Leben

Königin der Krimis: Agatha Christie

Der Nil, die Pyramiden, jahrtausendealte Tempel und farbenfrohe, nach Gewürzen duftende Märkte – der Zauber des Orients wird in der Neuverfilmung eines wohlbekannten Agatha Christie-Klassikers praktisch spürbar: Rechtzeitig zum 130. Geburtstag der „Queen of Crime“ hat es die Neuverfilmung von „Tod auf dem Nil“ nun doch noch in die Kinos geschafft. Und ein schöneres Geburtstagsgeschenk kann man sich kaum vorstellen.

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Ein Star-Ensemble um Regisseur und Hauptdarsteller Kenneth Branagh, „Wonderwoman“ Gal Gadot, Annette Bening, Rose „Du weißt gar nichts, Jon Snow“ Leslie – und atemberaubende Breitbild-Aufnahmen der ägyptischen Landschaften und des luxuriösen Kreuzfahrtschiffs auf dem legendären Fluss, auf dem man sofort einchecken möchte.

Nach dem „Mord im Orientexpress“ hat Shakespeare-Mime Kenneth Branagh nun schon den zweiten Roman der britischen Autorin auf die Leinwand gebracht. Warum? „Weil sie literarisch noch immer maßlos unterschätzt wird“, erklärte Branagh vor Kurzem dem britischen Guardian. Dass es mit zwei Filmen noch lange nicht getan sein dürfte, deutete er ebenfalls an: „Agatha Christie hat mit und für Hercule Poirot eine ganze Welt erschaffen, gerade so wie Dickens! Das eröffnet noch  so viele Möglichkeiten, man könnte daraus ein echtes filmisches Universum schaffen.“

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Die Liebe zum Orient

Ägypten war übrigens tatsächlich eines von Agatha Christies großen Sehnsuchtsländern, eine Liebe, die sie mit anderen wohlhabenden Briten ihrer Generation teilte, die bei ihr allerdings noch tiefer ging. Schon mit 17 verbrachte sie gemeinsam mit ihrer kränklichen Mutter lange Monate in Kairo, unternahm Ausfahrten auf dem Nil, besuchte, damals freilich noch unter Druck der bildungsbürgerlich engagierten Mutter, die Pyramiden und Tempel.

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Agatha Christie sollte immer wieder in den Nahen Osten reisen. Während des Ersten Weltkriegs beschrieb sie, wie sehr sie Syrien vermisse, die Kultur, die Gastfreundschaft der Menschen.  Und es war auf einer Reise nach Bagdad, die sie völlig alleine unternommen hat, auf der sie ihren zweiten  Ehemann, den Archäologen Max Mallowan, kennenlernte. Später begleitete sie ihn nach Ur, Nimrod, Ninive, Shiraz ...  Mit „Come Tell Me How You Live“ schrieb sie sogar ein von Archäologen geschätztes Sachbuch über die Ausgrabungen ihres Mannes.

Vom Nahen Osten inspiriert sind etliche ihrer Bücher, „Mord in Mesopotamien“ etwa oder „Der Tod wartet“, der Detektiv Hercule Poirot nach Jerusalem und in die mystische Felsenstadt Petra bringt. Die beschwerlichen Reisen, Zug- und Busfahrten, die sie in Kurzgeschichten wie „Das Tor nach Bagdad“ oder „Das Haus in Shiraz“ beschreibt, hat sie tatsächlich erlebt.

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„Sie war keine zimperliche Frau, nicht so zerbrechlich, wie man vielleicht glauben möchte“, beschreibt Agatha Christies einzige Tochter, Rosalind Margaret Clarissa, ihre Mutter.   „Sie war wagemutig auf ihre Art. In den 1920ern als Frau allein durch ganz Europa und den Orient zu reisen – das haben sich nicht viele getraut.“

Auch später, an der Seite ihres Archäologen-Ehemannes, ließ sie sich durch widrige Umstände nicht aus der Ruhe bringen: „Die Straßen waren schrecklich, man fiel von einem Schlagloch ins nächste, aber Agatha beschwerte sich nicht ein Mal“, erinnerte sich Robert Hamilton, der Expeditionsleiter ihres Mannes, später an die berühmte Schriftstellerin. „Hitze, Wassermangel, Insekten, Schlangen, Nächte in zugigen Zelten – ihr Durchhaltevermögen war phänomenal.“

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„Die Unterscheidung der Geschlechter ist lächerlich“, schrieb die nicht wirklich als Feministin bekannte englische Dame 1948 selbst zum Thema „Frauen“. „Es stimmt aber auch einfach nicht, dass die moderne Frau eine sachlich rationale Einstellung haben muss. Manche Frauen sind sachlich, und manche nicht. So wie manche Männer sentimental und schusselig sind, und manche logisch und scharfsinnig. Es gibt keine Unterscheidung in Geschlechter, nur unterschiedliche Gehirne.“

Ausgangspunkt für die meisten Orient-Reisen Agatha Christies, egal ob alleine oder mit männlicher Begleitung, war übrigens immer der „Orient Express“. In Istanbul machte sie regelmäßig einige Tage Station, auch diese Stadt liebte sie.

Mrs. Christie, Surfer Girl

Reisen war für die Tochter aus gutem  Hause von jeher eine Leidenschaft. Mit ihrem ersten Mann, dem feschen Royal Airforce-Offizier Archie Christie, unternahm sie in den 1920ern überhaupt eine waschechte Weltreise. Christie hatte gerade ihren zweiten, von der Kritik gefeierten Roman „Ein gefährlicher Gegner“ herausgebracht, als sie im Auftrag der „British Empire Exhibition“ eine Tour durch die gesamte – zumindest ehemals britische – Welt machten.

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Die führte sie in zehn Monaten von Südafrika über Australien, Neuseeland und Hawaii nach Kanada. Besonders stolz war Agatha Christie darauf, dass sie in Südafrika surfen lernte, und die Technik später in Waikiki perfektionierte. Als „vielleicht erste Britin“, wie sie später meinte, stand sie elegant und durchaus wagemutig auf den Brettern in der tropischen Inselbrandung.

Nur die Sache mit Ehemann Archie verlief nicht wirklich elegant ...

Agatha, verzweifelt gesucht

Der schneidige Offizier fiel vermehrt durch Affären auf, wollte sich schließlich scheiden lassen, um seine Geliebte zu heiraten. Und plötzlich verschwand Agatha Christie. Es war der 3. Dezember 1926, als sie nach einem Streit mit Archie in ihren Morris Cowley stieg und davonbrauste. Am nächsten Tag wurde das Auto in der Nähe eines Steinbruchs am Straßenrand geparkt gefunden, ungetragene Kleidung der inzwischen berühmten Schriftstellerin auf dem Rücksitz, aber von ihr selbst fehlte jede Spur.

Ganz England hielt den Atem an. War die Queen of Crime selbst in einen Kriminalfall verwickelt? War sie gar das Opfer?! Eine Zeitung bot 100 Pfund Sterling als Belohnung für Hinweise, mehr als 1.000 Polizisten und an die 15.000 Freiwillige formten Suchtrupps und befragten mögliche Zeugen und praktisch jeden Bewohner der Umgebung – aber alles war umsonst. Nicht der kleinste Hinweis auf das Schicksal von Agatha Christie.

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Elf Tage dauerte die Aufregung. Dann fand man sie schließlich doch. Unter dem Namen Mrs. Neele hatte sie in einem Hotel in Yorkshire ein Zimmer bezogen. Neele war der Nachname der aktuellen Freundin ihres Mannes. Die Familie gab keine Stellungnahme zu diesem Fall ab, Agatha Christie selbst auch nicht. Sogar in ihrer Autobiografie ließ sie die Episode unerwähnt.

Agatha Christies Lebensmänner

Nach der Scheidung heiratete ihr Ex die echte Mrs. Neele, und nach einer zurückgezogenen Phase mit „gekappten Telefonleitungen und verschlossenen Türen“ auf ihrem Anwesen rückte Agatha Christie ihr Reise-Sakko zurecht und machte mit ihrer achtjährigen Tochter einen Segeltörn zu den Kanarischen Inseln. „Alles kam, Trauer, Leid, ein gebrochenes Herz. Aber es gibt keinen Grund sich damit noch länger aufzuhalten“, schrieb sie darüber durch und durch britisch in ihren Memoiren.

Ein Jahr später saß sie dann als knapp Vierzigjährige im Orient Express Richtung Bagdad. Die Ehe mit ihrem zweiten Mann Max Mallowan hielt bis zu ihrem Tod im Jahr 1976. „Ein Archäologe ist der beste Ehemann, den eine Frau haben kann“, schrieb sie selbst darüber: „Denn je älter sie wird, desto mehr ist er interessiert an ihr.“

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Ein anderer Mann begleitete Agatha Christie ebenfalls – fast – bis zu ihrem Tod. Ein kleiner, eierköpfiger belgischer Detektiv mit einem absurd großen schwarzen Schnauzbart: Hercule Poirot. In ihrem ersten Roman trat er 1920 das erste Mal in Erscheinung, 1975 ließ sie ihn, den sie selbst hin und wieder „unausstehlich“ nannte,  in „Vorhang“ nach einem perfekten Mord, friedlich entschlafen. Die New York Times gestaltete ihre Seite 1 als Todesanzeige für den legendären Ermittler.

Nur ein Jahr später starb auch die große Königin des Krimis in ihrem Haus in Winterbrook.

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ZAHLEN, FAKTEN UND REKORDE

Mehr als 2 Milliarden Bücher machen Agatha Christie zur meistverkauften Roman-Autorin aller Zeiten. Nur die Bibel und Shakespeares Theaterstücke wurden noch öfter verkauft.

66 Kriminalromane, 14 Kurzgeschichtensammlungen, 17 Theaterstücke und 6 Liebesromane unter dem Pseudonym Mary Westmacott. Es dauerte 20 Jahre, ehe herauskam, dass sie hinter diesem Namen steckt.

Eines ihrer Theaterstücke, „The Mousetrap“, wird seit 1952 ohne Unterbrechung in einem Theater im Londoner West End gespielt und ist damit das langlebigste Theaterstück der Welt.

6 Verlage lehnten ihren Debüt-Roman „Das fehlende Glied in der Kette“ ab. Es dauerte 5 Jahre, bis sie schließlich einen Verleger fand. Geschrieben hat sie ihn nur, weil ihre Schwester gewettet hatte, dass sie keinen Roman schreiben könnte. Sie erhielt ein Honorar von 25 Pfund.

100 Millionen Exemplare machen „Und dann gab’s keines mehr“ („Last Weekend“) zum meistverkauften Krimi der Welt.