Leben

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Ein Leben, zwei Leben, viele Leben. Von der Bankierstochter zum ersten Nackedei der Filmgeschichte. Von der Ehefrau eines Waffenhändlers zum „Ziegfield Girl“ und zur „schönsten Frau der Welt“. Und von der genialen Erfinderin zur vergessenen Diva, die schließlich einsam starb. Die Biografie der am 9. November 1914 in Wien-Döbling geborenen Hedwig Eva Maria Kiesler gleicht einer Achterbahnfahrt. Schon als Vierzehnjährige verdrehte das glückliche Kind zehn Jahre älteren Männern den Kopf. Als die 16-Jährige schließlich in Berlin in Max Reinhardts Theaterschule eincheckt, hinterlässt sie in Oberbayern ein gebrochenes Herz: Ein hochwohlgeborener Franz setzt seinem Leben aus Liebesgram jäh ein Ende. Hedwig aber steht erst vor dem Beginn einer sagenhaften, bis heute einzigartigen Karriere. Max Reinhardts Spruch von der „schönsten Frau in Europa“ führt die Brünette kurzerhand aufs Set des Skandalfilms „Ekstase“. Wir schreiben das Jahr 1933. Die Nackt- und Sexszenen mit dem Teenie sorgen für einen Riesenskandal. Papst Pius XI. verurteilt die Freizügigkeit, in den USA und vielen anderen Ländern wird „Ekstase“ verboten.

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Die Folge: Um sie aus dem Verkehr zu ziehen, verheiraten die Eltern die couragierte Tochter noch im selben Jahr mit „Patronenkönig“ Fritz Mandl. Der behandelt die schöne junge Frau wie eine Beute und setzt sie unter Hausarrest. Als Aufputz bei Geschäftsessen ihres Mannes mit befreundeten Waffenhändlern schnappt Hedwig aber so viel an technischen Details über Waffensysteme auf, dass sie Jahre später in den USA als Hedy einen zusätzlichen Karriereweg einschlägt. Mittlerweile durch MGM-Boss Louis B. Mayer zum Filmstar geadelt und von Kosmetik-Guru Max Factor zum „Girl of the Year“ gekürt, brütet die Beauty zwischen den Dreharbeiten für „Lady of the Tropics“ und „Come Live With Me“ über einem neuen Hobby: Sie forscht an einem System, das es abgeschossenen Torpedos ermöglichen sollte, „den Kanal zu wechseln“, um vom Feind nicht aufgespürt werden zu können. Ihr Partner dabei: Komponist George Antheil, der zu diesem Zeitpunkt schon in der Lage war, Melodien zu synchronisieren und damit einen stereophonen Klang zu erzeugen.

Von links: Skandal! In „Ekstase“ (1933) ist Hedy Lamarr die erste Nackte der Filmgeschichte; als „Ziegfield Girl“ mit Judy Garland und Lana Turner; mit Clark Gable in „Comrade X“ (1940); mit James Stewart in „Come Live With Me“ (1941)

Mit einem Wort: Hedy Lamarr sind die funktechnischen Grundlagen einer Erfindung zu verdanken, die unser Leben total verändert hat – das Mobiltelefon. Nur: Das US-Militär war damals noch nicht so weit, so visionär zu denken und legte das geheime Patent „zum gleichzeitigen Frequenzwechsel“ in der Schublade ab. Erst als die Rechte darauf abgelaufen waren, wurde das Wissen verwertet. Die beiden Amateur-Erfinder aber sollten nie von ihrem Genieblitz profitieren.


Die insgesamt sechs Mal verheiratete Hedy Lamarr starb vereinsamt am 19. Jänner 2000 in Florida. Erst kurz zuvor wurde ihre technische Großtat in den USA offiziell gewürdigt. Und posthum wurde die Schauspielerin in Österreich, Deutschland und der Schweiz immerhin Namenspatin des „Tages der Erfinder“. Damit befindet sie sich in guter Gesellschaft: In den USA spielt ihren Part der Vorzeige-Erfinder Thomas Alva Edison.


Und noch etwas spricht dafür, dass Hedy Lamarr heute populärer ist als in ihren letzten Lebensjahrzehnten: Schauspielern Diane Kruger („Inglorious Basterds“) plant, eine TV-Serie über die Diva zu produzieren.

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Vanity Fair, April 1999
Bis zuletzt, wie ihr ein Jahr vor ihrem Tod beantworteter Fragebogen beweist, bewahrte Hedy Lamarr ihren Humor.

  • Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung? Poker spielen.
  • Wann und wo waren Sie am glücklichsten? Zwischen den Ehen.
  • Wenn Sie etwas an sich ändern könnten, was wäre das? Mein Nagellack.
  • Mit welcher historischen Figur identifizieren Sie sich am meisten? Kaiserin Elisabeth von Österreich.
  • Wer ist Ihre Lieblingsfigur in der Literatur? Bart Simpson.
  • Wie möchten Sie sterben? Vorzugsweise nach dem Sex.
  • Was ist Ihr Motto? Nimm die Dinge nicht zu ernst.

Foto: Ihre kommerziell erfolgreichste Rolle: Hedy Lamarr in „Samson und Delilah!“ (1949)