KURIER-Lernhaus: Erfolgsgarant Muttersprache
Von Uwe Mauch
Für Kinder, die beim Lernen von Deutsch als Zweitsprache Probleme haben, gibt es seit fünf Jahren eine seriöse Anlaufstelle: die „Sprechstunde für Kinder mit Verdacht auf Sprachentwicklungsstörungen“ an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien.
Dort liefert ein Team rund um die Linguistik-Professorin Brigitte Eisenwort wertvolle Aufschlüsse für betroffene Schüler, Eltern und Lehrer.
KURIER: Frau Professor, warum heißt Ihre Einrichtung „Sprechstunde für Kinder mit Verdacht auf Sprachentwicklungsstörungen“?
Brigitte Eisenwort: Weil jene, die Probleme beim Erlernen von Deutsch als Zweitsprache haben, oft die Verdachtsdiagnose „Sprachentwicklungsstörung“ erhalten. Sehr oft handelt es sich jedoch nur um einen unvollständigen Zweitspracherwerb.
Wie oft ist diese Verdachtsdiagnose denn falsch?
Etwa die Hälfte der Kinder, die wir hier untersuchen, kann unsere Klinik eher erleichtert verlassen. Weil bei ihnen keine Sprachentwicklungsstörung vorliegt.
Warum wissen Sie das?
Erst die Evaluierung des Mutterspracherwerbs zeigt, ob Kinder tatsächlich Defizite beim Erwerb ihrer Muttersprache haben und deshalb eine Sprachentwicklungsstörung wahrscheinlich ist.
Wie stellen Sie das fest?
Wir vertrauen auf unser „Wiener Modell“ der Sprachdiagnostik. Dabei unterstützen uns Studierende der Humanmedizin: Als Native Speaker der jeweiligen Muttersprachen der Kinder können sie gemeinsam mit uns deren Sprachkompetenz in der ersten Sprache eruieren.
Welchen Vorteil hat das?
Es können dadurch Stärken und Schwächen beim Sprechen und Verstehen für beide Sprachen festgestellt werden. Außerdem können unsere Studierenden, die ja aus derselben Sprach- und Kulturgemeinschaft stammen, sofort offene und wertschätzende Gespräche unter unserer Supervision führen. In dieser Atmosphäre nehmen auch die Eltern viel an.
Warum Medizin-Studenten?
Weil sie in ärztlicher Gesprächsführung ausgebildet sind und auch Hintergrundwissen über Sprachentwicklungsstörungen im Studium erwerben.
Woher kommen die Sprachdefizite jener Kinder, die keine Sprachentwicklungsstörung haben?
Häufig von soziolinguistischen Faktoren. Es kann zum Beispiel sein, dass ihre Eltern selbst eine politisch unterdrückte Minderheitensprache als Muttersprache erworben haben und deshalb keinen reichen Wortschatz weitergeben können oder im Laufe ihrer Migration kompliziertere Satzstrukturen und gehobenen Wortschatz einfach nicht mehr verwenden.
Wie lässt sich die Sprachkompetenz verbessern?
Wichtig ist es, Kindern die Möglichkeit zur Kommunikation mit Deutsch sprechenden Native Speakern in kleinen Gruppen zu geben. Deutschklassen, in denen es nur einen Native Speaker Deutsch gibt, nämlich den Pädagogen, bringen wenig.
Was sagen Sie somit zu den Lernhäusern des KURIER?
Die sind ein Schritt in die richtige Richtung, weil dort das Konzept der kleinen Gruppen gut umgesetzt wird. Wenn Kinder zu Hause nur ihre Muttersprache oder eine mit Deutsch gemischte Sprache hören und im Kindergarten zu wenig mit anderen Kindern zusammen sind, die Native Speaker Deutsch sind, bekommen sie schnell Probleme.
200 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 15 Jahren werden jedes Jahr in KURIER-Lernhäusern betreut
Neun Standorte
Mittlerweile bietet das Bildungsprojekt bereits an neun Standorten in Wien, Niederösterreich und Tirol kostenlose Lernhilfe und Nachmittagsbetreuung an. Betrieben werden die KURIER-Lernhäuser vom Projektpartner, dem
Österreichischen Rotes Kreuz. Während der Lockdowns arbeiteten die Lernhäuser vor allem über digitale Kanäle mit den Kindern. Derzeit stellen sie Schritt für Schritt wieder auf Präsenzbetrieb um – mit wenig anwesenden Personen in den Räumlichkeiten, ausreichend Abstand und den nötigen Hygienemaßnahmen
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