Leben

Beauty-Doc Worseg schreibt Aufregerbuch: "Operiere nicht jeden"

Es ist Freitagabend kurz nach 19 Uhr. Das Interview mit Artur Worseg in seiner Klinik in Wien Währing hätte vor einer Stunde beginnen sollen. Aber  „der Herr Doktor ist leider noch in Behandlungen“. Normalität im Leben des Doktor Worseg, dessen Tage  immer lang und Nächte oft kurz sind.  Nur sonntags nimmt er sich Zeit für seine Frau Kristina (31), eine Zahnärztin, und die zwei gemeinsamen Kinder Nicolas (3) und Elena (2). Dann gibt es noch Paris (14), seinen Sohn aus einer früheren Beziehung – und natürlich den Job. 

Und als wäre der Alltag nicht ausgefüllt genug, hat Worseg nun  auch noch ein Buch geschrieben. „Deine Nase kann nichts dafür“ versteht  Worseg als „Plädoyer gegen den Schönheitswahn“. Nanu? Einer der erfolgreichsten Schönheitschirurgen Österreichs wettert gegen die eigene Zunft? Das provoziert Fragen.  Worseg, in Natura ebenso sympathisch  wie im TV,  liefert nach Dienstschluss Antworten. Offen, ehrlich, reflektiert.

 

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Herr Worseg, Sie raten in Ihrem Buch von Schönheitsoperationen ab. Verzeihen Sie, aber das klingt paradox.

Ich sage das primär deswegen, weil ich  durch mein Alter und meine Erfahrung mehr nachdenke als früher und vieles bewusster erlebe. Deshalb ist mir aufgefallen, dass  viele meiner Patienten eigentlich das  gleiche Anliegen haben. Sie  möchten wieder glücklich sein, oft einen Partner finden. Bei diesen Argumenten hatte ich schon immer ein komisches Gefühl. Wenn jemand glücklich werden will, muss er woanders hingehen. Da kann ich nicht helfen.

Wann können Sie helfen?

Wenn eine Patientin möchte, dass ihr Busen wieder an der richtigen Stelle sitzt, ist das okay. Wenn sie sagt: „,Ich will, dass mich mein Mann endlich wieder anschaut“, passt es aber nicht.

Frauen legen sich öfter unters Messer als Männer. Kann man daraus schließen, dass Männer mit sich zufriedener sind?

Nein, das nicht. Für Männer hat der Körper einfach eine andere Bedeutung. Frauen definieren ihre Weiblichkeit, ihr ganzes Sein über ihren Körper. Für den Mann ist  der Körper nur ein Instrument, das funktionieren muss. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Deswegen wird der Körper für Frauen immer einen höheren Stellenwert haben.

Im Buch beschreiben Sie, dass Sie  zur Selbstreflexion in chinesischen Klöstern waren. Andererseits sind Sie der Mann, der Richard Lugner im TV vor laufender Kamera Botox spritzt. Sind Sie nun tiefgründig oder oberflächlich?

Darüber habe ich selbst viel nachgedacht. Ich glaube, dass jeder eine gewisse Besessenheit hat. Das habe ich in meinem Beruf, sonst hätte ich nicht ein Spital und würde Tag und Nacht arbeiten. Es gibt immer zwei Seiten. Ich stelle mir das vor wie einen traurigen Clown. Viele Menschen stehen für etwas und sind andererseits genau das Gegenteil davon. Wahrscheinlich verbirgt sich dahinter das, was man als Yin und  Yan bezeichnet – das Gegensätzliche. Ich glaube, es gibt kaum jemanden, der so viel arbeitet und so viel erreicht hat wie ich. Trotzdem sehe ich meine Tätigkeit auch kritisch. Das war schon so, als ich jung war und jeden Cent gebraucht hätte. Mein Credo war aber: Ich operiere nicht jeden.

Der Standardsatz vieler Ratgeber-Autoren lautet:  „Wenn nur einer, der das liest, es sich anders überlegt, habe ich mein Ziel erreicht.“ Ist das auch Ihr Satz?

Mir würde es reichen, wenn von zehn Leuten, die zu mir kommen, drei feststellen, dass ihre Erwartungen und Vorstellungen nichts mit einer Operation zu tun haben. Wenn die sagen: „Ich warte noch ein bisschen“, bin ich zufrieden.

Aber wiederkommen sollen sie schon.

Es ist mir auch recht, wenn sie nicht mehr kommen. Meine Kollegen und ich werden das überleben. Diese Menschen sind vielleicht in einem halben Jahr froh, dass sie nichts gemacht haben. Das will ich! Mir ist klar, dass ich mit solchen Aussagen an die Grenze zur Nestbeschmutzung gehe. Man könnte sagen: „Zuerst hat er die Kohle gemacht, und jetzt?“ Da muss ich aufpassen. Aber es ist ja auch für uns Plastiker gut, wenn normale Leute ohne Krise zu uns kommen. Vielleicht verdienen wir ein bissl weniger, aber haben gleichzeitig  weniger Probleme. Menschen in der Krise finden immer etwas, was ihnen nicht taugt. Das ist für uns auch nicht so angenehm. 

Das klingt, als hätten Gerichtsprozesse zu Ihrem Alltag gehört?

Immer noch. Das ist das Schwierige in unserer Branche. Als Gutachter sehe ich oft, dass Patienten, die Ärzte klagen, keinen Grund dazu gehabt hätten. Diese Menschen sind oft völlig überlagert und haben einen Lebenshass aufgebaut, den sie dann in den Arzt projizieren. Oft sehe ich aber keinen Fehler. Das Gespräch in der Praxis läuft dann so ab: „Die hättest du gar nicht erst angreifen sollen.“ Und der Kollege sagt: „Du hast recht, ich hatte eh ein ungutes Gefühl.“ 

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Angenommen, eine Frau würde mit dem Bild von Angelina Jolie zu Ihnen kommen: Was machen Sie?

Schau, wenn ich so ein Buch schreibe, dann auch deshalb, weil auch ich gegen mein Gefühl operiert habe und eingefahren bin. Ich bin nicht nur der Gute gewesen, aber das passiert immer seltener. Ich rate jungen Ärzten, die am liebsten sofort operieren wollen, zuerst in der Ordination zu arbeiten. Dort lernt man am meisten. Dadurch sind viele heutzutage schon recht schnell im Ablehnen von Patienten. Der Lernprozess ist weniger schmerzhaft als bei mir. Ich habe doch einiges gemacht, was ich nicht hätte machen sollen.

Interessant ist auch, dass Sie sich selbst nie unters Messer legen würden.

(lacht) Deshalb schaue ich auch so aus.

Wäre es nicht vernünftiger, einem Arzt zu vertrauen, der weiß, was es heißt, sich operieren zu lassen?

Wenn ein Patient nackt vor dir steht, ist er auch seelisch nackert. Da ist nur wichtig, dass du als Arzt du selbst bist. Die Chemie muss stimmen! Und wenn ein Arzt nicht authentisch ist und glaubt, sich anpassen zu müssen, funktioniert es nicht. Dann ist er fast ein energetischer Betrüger. In meiner Branche gibt es so viele Wege zum Erfolg. Bei Falten fallen mir in der Sekunde zehn Behandlungsmöglichkeiten ein. Welche du wählst, muss mit deiner Persönlichkeit  übereinstimmen. Ich mache im Fernsehen diese Sendungen mit anderen Chirurgen (Anm.: „Ein Leben für die Schönheit“ auf ATV). Wenn mich Leute darauf ansprechen, sagen viele: „Jessas Maria, hast g’sehen, wie der ausschaut?“ Der Kollege hat aber auch viele Patienten. Umgekehrt sagen andere: „Schau, wie der Worseg daherkommt!“

Sind Sie eigentlich zufrieden, wenn Sie abends Ihre Klinik nach fünf Brustoperationen verlassen? 

Brustoperationen machen mich schon lange nicht mehr zufrieden. Da bin ich schon im fünfstelligen Bereich. Aber ich bin zufrieden, wenn ich bei der Visite merke, dass meine Patienten Freude haben. Operieren ist eine Geschichte, zufriedene Leute sind eine andere, viel schönere!

Meines Erachtens sieht man in den meisten Fällen, wenn jemand etwas hat machen lassen. Das ist nicht gut, oder? 

Botox, eine der häufigsten Behandlungen, wirst du bei 80 oder 90 Prozent nicht sehen. Auch Lidoperationen nicht. Der Trend geht allerdings ein bisschen in die Richtung, dass man es sehen soll. Die Schönheitsmedizin ist heute nicht mehr wie vor 20 Jahren, als noch alles natürlich aussehen musste. Es ist schon zu einem Statussymbol mutiert, dass man eine Operation auch sehen muss. Sonst möchte ich es, ehrlich gesagt, persönlich auch nicht gemacht haben.

Diese Frage geht an Sie als Mann: Gefällt Ihnen das denn?

Nein, mir gefällt es persönlich nicht, aber ich abstrahiere mich da bis zu einem gewissen Grad. Sonst müsste ich jetzt sofort  meinen Beruf wechseln.

An Kundinnen wird es Ihnen, Stichwort Selfie-Boom, auch in Zukunft nicht mangeln. Wo führt uns diese Begeisterung für die Schönheitsindustrie hin?

Der Selfie-Boom war für die Kosmetik-Industrie ein Glückstreffer. Das Problem für mich ist der ständige Vergleich mit anderen und die Art der Kommunikation ohne Mimik und Aura. Sie reduziert sich auf das Aussehen und was andere dazu posten. So kommt man in einen unendlichen Wettbewerb ohne Energiefluss.

Wo ist der positive Effekt? 

Es gibt Studien, die belegen, dass zum Beispiel in England die Schönheitschirurgie zuletzt zurückgegangen ist. Da wird überlegt, warum das so ist. Die sozialen Medien sprechen sich ja auch gegen den Schönheits-Boom aus. Genügend Blogger stehen zu ihren Makeln und ihrer individuellen Schönheit. Früher gab es ein Schönheitsideal, heute gibt es ganz viele. Wenn der große Social-Media-Hype vorbei ist, wird auch das Vergleichende nachlassen.

Sie wirken sehr reflektiert. Wie sehr hat Ihre Zeit im Kloster dazu beigetragen?

Mir haben die Philosophie und die Beschäftigung damit irrsinnig getaugt. Ich habe auch  viel asiatischen Kampfsport gemacht und das Ganze mit meiner humanistischen Schulbildung vermischt. Das bringt ein gewisses Hinterfragen des Seins mit sich. Am Ende kommt auf gut Kärntnerisch heraus: Lei lossn! Man kann vieles auf ein sehr pures Level reduzieren.

Werden Sie Herrn Lugner weiterhin vor laufender Kamera Botox spritzen, obwohl Sie dazu aufrufen, sich  Schönheitsoperationen gut zu überlegen?

Der Lugner hat 85 Jahre Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Es ist auch ein Unterschied, ob du dich einer kosmetischen Behandlung unterziehst oder einer Operation, bei der du dir reinschneiden und dich verletzen lässt. Eine Spritze fällt unter die Kategorie Lifestyle. 

Ihre Frau ist 31 Jahre alt, Ihre gemeinsamen Kinder sind zwei und drei: Welchen Zugang haben Sie zum Alter?

Einen mathematischen. Ich rechne nach, ohne viel Gefühl. Jetzt passt es, aber in 20 Jahren bin ich vielleicht schon stinkig. Eigentlich muss man darüber lachen, aber ob ich das kann, wenn es soweit ist, weiß ich nicht.  Meine Frau sagt bei solchen Gesprächen: „Ich liebe dich!“ Wir werden sehen, was kommt. Ich werde es hinnehmen, wie ich andere Dinge hingenommen habe.

Sie könnten sich dann ja operativ verjüngen lassen.

(lacht) Lieber nicht. Wer weiß, wie ich dann ausschau!