Paul McCartney: Der Musik-Messias
Von Bernhard Praschl
Er kann zwar keine Berge versetzen, aber Geschmäcker verändern: Paul McCartney, das musikalische Genie hinter „Yesterday“, das mit knapp 3000 Versionen meistgecoverte Poplied aller Zeiten sowie Hunderten anderen Songjuwelen, die die Legende aus Liverpool für die Beatles, seine eigene Band Wings oder für sich selbst schrieb.
Man braucht nur einmal mit seinen Fans ins Gespräch kommen, dann erfährt man, wie sehr "Macca" für den Soundtrack der Leben von so vielen unterschiedlichen Menschen mitverantwortlich ist. Aus dem heute 66-jährigen Bernd Rengelshausen etwa wäre vielleicht ein Vorläufer von Teufelsgeiger David Garrett geworden, hätte ihn nicht am Maltschacher See die moderne Muse geküsst. In Kärnten vor 54 Jahren. „Da war diese Jukebox“, erinnert sich der frühere PR-Mann des Plattenlabels EMI, der musikalischen Heimat der Beatles an den Sommer, der sein Leben verändern sollte. „Und da war dieses Lied: ,Gib mir deine Hand’“.
Selbst wenn es sich dabei nur um die deutschsprachige Version des Welthits „I Want To Hold Your Hand“ gehandelt hat, genügten ein paar Takte, um Klein-Bernd zum großen Fan zu machen. „Das war mein Beatles-Urschrei“, bringt der jugendlich gebliebene Musikprofi diese prägende Erfahrung auf den Punkt. Dabei war es ein Dirigent im Kursalon Hübner, der ihn ursprünglich auf die Musik brachte.
„Meine Eltern haben sich das Geld für den Geigenunterricht vom Mund abgespart“, erzählt der in Wien-Erdberg aufgewachsene Rengelshausen. Damit war es aber vorbei, als Bernd das erste Foto der Beatles sah. „Alle Leute jubelten ihnen zu. Aber da war keiner, der Geige spielte.“
Also musste eine Gitarre her. Und ein Schlagzeug. Aus dem Traum vom Leben als Popstar wurde dennoch nicht viel. Aber immerhin blieb Klein-Bernd als späterer EMI-Repräsentant dem weiteren Verlauf der Karrieren von Paul McCartney als auch Ringo Starr verbunden.
Apropos Ringo. „Mit dem habe ich Cola getrunken“, strahlt die gebürtige Britin June Polak-Evans. „Und mit John Lennon.“ Wie das? Ganz einfach. Die frühere Reitlehrerin, die vor Jahrzehnten die Liebe nach Wien gebracht hat, frequentierte als Teenager häufig die einschlägigen Beatschuppen in und um Liverpool. „Es gab ja nicht nur den Cavern Club, wo Brian Epstein die Beatles entdeckt hat“, sprudelt es aus ihr heraus. „Da waren auch der Cubic Club, der Blue Angle Club undundund.“
Genauso wie neben den Beatles noch viele andere Namen für den pulsierenden Mersey-Beat standen. „Ringo kam von Rory Storm and the Hurricans“, klärt June auf. Und lässt die Namen anderer Stars von damals vom Stapel: Gerry & The Pacemakers, The Searchers, Billy J. Kramer, The Fourmost oder die Sängerin Cilla Black.
Und was war jetzt mit dem Drink mit John und Ringo? „Drink? Ein Cola war das“, stellt June klar. „Und es war nachmittags. Die Bands hatten damals mehrere Auftritte am Tag. Oft begannen die schon, nachdem wir von der Schule kamen, Lunchtime Session hieß das.“ Fest steht jedenfalls: June Polak-Evans war dabei, als Ringo Starr erstmals mit den Beatles aufgetreten ist, am 16. August 1962 war das.
Geschichtsstunde mit einer Zeitzeugin. June zeigt uns ein paar Fotos von ihr als Teenager. Ganz wichtig: lange Haare. Und schwarze Rollkragenpullis. „Wir bezeichneten uns als Artys. Wir interessierten uns für moderne Malerei, moderne Musik und auch Blues. Ich ging damals auch in Konzerte von John Lee Hooker sowie Sonny Terry und Brownie McGee.“
Ein Gruppenfoto von June mit den Stars von einst gibt es leider nicht. Verständlich. Die Zeit, in der man pausenlos Selfies knipste, um seinen Platz in der Welt zu markieren, war noch lange nicht angebrochen. Dafür June als Popfan geboren. „Die allererste Langspielplatte der Beatles, Please Please Me, hüte ich immer noch wie einen Schatz.“ Leider ohne Signaturen. Dafür aber mit vielen Erinnerungen. Sogar mit einer ganz einzigartigen: „Ich habe Paul McCartney und John Lennon im Cavern Club schon gesehen, bevor sie sich Beatles nannten.“ Wow!
Ebenso einzigartig ist, dass sich die Faszination für die Beatles – und mit ihr selbstverständlich jene für Paul McCartney – nahezu bruchlos bis heute gehalten hat. Der Nino aus Wien zum Beispiel ist erst siebzehn Jahre nach der Trennung der Beatles im Jahr 1970 geboren. Trotzdem kriegt er glasige Augen, wenn er auf ein Highlight aus seiner Musiksammlung zu sprechen kommt: „Ich habe eine von Paul McCartney original signierte Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band-CD“, lässt er so nebenbei fallen. Um sich sogleich als totaler Beatles-Fan zu outen.
Mehr noch: Paul McCartney live im Wiener Ernst-Happel-Stadion im Jahr 2003 war Ninos zweites großes Popkonzert. Und, ja, man kann dem oft als „Bob Dylan vom Praterstern“ apostrophierten Liedermacher durchaus seine musikalische Verwandtschaft zu Sir Paul anhören. Auch textlich. Gut, Hände auf dem Album „Der Nino aus Wien“ mag jetzt nicht wirklich etwas mit I Want To Hold Your Hand zu tun haben. Aber eben vielleicht doch.
Die Paul McCartney-Gastspiele in Wien am 5. und 6. Dezember stehen jedenfalls einzig bei Bernd Rengelshausen hoch im Kurs. June hat immer eher mit John Lennon geliebäugelt und steht sowieso mehr auf Rod Stewart.
Und Der Nino aus Wien? Der ist eben in eigener Sache heftig beschäftigt. Am 8. und 9. Dezember hat er selber ein Doppelkonzert vor sich, im Milla Club in München. Wie bei Vorbild Paul sind beide Abende längst ausverkauft. Vor Fans will man sich ja keine Blöße geben. Also, ausgeschlafen aufzutreten, ist dabei keine Schande. Nicht so wie die Beatles in ihren Heydays. Die ließen nichts aus von dem, was der Party-Zubehörsektor hergibt.
Wie gesagt, die Fab Four gingen 1970 auseinander. Dass Paul McCartney ein Wiffzack ist, bewies er ein Jahr zuvor. Da gründete er den Verlag McCartney Productions Ltd. Und mit dem versetzt der achtfache Großvater durchaus Berge. Denn ihm gehören nicht nur die Rechte an seinem Songgut, sondern auch an Gassenhauern von Buddy Holly oder Carl Perkins. Auch diese Umsicht verhalf ihm zu einem Vermögen von einer Milliarde Dollar und einem einzigartigen Ruf:
DER GRÖSSTE LEBENDE POPSTAR DER WELT ZU SEIN.
Eigentlich versteht es sich selbst, dass jemand mit einer so langen Spielpraxis ein ausgezeichneter Musiker sein muss. Aber vielleicht muss man es doch noch einmal extra erwähnen. Für Marco Michael Wanda, Sänger der fantastischen Band Wanda, ist "Macca" der "großartige Bassist, der Bach und Popmusik miteinander bekannt gemacht hat. Eine ehrliche und spielerische Seele, ein erstaunlich humoristischer Pionier in seinen Texten und Melodien." Und: "Fescher Kerl, damals wie heute."
Oder lesen wir, was Stephanie und Alexander, gemeinsam Cari Cari, über Sir Paul sagen: Stephanie: „Paul McCartney ist und war ein genialer Künstler und Songwriter und trotz mehrerer Weltkarrieren wirkt er wie jemand, der am liebsten nach der Arbeit mit seinen Buddies ein paar Bier trinken geht.“
Alexander: „Eine besondere, persönliche ,Macca-related’ Freude ist meine Aufnahme in den offiziellen Künstlerstamm der Gitarrenmarke
Höfner. McCartney spielt ja seit jeher den ikonischen Höfner Violin-Bass, ich spiele Höfner Verythin Gitarren. Falls ich Paul einmal treffe, werde ich ihn bitten, das ,Mac’ aus seinem Namen streichen zu lassen. Dann wären wir nämlich auf der Höfner Artist-Site wahrscheinlich nacheinander. Also Cari Cari und Cartney."
Hören, sehen & verstehen: Bernd Rengelshausen wurde erst vor ein paar Wochen ein Jugendtraum erfüllt. "Meine Frau schenkte mir zum Geburtstag eine Reise nach Liverpool. Ich habe sie mit meinem Jugendfreund Wolfgang angetreten – wir kennen uns seit dem achten Lebensjahr – und das im Oktober, nachdem wir uns auf YouTube sehr genau Paul McCartneys Liverpool-Tour beim ,Carpool Karaoke’ angeschaut haben.
Den Clip aus James Cordens „Late Late Show“ haben sich mehr als 35 Millionen Leute angeschaut. Das merkt man. Denn wir waren wirklich nicht die einzigen, die sich vor dem weltberühmten Straßenschild der Penny Lane fotografierten. Natürlich haben wir auch im Cavern Club vorbeigeschaut. Und im Philharmonic Dining Room, dort wo Paul mit seiner Band für den britischen Komiker und TV-Entertainer James Corden einen vielbejubelten Überraschungsauftritt absolviert hat. Für einen Beatles-Fan ist ein Trip nach Liverpool auf alle Fälle absolut empfehlenswert. Das kann nur durch ein Paul McCartney-Konzert getoppt werden. Falls man überhaupt eine Karte ergattert hat. Und vielleicht sogar einen Platz in der ersten Reihe."