Mußestunden in Krisenzeiten: Zeitvertreib mit Streaming, Fernsehen und Hörbüchern
Von Barbara Reiter
STREAMING
Freud - mehr als Biopic
Morgen werden im ORF die letzten Folgen der Serie „Freud“ gezeigt. Wer die anderen Folgen verpasst hat: Netflix stellt alle Folgen der ersten Staffel ab
23. März auf einmal ins Netz. und es gibt eine -Garantie für Marathon-Fernsehen. Dem österreichischen Regisseur Marvin Kren ist mit der Mystery-Thriller-Serie inklusive einem Schuss Biopic, nämlich ein Straßenfeger mit Suchtpotenzial geglückt. Apropos: Freuds Vorliebe für Kokain spielt eine maßgebliche Rolle.
ZDF Traumschiff
Das Motto derzeit lautet: Reisen ist Abenteuer im Kopf. Warum dieser Tage nicht mit Florian Silbereisen als Captain auf dem Traumschiff nach Kolumbien reisen? Sicher und stressfrei. Wer die Kitschgeschichten nicht so mag: Die Aufnahmen der besuchten Länder sind immer sensationell. Irgendwann können wir wieder hin. www.zdf.de/filme
The Irishman/Netflix
Unglaubliche drei Stunden und 30 Minuten ist das filmische Meisterwerk „The Irishman“ lang – und auch wieder kurz. Denn Martin Scorsese widmet sich seinem Fachgebiet, der „Mafia“ und erzählt spannend wie eh und je die wahre Geschichte eines Auftragsmörders. Mit dabei die alten Haudegen Joe Pesci, Robert De Niro und Al Pacino (o. v. l. n. r). Schon alleine deshalb sehenswert! www.netflix.com
Das Einfache Leben
Eine gesammelte Auswahl von Dokumentationen, Diskussionen und Reportagen aller Fernsehsender, die kostenlos zugänglich ist. Passend zur angespannten Situation, empfehlen wir „Scobel – Das einfache Leben“, wo Moderator Gert Scobel mit Gästen über Askese, Rückzug und deren moderne Erscheinungsformen diskutiert. Eine gute Gelegenheit, um die Entschleunigung des Lebens auch einmal philosophisch zu hinterfragen.
FERNSEHEN
James Bond
Eigentlich hätte der letzte Bond mit Daniel Craig „No Time To Die“ im April Premiere gehabt. Aber dann kam – ja er – und der Termin musste auf November verschoben werden. Kleiner Trost: RTL zeigt morgen, 22:35 Uhr, „Ein Quantum Trost“. Bond ist nach dem Tod seiner Geliebten Vesper verbittert. Er will sie sühnen. www.rtl.de
Walk the Line
ARTE zeigt das vielfach ausgezeichnete Biopic aus dem Jahr 2005 über den Country-Musiker Johnny Cash morgen um 20:15 Uhr. Mit einer tollen Reese Witherspoon und einem großartigen Joaquin Phoenix in den Hauptrollen. Als Draufgabe gibt es im Anschluss das legendäre Konzert „Behind Prison Walls“, das der „Man in Black“ 1976 im Tennessee State Prison gegeben hat. Ab 22:25 Uhr! www.arte.tv
Dreiteiler: Unsere wunderbaren Jahre
Die Geschichte spielt 1948, als mit der Einführung der D-Mark jeder Bürger die Chance zum Neuanfang bekommt. Im Mittelpunkt stehen die drei Töchter eines Fabrikantenehepaars. Vom Siegen, Kämpfen und Scheitern. Die gute Nachricht für uns: Jede Krise hat ein Ende! Folge zwei heute, 20:15 Uhr, Folge drei am 25.3. www.daserste.de
HÖRBÜCHER
Okapi in Sicht
Am Anfang mussten wir uns an die Stimme von Sandra Hüller erst gewöhnen, doch am Ende wollten wir sie nicht mehr hergeben, Stichwort: beruhigend.
Sie erzählt in „Was man von hier aus sehen kann“ die Geschichte der Westerwälderin Luise, die bei der Großmutter aufwächst, weil ihre Eltern zu sehr mit sich und ihrer Scheidung beschäftigt sind. Die Welt, die sich einem in der Erzählung offenbart, ist fantastisch und realistisch zugleich. Oma Selma hat hellseherische Kräfte und träumt von Okapis, ihre abergläubische Schwägerin Elsbeth hat für alles ein Geheimrezept und der Optiker ohne Namen, ist seit Jahren heimlich in Selma verliebt.
Den Reiz machen die Formulierungen von Autorin Mariana Leky aus. Die Szene, als Luises Vater Selma einen Hund schenkt, beschreibt sie mit den Worten: „Das gemeinsame Schweigen des Vaters und der Großmutter ist mindestens so groß wie ein irischer Wolfshund mit Schulterhöhe 200“. Und wenn Sie sich von Anfang an gefragt haben, was ein Okapi ist: Ein Tier, das aussieht wie eine Mischung aus Giraffe und verbautem Pferd. Schön ist das nicht, aber dafür ist Lekys Roman als Hörbuch umso schöner. www.audible.de
E-Mail-Roman fürs Herz
Nach „Gut gegen Nordwind“ dachte man: Niemals mehr wird es einen ähnlich guten E-Mail-Roman geben! Bis Meg Wolitzer mit „An Nachteule von Sternhai“ kam, wunderbar erzählt und gelesen von Birte Schnöink, Julia Nachtmann und vielen anderen. Zwei Mädchen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, beginnen sich via E-Mail zu schreiben, weil ihre schwulen Väter ein Paar werden. Keine will etwas von der anderen wissen. Vorerst! Wolitzers Charaktere sind so gut beschrieben, dass sie beginnen, im Kopf zu leben. www.audible.de
Die Känguru-Chroniken Ansichten eines Beuteltiers
Und plötzlich steht ein Känguru vor deiner Tür, um sich ein paar Eier auszuborgen, weil es Eierkuchen machen will. Dieses skurrile Szenario nimmt Marc-Uwe Kling als Ausgangspunkt für seine „Känguru-Chroniken“, in denen sich ein Ich-Erzähler mit einem Beuteltier befreundet. Ideal für Menschen, die Aufheiterung benötigen. Eine kleine Kostprobe: Das Känguru muss sich nämlich nicht nur Eier, sondern nach der Reihe auch Mehl und Salz ausborgen. Schließlich klingelt das Tier erneut, sagt „Kein Herd!“ und ist mit diesen Worten beim Nachbarn eingezogen. Juhu, ein Känguru? Hören Sie selbst, ob das ein Grund zur Freude ist. www.audible.de
Alt, aber so gut
Per Zufall haben wir kürzlich bei Radio Brandenburg Theodor Fontanes „Effi Briest“ als großartige Hörspiel-Serie entdeckt. Der Gesellschaftsroman handelt vom Schicksal der jungen Effi, die mit 17 Jahren verheiratet wird. Die Geschichte ist so lebendig erzählt, dass man sich mitten im Geschehen wähnt. Die
Produktion stammt aus dem Jahr 1974, klingt aber, als wäre sie topaktuell. www.rbb-online.de/rbbkultur/podcasts
BÜCHER
Klare Ansage
In einer Zeit, wo man nichts machen kann, ist es Zeit, darüber nachzudenken, was man in Normalfall machen MUSS. Tommy Jaud meint: „Einen Scheiß muss ich“ und holt in seinem Buch zum amüsanten Befreiungsschlag gegen Bevormundung und Leistungswahn aus. Muss ich rausgehen, wenn die Sonne scheint? Sie ahnen es. Einen Scheiß muss ich! S. Fischer Verlage
Nichts ist ganz schön viel
Wie macht man eigentlich nichts? Dass wir das im Zeitalter der Digitalisierung aber so was von verlernt haben, merkt man kaum besser als derzeit. Der Schriftsteller Björn Kern hat das Nichtstun perfektioniert und 2016 ein Buch darüber geschrieben. „Nichtstun heißt ja nicht, dass ich nichts tue. Nichtstun heißt, die falschen Dinge sein zu lassen.“ Komisch und charmant schildert er seinen Abschied von Fleiß und Tatendrang hin zu mehr Gelassenheit. S. Fischer Verlage
Ein Buch wie ein Rausch
Haben Sie den Film „Neun Tage wach“ vergangenen Sonntag auf Pro7 gesehen? Nein? Sie haben etwas versäumt. Aber die Lebensbeichte des einstigen Soap-Stars Eric Steinfest ist auch als Buch top. Vor seiner Karriere hat der Schauspieler zehn Jahre Crystal Meth konsumiert und ist davon überraschenderweise wieder losgekommen. Denn das schafft nur einer von zehn Betroffenen. Eindrucksvoll schildert Stehfest, wie ihm das gelungen ist. Erschienen im Edel Verlag
Liebe in Zeiten der Pest
Romane über Pandemien erleben derzeit eine Hochkonjunktur. Camus’ „Die Pest“ kennt jeder, aber Alessandro Manzonis „Die Verlobten“ wahrscheinlich nicht. In Kapitel 31 schildert er lehrreich, wie die Pest sich in ganz Italien ausbreitet. Als Leser ist man überrascht, wie sehr sich das Verhalten der Menschen 1820 und 2020 gleicht. Aufbau Verlag