Warum zwei Wiener ihre Jobs aufgaben, um ein Kaschmirlabel zu gründen
Eigentlich hätte es ein ganz normaler Urlaub werden sollen. Als Gregor W. Köstler 2014 einen Flug nach Nepal buchte, wollte der Wiener nur ein paar Wochen die Seele baumeln lassen. Dass es ihn kurze Zeit später nochmals dorthin zog, hatte einen ernsteren Grund, erzählt Köstler: "Ich wollte nach dem Erdbeben im Jahr 2015 vor Ort helfen. Damals habe ich mir erstmals Gedanken darüber gemacht, was langfristig für die Einheimischen getan werden kann."
Die Antwort fand er bei seiner dritten Reise, auf die ihn Freund Andreas de Martini begleitete. "Er hat so vor Begeisterung gesprüht, dass ich mein ganzes Geld für ein Flugticket zusammengekratzt habe", erinnert sich Letzterer. Durch Zufall lernten die beiden den Nepalesen Prakash kennen, der außerhalb von Kathmandu ein kleines Strickunternehmen betreibt. Er lieferte die zündende Idee.
Zurück in Wien gaben Köstler, der in der Medienbranche arbeitete, und De Martini, zu dieser Zeit für ein Start-Up in Berlin tätig, ihre Jobs auf – und gründeten ihr Kaschmirlabel Mogli & Martini, um Pullover, Hauben und Schals zu entwerfen.
Hürdenreich
Eine große Herausforderung, wie sich herausstellte. Köstler: "Es ist schwierig, einem Nepalesen den europäischen Qualitätsanspruch näher zu bringen. Wenn ein Produkt einen Fehler hat, sagen sie ,Ach, verkauf es einfach billiger’. Deshalb scheitern viele internationale Unternehmen an dem Vorhaben, in Nepal Mode herzustellen." Hinzu komme die holprige Kommunikation. "Bei anderen Partnern kam es schon vor, dass wochenlang nicht auf Emails geantwortet wurde." Strickerei-Besitzer Prakash sei ein Glücksfall. "Er denkt internationaler als viele seiner Kollegen – und schaltet uns sogar per Handy live bei der Produktion unserer Mode zu", verrät der 28-Jährige. Die Strickerei-Mitarbeiter werden fair entlohnt und haben eine Krankenversicherung – in Nepal keine Selbstverständlichkeit. Die Firmengründer verbringen mehrere Monate pro Jahr vor Ort – auch, um den persönlichen Kontakt mit den Mitarbeitern zu pflegen.
Persönlich geht es auch in Wien zu, wo Gregor W. Köstler und Andreas De Martini meist in ihrer Boutique in der Spiegelgasse 4 anzutreffen sind. "Uns ist es wichtig, den Kunden zu erklären, woher unsere Ware kommt und wie sie hergestellt wird", sagt De Martini. Dieses Wissen sei auch für den Kunden ein guter Indikator, dass es sich um hochwertige Ware handelt.
Köstler: "Viele andere Firmen wissen nicht einmal, wo genau ihr Kaschmir herkommt". Mit Plastik gestreckte und sehr kurze Fasern – mit der Edelwolle werde viel Schindluder getrieben. "Letzteres führt dazu, dass das Kleidungsstück schnell fusselt und sich schließlich Löcher bilden." Sein Tipp: Auf dicht gestrickte Ware achten und bei Schleuderpreisen stutzig werden.
Gutes tun
Pullover aus reinem Kaschmir bietet das Duo ab 169 Euro an – ein vergleichsweise moderater Preis für ein Produkt, das bei anderen um bis zu 1000 Euro über den Ladentisch geht. Köstler: "Das ist nur möglich, weil Mogli & Martini nicht in anderen Boutiquen angeboten wird. Sonst müsste alles das Doppelte kosten, damit beide Seiten daran verdienen." An die Umsätze ihrer Konkurrenten kommen die Wiener noch nicht heran. Dennoch fließt bereits jetzt ein monatlicher Fixbetrag und ein Teilbetrag von jedem verkauften Stück an ein nepalesisches Projekt für sauberes Trinkwasser.
Gregor W. Köstler: "Für mich bedeutet Nachhaltigkeit, wenn am Ende des Tages für jeden etwas Positives übrig bleibt. Dazu gehören nicht nur glückliche Kunden, sondern auch glückliche Mitarbeiter." Ganz gleich, wie klein oder groß ein Modelabel sei: "Sich als Firma sozial zu engagieren ist nur eine Frage des Wollens – nie des Könnens."