Leben/Gesellschaft

Gutmensch-Forschung: Warum nette Menschen oft unzufriedener sind

Umsichtig, harmoniebedürftig, zuvorkommend, freundlich, hilfsbereit, höflich: Nettigkeit im zwischenmenschlichen Umgang kennt viele Umschreibungen. Eine neue Studie zeigt nun: Chronisches Gutmenschentum mag die soziale Akzeptanz des Einzelnen erhöhen, der individuellen Zufriedenheit ist pausenlose Güte allerdings weniger zuträglich.

Die beiden Soziologen Filip Fors Connolly und Ingemar Johansson Sevä von der schwedischen Universität Umeå konnten zum einen belegen, dass überbordende Nettigkeit das Vorankommen im Leben hemmen kann. Sie untersuchten anhand des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit den Zusammenhang zwischen sozialer Verträglichkeit, gekennzeichnet durch Altruismus und Hilfsbereitschaft, und sozialem Status.

Denkbar sei, dass der schwache Zusammenhang zwischen den beiden Parametern darauf zurückgeht, dass Menschen, die kooperativ, warmherzig und rücksichtsvoll agieren, in erster Linie gemocht statt bewundert werden wollen, mutmaßen die Experten. Sozial verträgliches Verhalten provoziere beim Gegenüber zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit Sympathie, aber nicht zwingend Anerkennung und Respekt.

Die schwedischen Studienautoren prüften auch die Annahme, ob mangelnde Bewunderung bei besonders netten Menschen das Wohlbefinden negativ beeinflusst. Sie analysierten Daten von 3.780 Erwachsenen (im Alter von 18 bis 65 Jahren) aus Australien, Dänemark und Schweden, die einen Fragebogen zu den Fünf-Faktor-Persönlichkeitsmerkmalen, Lebenszufriedenheit, Status und Inklusion ausgefüllt hatten.

Unbefriedigte Bedürfnisse

Hochgradig verträgliche Menschen wiesen im Allgemeinen ein geringeres Maß an Lebenszufriedenheit auf, im Vergleich zu extrovertierten Personen, die energiegeladen und gesprächig sind sowie durchsetzungsstark handeln. Teilnehmer mit hohen Verträglichkeitswerten, denen viel Achtung in ihrer sozialen Umgebung entgegengebracht wurde, waren im Schnitt allerdings zufriedener als jene, die weniger Inklusion im Alltag erlebten. Der soziale Status schien für Menschen vom verträglichen Persönlichkeitstyp hingegen nicht ausschlaggebend für das emotionale Wohlbefinden.

Der Preis der Nettigkeit besteht den Forschern zufolge darin, dass kooperative Menschen "riskieren, in sozialen Situationen ausgebeutet zu werden", wie sie anmerken. Was wiederum dazu führe, dass sie ihre individuellen Ziele seltener erreichen und viele Bedürfnisse unbefriedigt bleiben.

Aber: Solange die eigene Freundlichkeit den eigenen Wunsch nach Erfüllung im Leben nicht überlagere, sei auch für Gutmenschen der Weg zum Glücklichsein geebnet.

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