Leben

Hanno Pöschl zum 70er: "Meine Lieblingsrolle ist die Schaumrolle"

Servus Hanno!“ Jeder Gast, der das „Kleine Café“ in Wien betritt, kennt den Wirt persönlich. Der hebt die Hand, nickt kurz mit dem Kopf  oder bellt ein wienerisches „Servas!“ in den Raum. Hanno Pöschl ist aber auch abseits seines Cafés bekannt wie ein bunter Hund. Der „echteste Wiener“ nach Mundl Sackbauer hat nämlich auch als Filmschauspieler und am Wiener Burgtheater für Furore gesorgt. „Ich habe mit dem Beruf aber abgeschlossen“, klärt Hanno Pöschl, Jahrgang 1949, gleich die Fronten. Trotzdem widmet ihm die „Diagonale“, renommiertes Festival des österreichischen Films, zum 70er eine Filmreihe. Da kann Vergangenheitsbewältigung nicht schaden. Wir fragen, Pöschl antwortet: freimütig,  direkt, schonungslos!

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 Herr Pöschl, Sie werden am 2. Juli 70 Jahre alt ...

Lass ma des!

Sie sind im Sternzeichen Krebs. Die sind ja sensibel.

Ich bin nicht sensibel, ich bin empfindlich.

Was bereuen Sie, wenn Sie an Ihr bisheriges Leben zurückblicken?

Dass ich zum Rauchen ang’fangen hab’, das bereu’ ich wirklich!  

Sie brauchen doch nur aufzuhören, wenn es Sie so stört.

Das ist ja das Gemeine. Es ist eine ganz bösartige Droge, die sich einschleicht und auf einmal ist man abhängig.

Warum haben Sie begonnen? Aus Stressgründen beim Film?   

Ich habe Millionen Zigaretten geraucht, aber Stress baut sich da nicht ab. Da könnt’ ich genauso gut sagen, ich steck den Finger zum Stressabbau in ein Glasl Wasser.  

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Dass Ihnen die „Diagonale“ zum 70er eine Filmreihe widmet stresst sie auch nicht, oder?

Ich persönlich habe ja mit dem Beruf nichts mehr zu tun und mit Film, Fernsehen und Theater abgeschlossen. Also bin ich eigentlich falsch besetzt. Aber natürlich ist das eine große Ehre. Ich habe gute und schlechte Filme gemacht. Aber das hat ein Robert De Niro auch. Aber es geht ja jetzt um mich und nicht um ihn.

Hatten Sie eine Vorahnung, wenn eine Produktion einmal nicht so gut gelungen ist?

Jeder Regisseur will einen guten Film machen, aber manchmal geht es sich halt nicht aus. Aber natürlich sagt keiner: „Bitte spiel mit. Ich hab’ vor, einen schlechten Film zu machen.“

Warum haben Sie dem angeblichen Traumberuf 2008 den Rücken gekehrt?
Da gibt es mannigfaltige Gründe. Einer davon ist, dass ich nicht so gut bin, wie ich sein sollte.

Als Schauspieler meinen Sie?

Na, als Tischler! Natürlich als Schauspieler! Ein anderer Grund ist, dass die Gagen gedrückt werden und die Arbeitsbedingungen schlechter waren als gedacht. Ich will auch nicht  mehr in die Öffentlichkeit und bin mir in der Hinsicht nicht treu geblieben.

Jetzt haben Sie mich an der Backe ...

Naja, des überleb’ ich.

Ich habe mir im Vorfeld fünf Ihrer Filme angesehen. Das war sozusagen eine Pöschl-Überdosis.

Ich hoffe im Schnelllauf.

Manche Filme waren toll, bei anderen wie „Exit“  ist der Humor heute ein anderer. Und in manchen wie in „Der  Stille Ozean“ wird kaum gesprochen. Wie sehen Sie Ihre Filme heute?

Es stimmt, dass die Texte in den Filmen oft sehr gering sind. Aber es geht ja um das Bild, es ist ja kein Hörspiel. Nur bei Kriminalfilmen kommt die Erklärdramaturgie dazu, wenn der Kommisar erläutert, wie er den Mörder gefasst hat. Das ist langweilig, aber was soll's!

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Hatten Sie je eine Lieblingsrolle?

Meine Lieblingsrolle ist die Schaumrolle. Das können Sie gerne zitieren.

Ich frage deshalb, weil Sie später immer öfter als Strizzi besetzt wurden. Haben Sie sich in der Rolle wohlgefühlt?

Prinzipiell sollte man sich in keiner Rolle wohlfühlen. Das ist kein Wohlfühlunternehmen. Du musst zweifeln, wach sein, musst kämpfen. Wenn man sich in einer Rolle wohlfühlt, lehnt man sich zurück. Zurücklehnen kann ich mich im Zug, in der ersten Klasse.

Und der Strizzi?

Ich habe das gut gekonnt von meiner Körperlichkeit her, habe immer Boxen trainiert und konnte mich gut bewegen. Und ich war viel nachts unterwegs, auch durch die Gastronomie bedingt. Eine Sekretärin geht um fünf  ja auch nicht heim, sondern noch auf einen Prosecco. Wir sind eben um zwei, drei Uhr Früh noch auf einen Absacker gegangen. Da lernt man, so etwas zu beobachten. Würden Sie mich als Landpfarrer besetzen?

Vielleicht mit kürzeren Haaren.   

Landpfarrer haben auch lange Haare. Da gibt es meines Wissens keine Frisurenvorschriften.

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Da haben Sie auch wieder recht. Sie waren zwar nie Pfarrer, aber haben dafür eine Konditorlehre abgeschlossen. Später waren Sie   Wagenwäscher, Asphaltierer, Kerzenerzeuger ... Das sind ganz schön viele Berufe, oder?

Das Meiste habe ich halt kurzfristig ausprobiert. Ich wollte schauen, wie das ist in der Arbeitswelt und im Proletariat.  

Aufgewachsen sind Sie aber im Wiener Nobelbezirk Hietzing.

Döbling. Aber das ist genauso Oasch!

Woher kommt es dann, dass man sich für das Proletariat interessiert?

Vielleicht weil ich das zuhause nicht erlebt habe. Da versucht man es eben auch als Tankwart oder Wagenwäscher. Aber das sind ja keine Berufe.

Es soll Menschen geben, die das ihr Leben lang machen.

Es gibt auch Menschen, die ihr ganzes Leben nix tun! Ich habe mich dann halt fürs Kochen entschieden, weil mich das interessiert hat. In die Schule wollte ich nicht gehen und die anderen wollten das auch nicht. Der Stephansdom war nach meinem Schulabbruch hell erleuchtet von den vielen Kerzen, die meine Lehrer angezündet haben.  

Woher kam Ihre Kochleidenschaft?

Das weiß ich nicht. Da kann ich Sie auch fragen: Wieso san Sie Journalistin?

Weil mich Menschen interessieren.

Sehen Sie und mich interessiert das Kochen. Nachdem ich selbstständig geworden bin, kam mir aber die Schauspielerei dazwischen – obwohl ich gut gekocht habe! Aber nie so gut wie ein Gerer oder  Petz. Als ich deshalb einmal wehmütig war, sagte meine Frau: „Wo hast du mehr verdient? Beim  Film oder in der Küche?“

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Denken Sie noch an die Schauspielerei?

Sehr gerne. Ich war einmal mit meiner Frau im Burgtheater, um mir „Liliom“ mit dem Ofczarek anzusehen. Das war damals auch mein erstes Stück an der Burg. Darauf wurde ich an diesem Abend oft angesprochen. Beim Heimgehen hat meine Frau gesagt: „Du hast so tolles Feedback gekriegt. Willst das nicht wieder machen?“ Für mich war aber das Schönste, nach dem Stück ohne Sehnsucht nachhause zu gehen. Ich möchte mich dem nicht mehr aussetzen. Ich habe die Kraft nicht mehr.

Was hat Sie die meiste Kraft gekostet?  

Mein ganzes Leben war ein Kraftverschleiß, in der Freizeit und in der Arbeit. Ich hab nie largiert, wie man in Wien so schön sagt. (Anm.: „owezahn“)

In der Sky-Serie „Der Pass“ bestellt der Schauspieler Nicholas Ofczarek  im Gasthaus „a Bier mit an Beiwagerl“. Das sagt Ihnen im allerersten Moment ganz sicher mehr als einem Nicht-Wiener.  

Das Beiwagerl ist ein Schnaps.

Der Dialekt als Fremdsprache – welche Wiener Wörter gibt es noch?

Die Wiener Sprache existiert ja nicht mehr. Es existieren nur noch die Melodie und die Betonungen –  wie bei den Tirolern das "ckkkkkk", das klingt wie ein Transistorradio mit schwacher Batterie. Aber gut, probier ma’s! Napetzn tut man am Lottermann mit an Kaprizerl. Das versteht die heutige Jugend gar nicht mehr. Napetzn ist ein Nachmittagsschlaferl, der Lottermann eine Couch und das Kaprizerl ist ein kleiner Polster. Mittlerweile wird das Wienerische nur noch erfunden, wie „a Eitrige mit an Bugl und an Sechzehnerblech“. Das ist konstruiert, denn die Käsekrainer ist ja nicht sehr alt, maximal 30, 40 Jahre. Und zum Bugl hat man Scherzerl gesagt. Das Sechzehnerblech kommt von der Ottakringer Brauerei, die im 16. Bezirk steht.

Sie haben als Kind nicht immer in Wien gelebt, sondern auch einige Zeit in Tirol und meinten in unserem Vorgespräch: Man wolle dort nicht mal tot über dem Zaun hängen. Was ist passiert?

Naja, das ist so ein Sager, den man nicht so ernst nehmen darf. Aber wenn Sie als 13-jähriger Wiener nach Tirol kommen sind die Ansässigen naturgemäß nicht begeistert davon. Am Anfang war es schwer, man wird beleidigt. Aber nach dem dritten, vierten Mal habe ich gesagt: „Hast du schon gehört, dass man Nasenbluten nicht einfach so bekommt, sondern es einen Auslöser gibt?“ Das hat mir geholfen.

Warum waren Sie in Tirol?

Weil wir Verwandte dort hatten und meine Mutter mich von den schlimmen Buben in meinem Freundeskreis wegbringen wollte. Das ist natürlich kläglich gescheitert.

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Darf ich noch mal vorsichtig nachfragen, Wie Sie Ihren Geburtstag feiern werden?

Gar nicht! Ich werde mit meiner Frau etwas Gutes essen. Aber das machen wir ja jeden Tag. Ich habe meine großen Partys schon gehabt, außerdem leben viele meiner Freunde nicht mehr. Und mit anderen, die noch leben, will ich nicht feiern. Ich stehe dem Tag wirklich gelassen gegenüber.

Sind denn aus Ihren Schauspiel-Zeiten nicht viele Freunde übrig geblieben?

Das ist doch  Arbeit! Wenn der letzte Tag zu Ende ist, sagt man „Servus und auf Wiedersehen!“ Das Wiedersehen  gibt es dann meistens nicht.

Das ist doch irgendwie schade.  

Gute Schauspieler müssen Egomanen sein. Da ist selten Platz für Freundschaften. Schauen S’: Der Tischler beschäftigt sich mit Holz, der Koch mit Fleisch, Gewürzen und Elementen wie Wasser und Feuer. Und der Schauspieler beschäftigt sich in erster Linie mit sich selbst. Womit soll er sich auch sonst beschäftigen? Das liegt in der Natur der Sache.

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Hanno Pöschl, 69, wurde 1949 in Wien geboren. Er brach die Schule ab und absolvierte eine Konditorlehre. 1970 machte er sich selbstständig und eröffnete sein Lokal „Kleines Café“ am Franziskanerplatz in Wien, das er bis heute besitzt. Parallel absolvierte er eine Schauspiel-Ausbildung und war ab 1974 am Wiener Schauspielhaus tätig. 1992 gab er im Stück „Liliom“ sein Debüt an der Burg. Pöschl machte auch Film-Karriere und spielte 1979 in Maximilian Schells „Geschichten aus dem Wienerwald“ seine erste große Rolle. Das ist einer der Filme, die anlässlich Pöschls 70ers bei der „Diagonale“ gezeigt werden. Der Schauspieler a. D. ist in zweiter Ehe mit der Köchin Andrea Karrer verheiratet und hat einen Sohn.

Info: Die „Diagonale“ findet von 19. bis 24. März in Graz statt und widmet Ausnahmeschauspieler Pöschl 2019 ein "Zur Person".

www.diagonale.at