Leben/Reise

Auf nach Tokio! Die Suche nach den besten Ramen

Meist warten seine Gäste in einer langen Schlange, die den ganzen Straßenblock entlang reicht. Mittlerweile ist sie drei Mal so lang wie vor ein paar Jahren noch. Leise und geduldig stehen sie, endlich einen der zehn Plätze in Kazumasa Saitos winzigem RestaurantNakiryu“ zu bekommen. Worauf sie dabei hinfiebern? Seine Ramen-Nudelsuppen, vor allem seine Tantanmen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Denn wie nur zwei weitere Restaurants bislang wurde Saito mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Damit dürfte Ramen das günstigste Sterne-Gericht sein, das man auf der ganzen Welt bekommen kann.

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Jetzt gerade leert sich sein Restaurant, denn in Kürze macht Saito Feierabend. Oft ist er zu dieser Tageszeit ausverkauft und muss sogar Leute suppenlos nach Hause schicken. Heute hat er noch eine Portion aufgehoben, von denen rund 170 am Tag über den Tresen gehen. Mit ernstem Blick und sichtbar konzentriert richtet er sie an: Die Brühe, Nudeln und Toppings mit Fleisch und Gemüse. All das komponiert er mit einer Präzision, die wichtig ist bei diesem scheinbar simplen, aber in den Details doch sehr komplexen Gericht. „Seit ich vor sieben Jahren das Restaurant eröffnet habe, hat sich das Rezept stark verändert“, sagt der Ramen-Koch mit der schwarzen Brille und der Schiebermütze. Immer wieder versucht er, seine Suppe mit minimalen Veränderungen weiter zu optimieren. Als er die Schüssel schließlich serviert, ist schnell klar: Wer einmal diese würzig scharfe Version mit dem Faschierten und der samtigen Brühe probiert hat, kann die Begeisterung genauso nachvollziehen wie den Stern dafür.

Schlange stehen muss man aber längst nicht nur bei „Nakiryu“. Vor allem zur Mittagszeit muss man in vielen Ramen-Shops in Tokio warten. Denn viele Japaner sind verrückt nach der Suppe – auch ganz unabhängig vom Michelin-Stern. Nicht nur die Bezeichnung leitet sich dabei aus dem Chinesischen ab, wo es so viel wie „handgezogene Nudeln“ bedeutet. Der Ursprung des Gerichts geht ebenfalls auf chinesische Immigranten zurück. „Es hat sich aus einer einfachen chinesischen Suppe entwickelt“, erklärt Frank Striegl, der nicht nur leidenschaftlicher Ramen-Esser ist. Der Japaner bringt sein Expertenwissen über dieses seiner Meinung nach „ultimative Soulfood“ auf Ramen-Touren durch die Metropole unter die Nudelfans. „Ramen ist ein Fusionsgericht, aus dem die Japaner über mehr als hundert Jahre ein ganz eigens Gericht gemacht haben.“ Dabei zeige sich das Augenmerk für Details, das die japanische Küche auch darüber hinaus auszeichnet.

In Tokio
– Ramen mit Michelin-Stern in Tokio bei Nakiryu, Tsuta und Sobahouse Konjiki Hototogisu
– Veganes Ramen bei „T’s Tantan“ ts-restaurant.jp/tantan
– Einmal im Jahr findet die Tokio Ramen Show statt, 24. Oktober bis 4. November. ramenshow.com
– Bei Jingu kann man das Tokyo Ramen Experience buchen; 2500 Yen pro Person (etwa 21 Euro) bei mindestens zwei Teilnehmern: ramen-tokyo.com

In Wien
– Mochi Ramen Bar, 1020: Am Vorgartenmarkt von Haubenkoch Edi Dimant und Tobi Müller. Di–Sa 11.30-21.30,  mochi.at/ramen-bar
– Shoyu, 1010: Hausgemachte Ramen und Katsu Don in der Seilerstätte. Mo– Sa 11:30–22:00 Uhr.  shoyu.at
– Oreno Ramen, 1080: Ramenbar auf der Lerchenfelderstraße, kleine aber sehr feine Speisekarte, die vegane Variante schmeckt auch Fleischessern. Di–So 18–21.30 Uhr

Entscheidend sei bei Ramen nicht nur die zeitaufwendig gekochte Brühe. Auch auf die Würze durch das Dashi käme es an, ein Sud, dessen Hauptzutaten Seetang und Bonito-Fischflocken sind. Außerdem verändert die Nudel-Art den Ramen-Genuss maßgeblich. Dicke Nudeln? Feine dünne Nudeln? Nehmen sie viel Brühe auf oder wenig? Und welche Toppings kommen zum Schluss dazu? Ganz klassisch eine Scheibe Schweinebraten und ein Ei? Oder einmal etwas ganz Neues, Experimentelleres? „Wichtig für gutes Ramen ist, dass alle Komponenten in Harmonie gebracht werden“, sagt Frank.

Auf seinen Touren erkundet er einige der sogenannten Ramen-Shops in Tokio. Viertausend soll es allein in der Metropole geben; ein Vielfaches davon in ganz Japan. Der nächste ist eigentlich immer gleich um die Ecke. Ob im traditionelleren Asakusa, wo vor allem klassisches Ramen in teils sehr alten Ramen-Shops serviert wird. Oder im trendigen Shibuya, wo es auch schon mal eigenwilligere Varianten gibt – mit Tintenfisch-Tinte und Knoblauch zum Beispiel. Im unterirdischen Einkaufszentrum der Tokio Station findet man sogar eine Ramen-Street mit acht unterschiedlichen Restaurants. Ramen-Bars sind in der Regel klein. An einem Automaten muss ein Ticket für die gewünschte Suppe gezogen werden, die selten mehr als 1.000 Yen (rund 8,50 Euro) kostet. Kurze Zeit später wird sie einem über die Theke gereicht. „Schlürft man die Suppe, zeigt man, dass man sie genießt“, erklärt Frank. „Außerdem kann man die heiße Suppe schneller essen, wenn man die Nudeln mit Luft einzieht.“ Bis auf die Schlürfgeräusche ist es oft still in den Restaurants. Sobald die Schüssel leer ist, wird das Lokal auch gleich wieder verlassen.

Nudelverrückte Japaner

Ramen ist eine Wissenschaft für sich. Es existieren schließlich so viele Varianten wie Köche. Einen geballten Überblick über die Bandbreite gibt die „Tokio Ramen Show“. „Ramen ist eine sehr kreative Angelegenheit, jede Region in Japan hat ihre eigene Art, die Suppen zuzubereiten“, sagt Hiroshi Osaki, der Organisator des jährlichen Foodfestivals, das Hunderttausende Besucher anzieht und bei dem einige der spannendsten Suppen des Landes verkostet werden. 18 Stände sind dafür direkt nebeneinander aufgebaut, vor denen die Suppenfans in langen Schlangen geduldig auf die nächste Portion warten. Mit einer geben sie sich in der Regel längst nicht zufrieden. Probiert werden oft zwei, drei oder mehr. Dass sie nicht gerade kalorienarm sind, spielt dabei offensichtlich keine Rolle.

Die Brühe für Ramen ist in den meisten Fällen fleischbasiert. Deutlich zurückhaltender sind Japaner nach wie vor bei vegetarischen und veganen Suppen. „T’s Tantan“, eine Mini-Kette seit rund zwei Jahren mit Ableger im Ueno-Bahnhof, ist angetreten, um auch die veganen Ramenverliebten mit einer überzeugenden Variante zu versorgen. „Ramen ist wegen der reichhaltigen Zutaten ein bisschen so etwas wie ein Guilty Pleasure, aber hier haben die Gäste das Gefühl, dass die Suppe gesünder ist“, sagt Yuka Shibuya, während sie eine Schüssel anrichtet. Ob Fleisch oder nicht, bei der Zubereitung macht das für die 34-Jährige keinen Unterschied. Nur die Brühe wird fleischlos hergestellt. Statt eines Eies und einer Scheibe Schweinebraten wird mit Bohnen, chinesischem Spinat, goldenem Sesam und Erdnusssoße angereichert. Das sieht köstlich aus und ist es auch – auch wenn die Stärke der Brühe mit den fleischbasierten Varianten geschmacklich nicht ganz mithalten kann.

Drei Tipps: sehr japanisch

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Während man sich auf der Tokio-Reise Tag für Tag durch all die grandiosen Kreationen probiert, kommt langsam Nudelpanik auf. Sicher, zu Hause gibt es mittlerweile auch Ramen-Shops, aber eben nur wenige. Ob Ramen selber machen ein Mittel gegen den anstehenden Entzug sein könnte? In Harajuku, dem gehypten Mode- und Trendbezirk, kann man in einem Workshop selber eine Schüssel zubereiten. Die „Ramen Experience“ findet im etwas versteckten Ramen-Shop „Jingu“ bei Soichi Onodero statt. Der junge Japaner spricht sogar Englisch und erklärt die einzelnen Schritte bis zur fertigen Suppe. Die Brühe hier und heute herzustellen, würde aber den zeitlichen Rahmen sprengen. Sie ist wie die Nudeln schon fertig. Der Crashkurs beginnt daher mit einem Löffel Dashi, der in der Schüssel landet. Dann Nudeln kochen – exakt 30 Sekunden. Währenddessen eine Kelle voll Brühe in die Schüssel. Schließlich Nudeln gut abschütteln und hineingeben, bevor mit Toppings garniert wird. Das ist alles genauso schnell erledigt wie der Workshop, der mit dem Essen der Suppe endet – und der Erkenntnis, dass Ramen zu aufwendig für zu Hause ist. Vor allem, wenn man den Ansporn hätte, Brühe und Nudeln selber herzustellen.

Einfacher ist es, vor der Abreise in einem der zahllosen Konbinis, den Minisupermärkten an jeder Ecke, vorbeizuschauen. Dort findet man unter all den Instant-Suppen für wenige Yen sogar die Michelin-dekorierten Suppen von „Tsuta“ und „Nakiryu“, von denen ein Dutzend für die erste Notversorgung im Koffer landen. Ein bisschen Ramen-Wahnsinn für zu Hause. Nicht so gut, wie das frisch zubereitete Original natürlich. Dafür aber in der eigenen Suppenschüssel – ohne Schlange stehen.

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Anreise
Austrian und All Nippon Airways (ANA) fliegen direkt zwischen  Wien und Tokio. austrian.com, ana.co.jp  

Übernachten
– Das über 100 Jahre alte Ryumeikan Ochnomizu Honten, früher ein traditionelles Ryokan, wurde als luxuriöses Hotel wiedereröffnet, in dessen zwölf Zimmern sich westliches und japanisches Design stilvoll ergänzen. ryumeikan-honten.jp
–Zentral im schicken Ginza-Bezirk liegt das moderne „Tokyu Stay Ginza“, das komfortable und geräumige Zimmer bietet. Pro Nacht/Zimmer ab rund 110 Euro. www.tokyustay.co.jp

Angebot
Ruefa bietet 4 Nächte Tokio ab 790 €/P.  inkl. Flughafen–Transfers, ganztägige Stadtbesichtigung, Eintritte Tokyo Tower, Senso-ji-Kannon-Tempel, Schifffahrt, 4 ÜN/F in guten Mittelklassehotels, exkl. Flüge. 0800 /200 400, ruefa.at

Auskunft
Japan National Tourism Organization: jnto.go.jp, gotokyo.org