Matthias und Inge Steiner: Eine außergewöhnliche Liebe
Von Barbara Reiter
Frau Steiner, sollen ihre beiden Söhne einmal Gewichtheber werden?
Inge Steiner: Ach, die sollen was anderes machen.
Matthias: Ich habe es als schön empfunden, aber es war für mich trotzdem so, dass es mir nach 20 Jahren gereicht hat.
Inge: Es wäre auch schwer, in deine Fußstapfen zu treten. Da hast du den ehemals stärksten Mann daheim, ... na.
Matthias: Obwohl: Der Große hätte die körperlichen Voraussetzungen. Er hat eine gute Kraftentwicklung und ist sehr belastbar. Aber ich kann ihm die Vor- und Nachteile aufzeigen. Es ist viel Qual, viel Entbehrung und nicht sehr sexy.
Sie hatten damals 150 Kilo ...
Matthias: Jetzt kommt der Klassiker. Die Frage nach dem Abnehmen.
Es ist schon interessant zu hören, was der Partner denkt, wenn sich der andere optisch so stark verändert.
Inge: Ich glaub, ich hab Matthias anders gesehen als die Mehrheit der Leute. Für mich war er immer ein extrem attraktiver Mann. Mir hat sein Grübchen unheimlich gut gefallen – und seine großen Hände, die auch um fünf Ring-Größen geschrumpft sind. Aber am meisten hat mich sein Wesen beeindruckt. Obwohl ich mir heute schon denke: "Hoppla ...!", wenn ich alte Fotos von ihm sehe.
Matthias: Warum hat er mir überhaupt gefallen? (lacht) Aber ich seh’s selber so.
Den feschen Burschen hinterm 150-Kilo-Mann habe ich damals nicht gesehen.
Inge: Wobei: Ich hab’ seine Fotos von früher gekannt. Er hat sie mir gleich am Anfang gezeigt. Nach dem Motto: So will ich wieder aussehen.
Ein kluger Schachzug.
Matthias: Ich bin als 22-jähriger Gewichtheber für Österreich in Athen gestartet und war damals schlank mit Sixpack und allem Drum und Dran. Trotzdem glauben viele: Der Mensch war immer dick! Es waren nur acht Jahre meines Lebens. Die 150 Kilo waren Mittel zum Zweck.
Inge: Matthias ist einer der wenigen Männer, die im Laufe einer Ehe jünger werden. Beim Kennenlernen dachte ich ja, er sei ungefähr so alt wie ich. Dass er als aktiver Sportler viel jünger sein muss, wurde mir erst später bewusst.
Es sind zwölf Jahre Altersunterschied. War das je ein Thema für Sie beide?
Inge: Eine Minute, als ich ihn nach unserem ersten Date zu mir nachhause zum Frühstück eingeladen habe. Damals hatte man noch nicht ständig das Handy in der Hand. Aber ich habe zuhause gegoogelt, wie alt er ist und dachte nur: Um Gottes Willen! Als er vor der Tür stand, habe ich gesagt: Du, wir müssen was klären. Ich habe gesehen, dass du wesentlich jünger bist als ich. Ist das ein Problem für dich?
Matthias: Ich habe mich eigentlich immer zu erwachsenen Menschen hingezogen gefühlt. Mein Vater war auch Gewichtheber und ich war ständig mit meinen Eltern unterwegs. Wenn da einmal ein Kind dabei war, war das schon viel. Ich war immer in Erwachsenenrunden integriert. Ich kenne es nicht anders.
Im August vor zehn Jahren haben Sie in Peking Ihren Olympiasieg gefeiert. Warum entscheidet man sich für eine Sportart, die öffentlich eher ein Stiefkind ist?
Matthias: Ich weiß gar nicht, wann der Traum losging. Dass der Vater das gemacht hat und ich immer dabei war, war normal. Mir hat schon die ganze Atmosphäre gefallen. Mein Vater hat auch in Mödling gehoben, in einem Katakombenkeller unter einer Theaterbühne. In dem Raum, der nicht besonders groß war, wurden Wurstsemmeln und Bier verkauft und es durfte geraucht werden. Du hast vor lauter Rauch die Leute nicht mehr gesehen. Das war total spannend für mich als Kind.
Das war alles?
Matthias: Mich hat auch das Messbare fasziniert. Zuerst reißt du im Training einmal 20 Kilo, dann 25, dann 30. Der Erfolg ist sichtbar und du bist nicht von Glück oder Zufall abhängig. Ich habe auch gerne Schispringen geschaut. Aber es hätte mich wahnsinnig gemacht, so stark vom Wetter abhängig zu sein.
War Olympia das erste Mal, dass Sie Ihren Mann wahrgenommen haben, Frau Steiner?
Inge: Ich kannte bis dahin eigentlich nur die deutschen Gewichtheber Manfred Nerlinger und Ronny Weller. Ich habe am Morgen nach seinem Olympia-Sieg bei N24 die Nachrichten moderiert. Wir haben den ganzen Tag nur über Matthias berichtet – und geheult, das weiß ich noch. Jeder hat gesagt: So ein toller Kerl! Wie der sich freut! Dazu das Foto der verstorbenen Frau.
Inge: Das war so ein emotionaler Moment, dass alle den ganzen Tag mit Gänsehaut rumgerannt sind.
War das mit dem Foto geplant?
Matthias: Das Foto war mein ständiger Begleiter, auch beim Training. Es war in einer Hülle, die unverwüstlich war. Im April vor Olympia bin ich in Italien Europameister geworden. Dort hat das Bild keinen interessiert. Für mich war Olympia ein runder Abschluss, weil es unser Wunsch war, gemeinsam nach Peking zu fahren. So konnte ich das zumindest irgendwie erfüllen.
Wo haben Sie Ihren Mann kennengelernt?
Inge: Bei der Buchpräsentation meines Freundes Florian Langenscheidt in Berlin. Plötzlich ist Matthias auf die Bühne gekommen und ich habe nur gedacht: Boah! Am Buffet haben wir Adressen ausgetauscht und uns irgendwann bei Freunden wieder getroffen.
Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen: Der Mann hat noch nicht abgeschlossen?
Inge: Abgeschlossen – Susi ist ein Teil der Familie. Das kann ich nur weitergeben als Tipp: Ein Expartner ist immer ein Teil von dir selber. Jeder hat einen Rucksack, den er trägt und ich wusste, dass der Rucksack von Matthias der wesentlich größere ist. Aber da wollte ich ihm helfen. Ich glaube, wir haben einen schönen Weg gefunden, die Familie von Susi zu integrieren. Die Mama von Susi ist unsere dritte Oma und Taufpatin von unserem Größten. Sie lebt einige Monate im Jahr bei uns und hat dadurch wieder Lebensmut bekommen.
Matthias: Es ist auch gar keine Diskussion mehr, dass das die dritte Oma ist. Es gibt Oma Bärbel, Oma Michi und Oma Lotte. Alle haben die gleiche Funktion.
Inge: Matthias hätte sich mir auch nie so geöffnet, wenn ich gesagt hätte, die Susi bleibt aber bitte deine Sache. Ich habe immer gesagt, sie gehört zu uns. Nur so kann unsere Liebe wachsen.
Bemerkenswert. Woher kommt Ihr Antrieb, so tolerant zu sein?
Inge: Ich glaube, da spielt der Matthias eine große Rolle – weil er es mir wert war. Ich habe gespürt, dass er der richtige Mann für mich ist. Deshalb war das für mich der einzig gangbare Weg.
Matthias: Es war schon ein bissel Lebenserfahrung auch.
Inge: Lebenserfahrung dahingehend, dass ich einige Pleiten hinter mir hatte.
Matthias: Es war mir schon suspekt, weil ich dachte: Jetzt ist die schon Mitte, Ende 30 und hat keine Kinder. Da stimmt was nicht!
Inge: Und ich war immer der Meinung, ich warte, bis der Richtige kommt! Deswegen habe ich bei unserem ersten Date auch gesagt: Pass mal auf ...
Matthias: ... ich habe keine Zeit mehr. (lacht)
Inge: Da hat er gesagt, er kann es sich vorstellen. Unser erstes Date hat acht Stunden gedauert. An diesem Abend haben wir alles geklärt.
Matthias: Es ist schön und gut, wenn man verliebt ist. Aber es müssen die grundlegenden Fragen ganz schnell geklärt werden: Ob man Kinder will, ist eine davon.
Inge: Das ist auch der Grund, warum unsere Ehe so gut funktioniert. Dass wir eben keine Kompromisse in den wichtigen Dingen eingegangen sind.
Sie haben auch die gemeinsame Firma „Steinertainment“ aufgebaut. In welche Richtung geht’s?
Matthias: Der Schwerpunkt liegt sicher bei Ernährung und Diabetes (Anm.: Steiner leidet seit er 18 ist an Diabetes Typ 1). Wir haben das Steiner-Prinzip entwickelt und ein Buch geschrieben.
Inge: Wir hatten auch kein wirkliches Geschäftsmodell. Das Buch ist nur deshalb entstanden, weil wir so viele E-Mails bekommen haben, nachdem Matthias so viel abgenommen hat. Jeder wollte wissen, was sein Geheimnis ist, dass es nicht gibt. Es ist eben eine langfristige Ernährungsumstellung.
Matthias: Die aber nicht so dramatisch ist, wie sie sich anhört.
Können Sie das Steiner-Prinzip erklären?
Inge: Du machst dir wenig Gedanken, was dein Magen, die Leber oder die Bauchspeicheldrüse für eine Funktion haben. Wir Stoffwechselgesunden denken ja immer, wir müssen nicht aufpassen beim Essen. Aber wir kriegen oft nicht mit, wie unsere Organe verfetten und wir unsere Bauchspeicheldrüse überlasten. Das erklären wir und das macht es relativ einfach, seine Figur zu halten oder abzunehmen.
Matthias: Oder nicht auf die falsche Fährte gelockt zu werden, etwa mit dem Kalorien zählen. Es nützt mir nichts, wenn ich Kalorien zähle, aber den ganzen Tag irgendwas esse. Dann setzt die Fettverbrennung nicht ein. Diese Dinge bringe ich sehr simpel bei.
Sie haben 2017 auch Ihr erstes Album herausgebracht. Vielleicht sind Sie in zehn Jahren Schlagersänger?
Matthias: Zehn Jahre? So weit habe ich noch nie gedacht in meinem Leben.
Inge: Matthias hat aktuell wieder vier Lieder aufgenommen. Es soll sich gut anhören, das dauert einfach. Ansonsten haben wir Platz für viele Projekte. Wir lassen uns einfach vom Leben treiben.
FAMILY BUSINESS
Matthias Steiner wurde 1982 in Wien geboren und wuchs in Sulz im Weinviertel auf. Dort begann er als Jugendlicher mit dem Gewichtheben. Einschnitte in seinem Leben waren der Tod seines Trainers Walter, „ein Drama“ und seine Diabetes-Typ-1-Erkrankung. Sie wurde diagnostiziert, als er 18 war. Nach einem Streit mit dem österreichischen Gewichtheber-Verband, startete er ab 2008 für Deutschland. Kurz zuvor verstarb seine Frau Susann 2007 bei einem Auto-Unfall. Ihr Foto ging bei Steiners Olympiasieg 2008 um die Welt. Seit 2010 ist er wieder glücklich verheiratet und lebt mit Inge und den beiden Söhnen, 6 und 8, im Weinviertel.
Inge Steiner wurde 1970 in Deutschland geboren und ist studierte Diplom-Kulturwirtin. Sie begann ihre Karriere als Moderatorin 1989 bei RTL Hamburg und moderierte später bei Sat 1 und Kabel 1. Aktuell ist sie Moderatorin der Sendung „Welt der Wunder“ bei N24. Da sie seit zwei Jahren in Österreich lebt, hat sie 300 Sendungen voraufgezeichnet. Olympiasieger Matthias Steiner lernte sie 2008 bei der Buchpräsentation eines Freundes kennen. Die gemeinsamen Söhne kamen 2010 und 2013 in ihrem ehemaligen Wohnort Heidelberg zur Welt. Heute leitet Steiner gemeinsam mit ihrem Mann die Veranstaltungsagentur „Steinertainment.“