Leben

DRUCKWERKE

Einmal mehr liest sich unser Ausblick in die Zukunft wie ein Szenario aus Dr. Frankensteins Labor: Die Vision, dass es möglich sein wird, menschliche Organe im Labor zu züchten und Körperteile mit Hilfe von dreidimensionalen Druckern herzustellen. Das jahrelange, beklemmende Warten auf Spenderorgane wird es dann nicht mehr geben. Momentan warten in Österreich mehr als 1.100 Patienten auf ein neues Organ. Weil die Nachfrage nach Nieren am größten ist, müssen heute zum Beispiel Dialysepatienten vier bis acht quälende Jahre auf eine Spenderniere warten. Laut einer deutschen Umfrage würden sich 94 Prozent der Menschen, die auf eine Transplantation hoffen, ein im 3D-Drucker erschaffenes Organ einpflanzen lassen.
Die Transplantation von Organen ist längst zur medizinischen Routine geworden. Und die massiven Abstoßungsreaktionen lassen sich mit – lebenslang eingenommenen – Medikamenten unterdrücken. Doch das größte Problem können die Mediziner weltweit nicht beheben: Es gibt zu wenig Organe, die transplantiert werden können. Seit dem Skandal um Manipulationen mit Spenderorganen in Deutschland sinkt zusätzlich die Zahl der Menschen, die bereit sind, nach dem Tod ihre Organe zur Verfügung zu stellen.


Schon heute werden Haut und Gewebe künstlich in dreidimensionalen Druckern hergestellt. Diese 3D-Bio-Drucker werden das gesamte Gesundheitssystem verändern – Wissenschaftler gehen davon aus, dass man bald auch komplexe Strukturen wie künstliche Organe oder beschädigte Teile der menschlichen Maschinerie drucken kann. Der größte Vorteil bei dieser revolutionären Entwicklung in der Medizin: Die Ersatzteile für den menschlichen Körper sind dann eines Tages biologisch perfekt auf den Empfänger zugeschnitten. Und da die neuen Organe aus Stammzellen ent-
stehen, die zuvor dem eigenen Körper entnommen und in Kulturen vermehrt wurden, sind sie für den Organempfänger
keine Fremdkörper – die natürliche Immunabwehr stößt das neue Organ nicht ab, Patienten müssen nicht mehr so viele Immunregulatoren schlucken.
In der medizinischen Forschung gelten längst neue Maßstäbe. Bereits vor drei Jahren wurde für ein drei Monate altes Baby eine synthetische Luftröhre konstruiert, ebenso entstanden künstliche Herzklappen. An der Harvard University forscht man an der Herstellung von Nieren, bereits 2018 soll die erste Niere gedruckt werden. Stammzellen dienen als „Druckertinte“. Wissenschaftler des russischen Labors „3D Bioprinting Solutions“ gaben vor kurzem bekannt, dass sie noch heuer die erste künstliche Schilddrüse produzieren werden, da dieses Organ über eine vergleichsweise einfache Struktur verfüge. Und der wissenschaftliche Wettlauf zwischen Russen und Amerikanern, ähnlich wie im Weltraum, geht rasant weiter: Das US-Unternehmen „Organovo“ sorgte für Aufsehen, als es verkündete, Teile einer menschlichen Leber drucken zu können. Das künstliche dreidimensionale Gewebe der Leber überlebte im Labor 40 Tage. An den Universitäten von Baltimore und New Jersey wurde bereits der Prototyp eines äußeren Ohrs entwickelt – mit silbernen Nanopartikeln, die als eine Art Antenne fungieren. Und Freiburger Wissenschaftler arbeiten an der Herstellung von menschlichen Knochen: Aus Knochenzellen und Blutgefäßen werden funktionsfähige Knochen entwickelt.
Der 3D-Druck von lebendigem Hautgewebe könnte bereits in fünf bis sieben Jahren Realität sein. Noch ist das alles Zukunftsmusik. Bis es tatsächlich gelingen könnte, menschliche Bauteile zu drucken, werden noch Jahrzehnte vergehen. Doch weltweit hoffen Wissenschaftler, dass irgendwann komplett aus dem Drucker kommende Organe als Transplantate und Ersatzteile zur Verfügung stehen werden.


Auf unserer Reise „In 80 Wochen in die Zukunft“ haben wir bereits mehr als die Hälfte der Themen, die manchmal auch wie Szenarien aus Dr. Frankensteins Labor wirken, hinter uns. Ihr gewaltiges, zumeist positives Feedback freut mich sehr. Und ich freue mich auf eine Zukunfts-Sommer-Pause.
Am 5. September geht’s weiter. Inzwischen auch Ihnen schönen Sommer.

michael.horowitz@kurier.at