"Mit Videos Geld zu verdienen, fand ich absurd"
Von Barbara Reiter
Herr Buchinger, 2009 haben Sie begonnen, Internet-Videos mit lustigen Inhalten hochzuladen. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie zehn Jahre später aufgrund dessen als Kabarettist und Buchautor erfolgreich sind?
Natürlich nicht! Ich war damals 16 und das war so eine Schüleridee. Ich war ein Kind ohne Hobbys, habe weder im Musik- noch im Fußballverein gespielt und dachte mir, vielleicht wären Videos was für mich. Aber zum damaligen Zeitpunkt war das kein Karrierepfad wie heute. Die 13-Jährigen wollen ja nicht mehr Pilot oder Feuerwehrmann, sondern Influencer werden.
Meine Mutter (81) will immer wissen, wen ich als Nächstes interviewe. Können Sie sich denken, was sie gefragt hat, als ich gesagt habe: Einen YouTube-Star?
Das kann ich mir gut vorstellen. Wenn ich in einer Talkshow sitze, muss ich auch jedes Mal erklären, wie YouTube funktioniert. Ich komme mir vor wie eine gesprungene Schallplatte, weil ich seit zehn Jahren immer das Gleiche erzähle. Aber ich glaube, man unterschätzt das Publikum. Es weiß mittlerweile, was im Internet passiert.
Werfen Sie die Schallplatte für unsere Ü-80-Leser trotzdem noch mal an ...
Ich bin ein Entertainer und lustiger Mensch, der seine Inhalte vor allem im Internet verbreitet. Aber im Grund macht es keinen Unterschied, ob jemand eine Kolumne schreibt oder ein Video macht. Es ist nur ein anderes Medium.
Sie sind nicht nur online erfolgreich, sondern auch als Buch-Autor und stehen mittlerweile als Comedian auf den bedeutendsten Kabarett-Bühnen des Landes. Was haben Sie, was andere YouTuber nicht haben?
Ich habe das immer gewollt – zumindest das mit dem Buch. Das Kabarett war einen Versuch wert, damit ich nicht mit 100 am Sterbebett liege und mir denke: Mensch, hättest du das doch gemacht! Ich habe aber immer gehofft, dass mir die Leute Dinge auf dem Silbertablett präsentieren. Natürlich ist kein einziger Verlag in Sachen Buch auf mich zugekommen. Also habe ich das irgendwann selbst in die Hand genommen.
Das heißt, Sie haben sich angeboten?
Ich habe viele Verlage angeschrieben, die alle gesagt haben: „Nein danke, möchten wir nicht!“ Interessanterweise waren das eher die Österreicher. Die Deutschen meinten: „Why not?“ Und die Leute haben meine Bücher auch gekauft.
Sie werden im Februar im „Globe“ mit bis zu 1400 Sitzplätzen auftreten. Im Internet ist zu lesen: „Ab Jänner werden Josef Hader, Gernot Kulis, Kaya Yanar und ab Februar Alfred Dorfer und Michael Buchinger die Bühne bespielen.“ Das sind alles große Namen. Sind Sie ein Senkrechtstarter?
Ich will nicht, dass es so wirkt, als hätte ich irgendwelche Abkürzungen genommen. Was stimmt ist, dass ich mit Kabarett erst im Herbst begonnen habe. Trotzdem habe ich mir über zehn Jahre im Internet ein gewisses Publikum aufgebaut.
Aufbauen klingt nach viel Arbeit ...
Ich habe halt diese Videos gemacht. Ich glaube, drei Jahre lang auch sehr ... erfolglos. Eigentlich haben nur meine Freunde zugeschaut. Das hat mir aber auch gereicht. Irgendwann habe ich dann gemerkt: Da sind auch andere Leute dabei. Als ich angefangen habe, damit Geld zu verdienen, fand ich das überhaupt sehr absurd, habe das aber natürlich begrüßt.
Frei nach dem Motto: Sie waren jung und brauchten (noch) kein Geld! Wahrscheinlich ist kein Druck der beste Weg zum Erfolg. Sie haben trotzdem auch studiert. Was wurde daraus?
Ich habe English and American Studies studiert und „nur“ mit dem Bachelor abgeschlossen. Aber ich habe zur selben Zeit mein erstes Buch veröffentlicht und dann gemerkt, das ist zu viel auf einmal.
Was kann man mit einem Englisch-Studium anfangen?
Nichts! Man wird Influencer! Ich dachte mir damals, ich studiere das, was mir in der Schule gelegen ist. Das war eben Englisch. Aber ich kann stundenlang über Jane Austen reden, wenn Sie mögen.
Zuerst reden wir übers Burgenland, wo Sie herkommen. Sie haben einen sehr modernen Beruf, tragen Leopardenjacke und lieben einen Mann. War es schwierig, auf dem Land aufzuwachsen?
Es tut mir manchmal fast leid, zu sagen, dass es nicht so war, weil viele Leute einen so schwierigen Weg haben. Ehrlich gesagt, war es in meinem Kopf immer schwieriger als in der Realität. Ich habe mich mit 15 viel zu früh geoutet. Aber meine Mutter hat von Anfang an sehr akzeptierend reagiert. Bei meinem Vater hat es zwei Monate gedauert. Er kannte halt niemanden, der schwul ist und musste durch mich erfahren, dass wir genauso sind wie alle anderen. Und jetzt passt eh alles. Aber die Partnersuche im Burgenland war recht schwierig, obwohl ich damals auf einer Dating-Webseite war.
Da gab es doch Parship noch gar nicht.
Es gibt eigene Seiten für Schwule. Die hieß Gay-Romeo. Aber alle Burgenländer, die ich dort gefunden habe, waren nicht aus der Umgebung. Da dachte ich mir, wenn das so verteilt ist, gibt es im ganzen Burgenland maximal drei Schwule. Als ich nach Wien gezogen bin, war die Dichte ein bisschen besser. Hier habe ich auch meinen Freund (Anm.: Dominik) gefunden. Surprise, Surprise! Er ist aus dem Burgenland und sein Elternhaus ist gar nicht so weit von meinem entfernt.
Haben Sie schon das Werbe-Plakat mit den zwei küssenden Männern gesehen?
Ja klar, das finde ich spannend. Man sieht das nicht oft und der Radiosender, der damit wirbt, macht das natürlich absichtlich – weil man hinschaut. Die beiden auf dem Bild geben sich ja nicht nur ein Bussi, sondern schmusen richtig. Aber ich habe noch niemanden gesehen, der böse schaut, wenn er an dem Plakat vorbeigeht.
Sind solche Plakate notwendig?
Ich finde schon. Je öfter man das sieht, desto normaler wird es. Es fängt jetzt auch an mit romantischen Komödien, in denen es um zwei Männer geht.
Bei Brokeback Mountain war das 2005 noch eine ...
... Sensation! Was mich an Schwulen-Filmen bisher immer gestört hat, war, dass das Independent-Filme mit einem Budget von maximal 30.000 Euro waren. Aber unlängst war mit „Love Simon“ einer der ersten größeren Teenie-Filme im Mainstream-Kino. Ich war bei einigen Vorstellungen und fand es schön, dass viele junge Menschen dort waren, egal ob schwul oder hetero. Ich bin hoffnungsvoll, was die jüngere Generation angeht und habe auch einige Nichten und Neffen. Die wachsen damit auf, dass sie halt einen Onkel haben, der mit einem Mann zusammen ist. Wenn du es von Anfang an so kennst, ist das normal.
„Very well done“, würde ein Engländer jetzt sagen.
Ich habe Amerikanisches Englisch studiert, da ist der Akzent ein anderer. Das Studium war große Zeitverschwendung. Aber ich sage immer: Nichts ist umsonst! Ich hatte dort zum Beispiel auch Kurse über Social Media, wo ich doch einiges zu dem Thema gelernt habe.
Es gibt mittlerweile eigene Studienrichtungen, die sich nur mit den „Sozialen Medien“ befassen. Braucht man das?
Ich werde auch immer wieder gefragt, solche Kurse zu hosten. Aber das Schöne an YouTube ist ja, dass du nicht viel dafür brauchst. Du nimmst eine Kamera, stellst sie auf, schaust, dass sie halbwegs auf dich gerichtet ist und los geht’s. Vielleicht zerstör’ ich da jetzt künftige Karriere-Möglichkeiten für mich, wenn ich sage, solche Kurse sind blöd. Aber ja, ich halte nicht so viel davon.
Haben Sie Ihr Kabarett-Programm eigentlich selbst geschrieben?
Interessant, das fragen mich viele Leute. Ist es denn Usus, das nicht zu tun?
Naja, Stermann und Grissemann zum Beispiel haben Gag-Schreiber.
Ich habe alles alleine geschrieben. Aber ich kann mir vorstellen, so jemanden zu engagieren, wenn ich nach meinem vierten Programm nicht mehr weiß, was ich sagen soll? Was machen die genau?
Ich glaube, sie lesen viel Zeitung und informieren sich, was Menschen gerade bewegt. Das greifen sie auf. und verpacken es in Witze.
Bei mir ist es halt so, dass ich vorwiegend über mich und mein Leben rede.
Wie alt ist Ihre Zielgruppe auf YouTube eigentlich?
Statistisch gesehen zwischen 18 und 28 Jahren. Davon sind 90 Prozent Frauen. Das merke ich auch bei meinen Auftritten. Die Pause ist wegen der langen Schlange auf der Damen-Toilette ein bissi länger. Aber ich glaube, dass ich meinen YouTube-Höhepunkt bereits hinter mir habe.
Alterserscheinungen mit 26?
Wenn ich mir anschaue, was auf YouTube funktioniert, sind das 14-Jährige, die Videos machen, in denen sie in einer Badewanne voller Nutella sitzen – oder sie geben Hunderte Schichten Nagellack übereinander und zeigen, wie das aussieht. Fast jeder hat einen Teil in sich, der sagt: „Das will ich sehen!“ So ähnlich wie beim Dschungelcamp.
Würden Sie ein Angebot annehmen, wenn man Sie fragen würde?
Ins Dschungelcamp würde ich nicht gehen, aber zu Dancing-Stars! Nicht mit Zwang, aber es wäre lustig. Ich bringe meine Zielgruppe mit und freue mich auch, wenn ich irgendwo bin, wo ich ein breiteres Publikum erreiche.
Sie haben auf YouTube 155.000 Follower. Es gibt aber österreichische Kollegen, die noch mehr Fans haben als Sie. Warum redet man medial trotzdem vorwiegend über Sie?
Ich hoffe, das klingt jetzt nicht blöd oder selbstverliebt. Aber ich glaube, ich bin salonfähig. Der erfolgreichste YouTuber ist einer, der gerne Dinge wie H****sohn sagt. Da kann ich verstehen, dass man so jemanden nicht gerne in eine Talkshow einlädt.
Michael, Sie sind es ja gewohnt, zu den Leuten zu sprechen. Was möchten Sie den -Lesern noch sagen?
Esst mehr Esterházy-Schnitte! Das ist eine total unterschätzte Torte. Ich bin eigentlich Eisenstädter, wo es jetzt diese vemeintliche Entführung gab. Ich habe im Forbes-Magazin gelesen, dass das Vermögen der verstorbenen Melinda Esterházy († 2014) 2,3 Milliarden beträgt. Ich wusste nicht, dass in Eisenstadt so viel Geld zuhause ist.
Oft ist es nicht gut, wenn man medial zu viel Aufmerksamkeit bekommt.
Sonst wird man noch entführt! Ich sollte mich zurückziehen.