Lost Places - Geisterhäuser in den Alpen
Von Eva Gogala
Ächzend knarren die verstaubten Dielen unter meinen behutsamen Schritten. Säuselnder Wind durchzieht das Gebäude. Schummriges Licht fällt durch die erstaunlich gut erhaltene Bleiverglasung. Um mich Fresken, Ornamente, Kunstwerke.“ Es ist für Stefan Hefele ein Moment, in dem Adrenalin durch seinen Körper schießt, wenn er eine solche Entdeckung macht.
Jagdrevier
Der Landschaftsfotograf macht Jagd nach Geisterhäusern. Sein Jagdrevier sind die Alpen. Hefele sucht nach verlassenen Villen und Palazzi, nach Kirchen und ehemaligen Hotels, aber auch nach Fabriken und Bauernhöfen. Es sind Orte, an denen Menschen lebten, arbeiteten, beteten. Orte des Verfalls, die die Fantasie anstacheln. Was hat sich hier ereignet, wer lebte hier, was geschah mit den Menschen, als das Haus aufgegeben wurde?
Immer, wenn ihn das Jagdfieber packt, steigt Stefan Hefele in seinen Campingbus und fährt los in die Alpen. Am ehesten wird er in Italien fündig, gefolgt von Frankreich. „Österreich, die Schweiz und Deutschland sind aufgeräumter“, sagt Hefele. Da lässt man Gebäude nicht einfach so verfallen. Zuvor hat er sich tage- und wochenlang im Internet und auf Google Maps schlau gemacht und sich so schon einmal virtuell Stück für Stück weitergearbeitet. Doch ob eine Suche Top oder Flop wird, sieht er immer erst an Ort und Stelle.
Geheimgehalten
Wo genau er auf seiner Suche nach verlorenen Schätzen fündig geworden ist, verrät er allerdings nicht. Seine Ortsangaben bleiben eher vage. Um nicht einen „Ruinentourismus“ anzufachen, der die Zerstörung dieser kostbaren Orte noch schneller vorantreibt.
Mitunter trifft er ohnehin schon auf Spuren von Vandalismus: Graffiti, mutwillig eingeschlagene Fensterscheiben, die den Verfall durch Wind und Wetter begünstigen.Ein paar Tipps, wo Suchende in Österreich fündig werden können, hat er dennoch: in Bad Fusch beim Großglockner beispielsweise. Das idyllisch gelegene und weltabgeschiedene, heute längst vergessene Kurbad im Pinzgau, in dessen Heilquellen Adelige und Künstler, unter ihnen auch der Dichter Hugo von Hofmannsthal, Linderung ihrer Leiden suchten, verfällt seit dem Ersten Weltkrieg. Man erreicht es über Zell am See und Fusch an der Glocknerstraße.
Oder im ehemals prächtigen Schloss Schrattenberg, im Besitz der Familie Schwarzenberg, nächst Scheifling in der Steiermark. 1144 erstmals als Wehrbau erwähnt, diente es Napoleon als Hauptquartier. Im Ersten Weltkrieg wurde das Schloss als Lazarett genutzt, es verfällt seit einem Großbrand im Jahr 1915. Ebenso wie viele ehemalige Art-Déco-Hotels in Bad Gastein, die jetzt vielleicht doch noch eine – wohl letzte – Chance bekommen, ihren morbiden Charme abzulegen und wiederbelebt zu werden.
Manchmal reicht es auf der Suche nach Geisterhäusern schon, mit offenen Augen durch die Alpen zu fahren und einen Blick durch das Dickicht am Straßenrand zu werfen. Man sollte sich nur beeilen, denn es könnte bald zu spät sein für eine Reise in diese Zwischenwelt, in der Prunk und Pracht sich in Morbidität und Verfall wandeln.