuese“ und viele weitere Filme leben von der ganz eigenen Stimmung seiner Musik.
Clint Mansell (1963, Coventry)
Der Brite ist einer der führenden Vertreter der neuen Generation. „Pi“, „Requiem for a Dream“, „The Fountain“, „The Wrestler“, „Black Swan“, „Noah“ und auch „Moon“, das Regie-Debüt von David Bowies Sohn Duncan Jones, stammen aus seiner Feder. Oder seinem Laptop.
Tyler Bates (1965, Los Angeles)
Dieser Mann lässt es ordentlich krachen. Seine Scores zu Filmen wie „Sucker Punch“, „300“, „Dawn of the Dead“ oder „Guardians of the Galaxy“ wurden auch als CDs ein Hit.