Leben

Rudi Weissenstein: Der Chronist mit der Kamera

Bauch rein, Brust raus und trotzdem lässig ans Geländer des Bademeister-Hochsitzes gelehnt. Zwei fesche Burschen mit Sonnenhut – Baywatch am Strand von Tel Aviv, 1949. Der Mann hinter der Kamera ist Rudi Weissenstein aus Iglau in Böhmen. Seit ihm der Vater zum achten Geburtstag  eine hölzerne Kamera geschenkt hat, lässt ihn die Fotografie nicht mehr los.  Er studiert an der Wiener Kunsthochschule, doch  als der Antisemitismus in Europa immer offener zutage tritt, emigriert er 1936 nach Israel.
 

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Wenn in den Folgejahren ein Schiff mit Flüchtlingen ankommt und die Menschen aufgeregt am Strand zusammenlaufen, ist Rudi Weissenstein mit seiner Kamera dabei. Wenn ein junger Arbeiter im Kibbuz stolz seine Gemüseernte präsentiert, zwei eben angekommene Einwanderinnen sich ihr neues Leben einrichten, wenn fünf Paare gleichzeitig Hochzeit feiern und elegante  Models die neueste Mode vorführen. Weissenstein dokumentierte alles.

Prominenten-Porträts

Aber er porträtierte auch Prominente  von Marc Chagall über  Golda Meir bis zu David Ben-Gurion und lichtete als offizieller Fotograf auch die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel im Mai 1948 ab.
 

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„Die Fotos sind stark und emotional. Man kann durch die Bilder die Zeit nachvollziehen. Sie haben einen Retro-Chic“, sagt Ben Peter Weissenstein, der Enkel des Fotografen. Er ist der Bewahrer des Erbes seines Großvaters. In einem kleinen Geschäft in Tel Aviv lagern eine Million Negative – in einem Holzschrank mit vielen kleinen Laden, so wie sie  der Fotograf seinerzeit selbst archiviert hat. Enkel Ben Peter Weissenstein hat die Bilder seines Opas inzwischen digitalisiert. Denn eigentlich ist er Computerspezialist. Eine Auswahl dieses historischen  Schatzes ist demnächst auch in Wien zu sehen (22. März – 11. April, Jüdisches Museum, Wien 1).
 

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Nach dem Tod des „Chronisten mit der Kamera“ im Jahr 1992 war es Weissen-
steins Witwe Miriam, die sich um das Vermächtnis  ihres Mannes kümmerte. „Mit 90 Jahren stand meine Großmutter allein im Shop, da begann ich, sie zu unterstützen“, erinnert sich der Enkel. Er lässt sich von der resoluten alten Dame in die Geheimnisse des Archivs einführen und hilft seither mit, Ausstellungen zu organisieren. Und Ben Peter Weissenstein ist auch dabei, als seine Großmutter mit 96 kurz vor ihrem Tod im Jahr 2011 für eine Ausstellung nach Deutschland reist und dort  vor einem Foto steht, das ihr Mann Rudi 60 Jahre zuvor gemacht hat:  Miriam,  scheinbar schwerelos am Strand von Herzlia.  Ein Bild für die Ewigkeit.

Ausstellung:

The Photo House – Das Archiv des legendären Rudi Weissenstein in Tel Aviv, Gottfried & Söhne im Jüdischen Museum Wien 22. 3. – 11. 4. 2019
http://www.thephotohouse.co.il
http://www.jmw.at/