Leben

Schönheit, Scheinwelt, Schicksal

Alle Höhen und Diven – so müsste das „Who was Who?“ der Angebeteten und Außerirdischen unter den Fabelwesen des Films lauten. Was sie eint: Sie waren zu allem bereit, fähig und begabt – nur nicht zum Glücklichsein. Wie Marilyn Monroe (1926–1962). Als Kind von der Mutter weggelegt. Auf der narbenreichen Wanderschaft zwischen Pflegeeltern und Waisenhäusern hörte sie so manches, aber nie: „Du bist hübsch! Das soll man aber allen kleinen Mädchen sagen, auch wenn’s nicht stimmt.“ So rächte sie sich später am Rest der Welt mit Unausstehlichkeit, Unberechenbarkeit und Unpünktlichkeit: „I’ve been on a calendar (und auf dem Cover des ersten „Playboy“, 1953, Anm.) – but never on time.“ Ein zeitloser Zynismus. Aber sie rächte sich vor allem an sich selbst. Auf ihrer lebenskurzen Suche und Sucht nach Liebe oder wenigstens Respekt – ob beim arroganten Arthur Miller, dem Drama-King, der die Drama-Queen demütigte, oder bei beiden erotomanischen Kennedy-Brüdern Jack und Bob – warf sie neben der Seele auch ihren Körper in einer gesunden Mischung aus wundem Weltschmerz und wilder Wollust in die Waagschale. Ihr Hilfeschrei: „Karriere ist etwas Herrliches, aber man kann sich nicht in einer kalten Nacht an ihr wärmen.“

Wer Marilyn nachlief, ließ sie kalt. Wen sie selbst begehrte, für den verbrannte sie. Dabei war „Sex für sie die unkomplizierteste Art, Danke zu sagen“, berichtete ein Hollywood-Agent lapidar.

Was frappant an Grace Kelly (1929-1982) gemahnt. Die höhere Tochter kultivierte niedere Instinkte. Aber: Wer werfe den ersten Edelstein? Als Griechenlands Tanker-Tycoon Onassis dem monegassischen Fürsten vor 60 Jahren finanziell auf die Beine helfen wollte, riet der fromme Hellene seinem schrulligen Spießgesellen Rainier III. (Anrede wohl: „Eure Insolvenz“), sich doch irgendeinen Hollywoodstar zu angeln: „Suche Mittel, biete Titel!“ Womöglich mit weniger Typen auf dem Tacho und keinen Tonnen von Tabletten im Traum-Body (wie die Monroe), aber dafür mit betuchtem Elternhaus. Kurzum: Mitgift statt „mit Gift“. So stieß man, praktisch aus dem Kinoprogramm, auf jene Schauspielerin, die „so gerne weiße Handschuhe trug, obwohl sie alles andere als eine Heilige war“ (wie Regie-Ikone Henry Hathaway befand). Kellys eigener Agent wunderte sich damals schon über sein nymphomanisches Nugget im Portfolio: „Seltsam – sie schläft noch immer mit jedem Regisseur und jedem Hauptdarsteller, obwohl sie es doch längst geschafft hat!“ Ihr reicher Vater, ein Baulöwe aus Philadelphia, zahlte unwillig zwei Millionen Dollar (heute gut das Zwanzigfache an Wert) Eintrittsgebühr in die Ehe mit einer, wie er knurrte, „bankrotten Operettenfigur, die meiner Tochter nicht einmal bis zur Brust reicht“. Und das alles lebenslang verurteilt – vom Linsengericht der Paparazzi – zum täglich veröffentlichten Dasein in gnadenlosen Erschlagzeilen und Seelen-Röntgenbildern. Dabei hatten die Grimaldis die Geister mit der langen Brennweite höchstselbst gerufen: Als Monaco, diese zwei Quadratkilometer Paradies für Piraten und Parvenüs aller Gewichtsklassen, in den Fifties noch klamm darniederlag, hatten Gracia und Rainier Exklusiv-Fotos ihrer Erstgeborenen, Caroline (*1957), auf dem Eisbärenfell für sieben Millionen Francs (heute etwa 1 Mio. Euro) an französische Illustrierte verscherbelt.

Alle Inhalte anzeigen

Bleiben wir bei den Blondinen, also beim Wasserstoff, aus dem die (Männer-)Träume sind: Doris Day („jüngst“ 90) entzog sich – wie die Dietrich oder die Garbo – der Schmach, öffentlich zu verfallen und blieb daher ein Mythos nach dem Reinheitsgebot des prüden Nachkriegs-Amerika, wonach die Leinwand im Lichtspiel noch senkrecht, nicht waagrecht gespannt wurde. Also aus jenen Tagen, als Sex noch im Kopf und nicht im Kino stattfand (Küsse etwa wurden von der Zensur handgestoppt und durften keine zehn Sekunden überschreiten). Da war Day die Biederfrau im Kampf gegen die Brandstifter. Titel ihrer Karriere: Von einer, die auszog, aber sich nie auszog. In ihren 39 (Erfolgs-)Filmen war sie so anzüglich wie hochgeschlossen und galt als blondes Gegen-Gift zu aggressiv surrenden Sirenen à la Jayne Mansfield. Frank Sinatra ätzte: „Doris Day ist die einzige Frau, die unter ihrem Slip noch einen trägt.“ Woran der ebenso große Komiker wie gallige Misogyn (Frauenverächter) Groucho Marx übrigens zweifelte: „Ich kannte sie schon, bevor sie eine Jungfrau war.“ Ihr größtes Glück fand sie beim „Bettgeflüster“ (USA 1959) mit ihrem homosexuellen Traumpartner Rock Hudson (†1985), der ihr zwar nahe ging, aber nie an die Wäsche: „Wenn es einen Himmel gibt, dann bin ich sicher, dass er dort ist.“ Nach vier Ja-Worten, die sie scheibchenweise außer ihren letzten Nerven schließlich noch das letzte Geld kosteten, wusste sie: „Die Ehe ist wie ein Telefon – wenn man nicht richtig gewählt hat, ist man falsch verbunden.“

Der Wappenspruch von Cher (Teile von ihr wurden grade 68) hingegen lautete, angesichts junger wohlgeratener Typen, die ihr einen Blick verliehen wie ihn ein Frosch zeigt, der von Fliegen umschwirrt wird: „Wascht ihn und bringt ihn in mein Zelt.“ Der Altersunterschied ist dabei Kalkül: „Die jungen Männer wurden von Frauen wie mir erzogen. Männer meines Jahrgangs hatten meist Mütter, die sie verleugnen mussten.“ Marlene Dietrich (1901–1992) hielt wenig von Sex mit Männern, außer sie sah den Silberstreif eines Karrieresteps (ihre Tochter Maria Riva enthüllte in ihrer gnadenlosen Abrechnung: „Sie bevorzugte Fellatio – damit hatte sie die Situation im Griff“). An ihrer unbeteiligten Teilnahme an der Kopulation zerbrachen Legionen von Liebhabern, am bedauernswertesten ihr größter Mentor, der ihr hoffnungslos verfallene Erich von Stroheim. Die buchstäblich große Ausnahme könnte freilich Frank Sinatra gewesen sein. Ihn nannte die Dietrich „den Mercedes unter den Männern“. Zur Erhärtung dieser These sei Ava Gardner, Franks Lebensliebe, als Zeugin in Erinnerung gerufen. Als ihr ein Regisseur, Western-Haudegen John Ford, ihre Partnerwahl (den leichtgewichtigen, aus der Mode geratenen Ex-Teenie-Star) höhnisch vorwarf: „Was willst du mit dem? Der wiegt ja höchstens 60 Kilo!“, da schmunzelte sie nur: „Nein, er wiegt nur 50 Kilo – zehn Kilo wiegt allein sein bestes Stück.“

Ähnliche Wunder-Dinge erzählte man sich über Richard Burton (1925–1984), der niemals von Liz Taylor (1932– 2011) loskam. Sie liebten und sie schlugen sich, sie soffen und sie stritten, als ginge es um olympisches Gold. Abscheu und Ekel waren so gewaltig – das Albtraumpaar konnte sie lange Zeit nur mit Sex bekämpfen. Bis die Farce zum Überlaufen kam. Beim zweiten und letzten Ehe-Versuch musste ihr britischer Butler schwedische Pornomagazine ins Schweizer Chalet anliefern, damit der Bewegungsmelder im Schlafzimmer ausschlug. Aber, wie sagte Liza Minnelli (68)? „Auch Ehemänner können gut im Bett sein – besonders, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben.“

Romy Schneider (1938–1982), die just in Alain Delon den Mann suchte – und letztlich als Verstoßene auch fand –, der sie „gewaltsam in die Knie zwingt und mich bis auf die Knochen zerstört“, erkannte in ihrer tödlichen Einsamkeit ihr Schicksal: „Ich kann alles auf der Leinwand, aber nichts im Leben.“ Frankreichs „Narziss und Schmollmund“, Brigitte Bardot (heuer wird sie 80), resümierte früh: „My heart is french, but my ass is international.“ Darunter litt auch ihr zweiter Ehemann, Schauspielkollege Jacques Charrier: „Man kann nicht für sich alleine haben, was dem ganzen Land gehört. Ob es sich nun um die Bardot oder den Camembert handelt.“ Seit die Männer nicht mehr vor ihr robben, schützt sie die Robben vor den Männern. Sagte sie einst auf die Frage nach ihrem schönsten Tag „Das war eine Nacht“, änderte sich ihr Leben nach dem Film wie Tag und Nacht. Sie scharte Aberdutzende von herrenlosen Kreaturen um sich, zog aber rechtspopulistisch gegen „Überfremdung, Islamisierung und Unterwanderung Frankreichs“ zu Felde. Was wohl auch die bittere Beweisführung zulässt: Tierschutz tarnt gern Menschenverachtung.

Eine berühmte Anekdote zum „Showdown“: Angeblich saßen einmal Marilyn Monroe und Albert Einstein bei einem Galadinner nebeneinander. Sie soll ihn dabei angeflirtet haben: „Stellen Sie sich vor, wir beide hätten ein Kind – so schön wie ich, so klug wie Sie!“ Darauf er: „Ja, aber stellen Sie sich vor, es wäre genau umgekehrt ...“ Schlag nach bei Ebner-Eschenbach, die (sinngemäß, aber unwiderlegbar) erhob: „Eine kluge Frau hat Millionen geborener Feinde – alle dümmeren Männer.“ Wobei im gegenständlichen, womöglich gar fiktiven, Fall mit „dümmer“ doch nur die emotionale Intelligenz gemeint sein konnte. Oder? Nun: Über das Ausmaß der äußerlichen Anmut Einsteins ließen sich relativ viele Theorien anstellen, aber nach übereinstimmenden Befunden von Experten lag ihr Intelligenzquotient (168) zweifelsfrei deutlich über seinem (148). Welch Jahrhundert-Irrtum über zwei Jahrhundert-Phänomene! Das Sexsymbol schlägt das Synonym für Genialität.

- Marilyn Monroe