Prokopetz und Seidl: "Weihnachten entkommt man nicht"
Von Barbara Reiter
Es hätte sich nicht besser treffen können. Kabarettist Gery Seidl spielt in der Burg Perchtoldsdorf sein Programm „HochTief“, Kollege Joesi Prokopetz wohnt in Brunn am Gebirge.Es weihnachtet sehr und wir haben ein paar Fragen mitgebracht - für die stillste, und manchmal krisenreichste Zeit im Jahr. Was tun, wenn die Weihnachtsgans im Rohr verschmort? Und sich am Heiligen Abend unliebsamer Besuch ansagt? Oder man das falsche Geschenk bekommt? Der humorvolle Weihnachts-Überlebens-Ratgeber von Seidl und Prokopetz.
Herr Seidl, Herr Prokopetz, Weihnachten ist im besten Fall die Zeit von Frieden, Freude Eierkuchen ... Stimmen Sie zu?
Gery Seidl: Im besten Fall, Sie sagen es. Weihnachten entkommt man nicht. Es ist ab Mitte November einfach da – in jedem Kaufhaus mit Weihnachtsbeleuchtung und Weihnachtsliedern. Deshalb ist es auch ein gefundenes Fressen fürs Kabarett, um Charaktere gegeneinander antreten zu lassen. Weil selten ist es ja ein Miteinander.
Dann lassen Sie uns bitte Lösungen für weihnachtliche Krisen-Situationen finden, die jeder kennt. Sind Sie dabei?
Joesi Prokopetz: Natürlich!
Gery Seidl: Auf los geht’s los!
Zum Aufwärmen geht es ums Essen. Die Gans brennt an, der Truthahn ist nicht durch ... Was tun?
Gery: Naja, da gibt es doch jetzt dieses „Mjam“, wo man Essen online bestellen kann.
Joesi: Also, wenn bei uns das Weihnachtsessen anbrennt, schimpf ich meine Frau. Aber wir essen nie Weihnachtsgans. Meine Frau und Konsorten essen alle Karpfen, was ich nicht mag wegen der Gräten. Ich krieg ein Kalbsschnitzel mit Petersil-Erdäpfel und bin glücklich.
Und wenn es in der Familie einen Veganer, einen Vegetarier und einen Fleischesser gibt? Da wird es kompliziert.
Gery: Dann kriegt halt jeder ein Jausensackerl vom Christkind. Das war in unserer Familie auch ein Thema, weil ich vier Jahre Vegetarier war. Meine Mutter hat damals gesagt: Was essen fleischlose Menschen überhaupt? Mit der Zeit gewöhnt man sich als Vegetarier aber daran, zum Beilagenesser zu werden.
Joesi: Ich ess’ gerne Linsen mit Spiegelei und Knödel. Da brauch’ ich kein Fleisch. Und wenn sich ein Speckwürferl reinverirrt, mein Gott, was soll man machen? Meine Tochter ist Vegetarierin, kommt zu Weihnachten aber nicht zu uns.
Seidl: „Stell’ dir vor, du bekommst drei Uhren auf einmal geschenkt. Da weißt du nicht, auf welche du schauen sollst.“
Prokopetz: „Oh ja! Alle drei schau’ ich mir an!“
Baum oder nicht Baum - das ist jetzt die nächste Frage.
Joesi: Wir haben seit Jahren keinen Baum. In den sechs Jahren, die wir einen Baum hatten, war das Thema immer: „Wenn du schon den Baum nicht mit aufputzt, dann schmeiß’ ihn wenigstens weg.“ Dabei wollte ich nie einen Baum. Die Nadeln, der Dreck, das Lametta, völlig unnötig!
Und Sie Gery? Ihre Tochter ist zehn.
Gery: Unser Problem war ein anderes. Unser Haus ist sehr modern, da gibt es keine Wände. Wir konnten als schlecht die Türe im Wohnzimmer zumachen, wenn der Baum aufgeputzt wurde. Wohin also mit dem Kind? Deshalb haben wir gesagt, wir helfen dem Christkind beim Baumaufputzen und machen das seither einen Tag vor Weihnachten. Das ist mittlerweile zur Tradition geworden und eigentlich schön – obwohl ich Traditionen hasse.
Da haben Sie es zu Weihnachten schwer.
Gery: Die meisten Menschen wissen ja nicht einmal – da schließe ich mich ein –, woher eine Tradition kommt. Außerdem sind Traditionen ein Korsett für Kreativität. Es steckt immer ein Zwang dahinter. Ich bin einmal bei einem Fleischer auf der Gumpendorfer Straße in einer langen Schlange um Weihnachtswürstel angestanden. Irgendwann waren die Würstel aus und daheim haben alle ein langes Gesicht gemacht. „Jessas, es gibt es keine Weihnachtswürstel!“ Da bekommt etwas Unwichtiges plötzlich so ein Gewicht.
Was ist mit Geschenken?
Gery: Meine Tochter bekommt nie alle Geschenke auf einmal. Wir versuchen das klein zu halten, sonst ist sie überfordert. Was wünschst du dir zu Weihnachten, Joesi?
Joesi: Gar nichts!
Gery: Ich habe die Antwort erwartet! Stell’ dir vor, du bekommst drei Uhren auf einmal geschenkt. Da weißt du auch nicht, auf welche du schauen sollst.
Joesi: Oh ja! Alle drei schau’ ich mir an! Eine trag’ ich am Christtag, eine am Stefanitag und die dritte schnall’ ich mir gleich um. Bei Uhren kann man mir 200 schenken und ich wäre nicht überfordert, weil ich ein Uhrentrottel bin. Ich finde, Zeit ist ein Phänomen, das angemessen gemessen gehört.
Sie halten also nichts von einer der beliebtesten, am häufigsten gebrochenen Weihnachtsregeln: „Heuer schenken wir uns nix.“
Joesi: Also ich bin so einer. Ich sag’, ich schenk nix, hab aber meistens ein kleines Packerl mit Ohrringen oder so. Meine Frau schenkt mir auch nix und kommt dann mit einer „Kleinigkeit“. Meistens Zigarren.
Gery: Na gut, das geht, weil beide wissen, dass man sich nicht dran hält. Generell sind wir eh in einer Zeit angekommen, in der sich jeder alles kaufen kann. Wir haben damals ja noch auf ein Paarl Ski gewartet. Das gibt es ja heute nicht mehr.
Joesi: Ich habe damals eine Gitarre zu Weihnachten gekriegt. Mein Vater saß da mit einer Zipfelhaube, wie wir sie fürs Foto aufgesetzt haben. Er war so ein Gaudiwickerl, ist unterm Christbaum gesessen und hat über die Saiten gestreift, obwohl er nicht spielen konnte: Brrrmmmmm! Bling!
Gery: Da hat dein Vater uns allen etwas geschenkt, viele große Hits. Geschenke waren damals noch was Besonderes, heute sind es meistens Anlasskäufe.
Joesi: Meine Frau hat da immer gute Ideen. Wenn wir ein Geschenk brauchen, sagt sie: Du, wir haben im Keller doch noch diesen Zirbenschnaps!“ Das ist ein Wanderpokal.
Wo bleibt bei all dem Zeit für Besinnlichkeit?
Gery: Darum geht es ja! Der Heilige Abend hat da ganz etwas Besonderes. Wenn es finster wird und die Geschäfte endgültig zusperren, ist da kurz einmal nix. Da bleibt die Zeit stehen. Ich finde das magisch!
Joesi: Ich erlebe das auch nach wie vor, obwohl ich schon ein alter Mensch bin. Alles ist vorbereitet, man wartet auf die Gäste, plötzlich ist alles still – bis meine Frau die „Ö3 Christmas-Hits“ einschaltet. Die sind mir schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Aber für das Empfinden dieses magischen Moments, wie du es nennst, hasse ich mich, weil ich weiß, woher das kommt. Es kommt aus der Tradition, aus meiner katholischen Jugenderziehung. Und Tradition ist immer dogmatisch. Da denke ich mir: Wieso hast du dieses falsche Gefühl, wenn es einfach nicht richtig ist?
Ist es nicht egal, woher ein Gefühl kommt, wenn es positiv ist?
Joesi: Nein, ist es nicht.
Gery: Doch, ist es!
Joesi: Ihr versteht’s mich nicht. Rational gesehen ist das de facto nicht magisch.
Gery: Also ich will mir das bewahren.
Joesi: Da ich ein großer Freund der Ratio und Aufklärung bin, will ich nicht, dass ich Ressentiments von früher habe.
Kennen Sie das? Dass sich rund um Weihnachten und Silvester viele so staatstragend voneinander verabschieden. Stichwort: Sehen wir uns heuer noch?
Gery: Genau, ab Mitte November geht das schon los. Als ob da was abreißen würde! Ich kann dir sagen, woher das kommt: Wir hören jeden Montag, dass zum Glück eh bald wieder Freitag ist. Man ist darauf konditioniert, dass die Zeit zwischen Montagfrüh und Freitagmittag eigentlich nur eine Alternative zum Leben ist. Erst am Wochenende geht es wieder los. Die Steigerung davon ist: „Wenn ich einmal in Pension bin ...“
Joesi: Der Pathos breitet sich aus.
Gery: Zu Weihnachten setzt jeder auch so ein ernstes Gesicht auf, ein Spendengesicht, wie ich es nenne. Und Mitte Jänner ist dann wieder jedem alles wurst.
Joesi: Es ist ja auch kein Zufall, dass zu Weihnachten diese ganzen Spenden-Erlagscheine kommen. Wie der Hader einmal gesagt hat: Für zuckerkranke Kurden.
Ich bitte zum Schluss um eine Wortspende. Was können wir tun, damit Weihnachten trotz aller Widrigkeiten doch schön wird?
Gery: Wir dürfen den Humor nicht verlieren. Das ist der springende Punkt eines glücklichen Lebens!
Joesi: Ich möchte das unterstützen – mit einem Sager von Karl Kraus, der immer nur halb zitiert wird: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Aber nicht trotz allem! “