Martinigansl: So gelingt der Braten daheim
Von Gabriele Kuhn
Heiliger Martin - die Gans ihm zu Ehren. Der Braten rund um den 11. November hat lange Tradition.
Brauchtum
Martinus wurde im Jahr 316 in Ungarn geboren. Mit 18 Jahren teilte er, so die Legende, seinen Mantel mit einem frierenden Bettler. 371 wurde er zum Bischof von Tours an der Loire gewählt. Es heißt, er habe sich in einem Gänsestall versteckt, um einer möglichen Kür zu entgehen. Durch das Geschnatter der Vögel sei sein Aufenthalt jedoch verraten worden. Der Überlieferung nach war Martin ein glaubwürdiger Bischof. Er starb am 8. November 397 in Candes, der Tag der Grablegung am 11. November wurde zum Gedenktag. Kinder mit Lichterlaternen und Lampions feiern ihn mit Umzügen, die Eltern essen traditionell Gansl und trinken dazu jungen Wein.
Ab wie gelingt der knusprige Braten? Die Martinigans darf nicht im Magen liegen, muss aber schmecken. Die Dos und Don’ts für den Martinischmaus daheim – von Experten und Köchen.
Herkunft ist alles
In vielen Ländern werden Gänse nach wie vor gestopft und lebend gerupft. In Österreich ist das verboten. „Wenn es Gans sein muss, empfehlen wir die österreichische Weidegans, bei der die Tiere im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut gehalten werden“, sagt Martin Bauer, Sprecher der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“. „Allerdings decken heimische Weidegänse den Bedarf in Österreich nur zu 25 Prozent“, sagt Stefan Schartner, Küchenchef im „Hotel Steigenberger Herrenhof“ Wien. Er ordert in einem ungarischen Betrieb, der die Tiere artgerecht züchtet und hält – Vier-Pfoten-geprüft. Die Organisation bietet für ungarische und polnische Betriebe eine Positivliste.
Dos: Nur Weidegänse aus artgerechter Haltung kaufen! Auf die Herkunft achten: EWG-Nummer (=Deklaration/Identifikation der Produktionsstätte bei tierischen Erzeugnissen) genau kontrollieren, im Restaurant nachfragen. Weigert sich der Wirt oder reagiert mit Ausreden, liegt der Verdacht nahe, dass ein Produkt aus tierquälerischer Haltung verwendet wird.
Don'ts: Unkritisch sein. „Auch auf Märkten und in Fleischereifachgeschäften ist Vorsicht angebracht. Wer denkt, hier kommen die Enten und Gänse nur aus Österreich, irrt. Oft wird unverpacktes, frisches Geflügel aus Stopfmast oder Lebendrupf verkauft“, heißt es bei „Vier Pfoten“. Was Tiefkühlware betrifft, orientieren sich die meisten Handelsketten in Österreich beim Einkauf der Gänse ebenfalls an der Vier Pfoten-Positivliste.
Die Kunst des Würzens
„Die Gans wird innen und außen mit Salz und Gewürzen eingerieben“ sagt Christian Wanek, Chef von „Rudis Beisl“ in Wien-Margareten. Er verwendet Majoran, Kümmel, auch Liebstöckl. Roman Artner, Küchenchef im Restaurant „Pichlmaiers Zum Herkner“ in Wien Hernals, würzt die Gans einen Tag vorher und steckt den Majoran in den Bauch, damit er beim Braten nicht verbrennt. Die Füllung verleiht der Gans ihr Aroma, da sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Klassisch: Äpfel oder Maronen. Alternativ: getrocknete Früchte oder Orangen, die der Gans Fruchtigkeit verleihen.
Dos: Kreativer ist es, seine eigene Würzmischungen zusammenzustellen, Beifuß (Gänsekraut) macht die Gans bekömmlicher, ebenso wie Ingwer, der ihr eine leichte Schärfe verleiht.
Don'ts: Zu wenig würzen, zögerlich beim Salzen sein: „Keine Angst vor der Gans“, sagt Küchenchef Roman Artner und rät, das Salz intensiv in die Haut einzumassieren. Beim Beifuß aufpassen: Das Gänsekraut schmeckt leicht bitter.
So bleibt die Gans saftig
„Eine Gans muss mit viel Feuchtigkeit gebraten werden“, sagt Christian Wanek. Da kommt es auch auf den Ofen an. In modernen Kombigeräte mit Dampf und Hitze ist das einfacher. Sonst kann man es wie Wanek machen, der einst seine Gänse in einem Ganslsud vorgekocht hat. „Dann erst kamen sie ins Rohr, mit dem Sud wurde der Saft zubereitet. Das Vorkochen reduziert die Bratzeit, dadurch wird die Gans nicht trocken“ , sagt er.
Dos: Gans vorkochen, blanchieren oder im Dampfbackofen braten. Roman Artner schmiert die Gans vor dem Braten mit Ganslfett ein, „weil das die Haut am Anfang vor der Hitze schützt“.
Don'ts: Zu lange oder zu kurz im Rohr lassen, ohne Feuchtigkeit braten. Die Gans nicht sofort aus dem Rohr nehmen, stattdessen noch eine halbe Stunde im Rohr ohne Temperatur ruhen lassen, damit sich das Fleisch entspannen kann.
So wird die Haut knusprig
Christian Wanek tranchiert die Gans und brät sie mit der Hautseite nach oben nochmals bei Umluft und viel Hitze (ca. 210 Grad) weitere 10 bis 15 Minuten. Roman Artner dreht die letzte halbe Stunde der Bratzeit auf Oberhitze und salzt die Haut nach: „Das entzieht ihr Wasser, so wird sie knuspriger.“ Man kann die Gans zum Schluss noch einpinseln, etwa mit Honig, Butter und Sojasauce.
Dos: Wenn die Gans fertig ist, tranchieren und dann noch bei viel Hitze knusprig braten beziehungsweise die letzte halbe Stunde mit Oberhitze braten.
Dont's: In Saft ertränken bzw. bis zum Schluss mit Fond übergießen, heißt also: Die letzte halbe Stunde wird die Gans nicht mehr übergossen. Und: Die Hautseite darf nicht in der Soße liegen.
So gelingt ein guter Saft
Dos: Roman Artner legt die Gans auf eine Mischung aus Zwiebeln, Karotten, Orangenschalen sowie Gemüsefond. „Wichtig ist es, die Gans alle 20 bis 30 Minuten mit Fond zu übergießen.“
So werden Reste verwertet
Dazu gibt Stefan Schartner vom „ Hotel Steigenberger Herrenhof“ Tipps. Dort gibt es ab Anfang November die Aktion „Gans to go“. Die fertige Gans wird mit allen Beilagen nach Hause geliefert. Aber: „Bei einer Vier-Kilo-Gans bleibt immer was über – Fülle, Rotkraut, Fleisch. Bei den meisten landet das im Müll, was ich sehr schade finde. Mit diesen Resten kann man in relativ kurzer Zeit ein Vier-Gänge-Menü zaubern“, sagt er.
Dos: Gansl-Restlessen! Mit den Fleischresten vom Knochen und den Karkassen sowie Wurzelwerk lassen sich ein wunderbarer Ganslfond oder eine Ganslsülze zubereiten, ebenso eine Suppe. Auch aus den Beilagenresten entsteht etwas ganz Neues.
Don'ts: Keine Essens- oder Fleischreste in den Müll. Auch den Hals nicht, weil man den vor dem Braten wegschneidet und daraus einen Fond kocht.
Rezepte fürs Restlessen
Von Stefan Schartner, Chefkoch, Hotel Steigenberger, Herrenhof, Wien
Ganslfond & Ganslsuppe mit Fülle-Brösel-Knödel
Wurzelwerk | 100 g Butter | 3 El Mehl | Salz | Pfeffer | Majoran | Semmelbrösel | Ei
Die Fülle aus der Karkasse nehmen, das Fleisch hinunterputzen und in kleine Würfel schneiden. Aus den Knochen und mit etwas Wurzelwerk einen Fond kalt ansetzen und eine Stunde köcheln lassen. Die Butter in einem Topf erhitzen, mit dem Mehl hell anrösten und dann mit zwei Liter Fond aufgießen. Die Fülle zerkleinern, mit etwas Semmelbröseln und dem Ei vermengen und kleine Knödel formen. Zum Schluss die Ganslsuppe mit Salz, Pfeffer und Majoran würzen und die Fülle-Brösel-Knödeln in der Suppe köcheln lassen.
Ganslsülz im Weckglas
9 Blätter Gelatine | Salz | Pfeffer | marinierter Salat
Gelatine zuerst in kaltes Wasser einlegen und danach in einem Liter heißem Ganslfond auflösen. 2/3 des Ganslfleisches in Würfel schneiden und mit Salz und Pfeffer würzen. Das Fleisch in Weckgläser geben und mit dem Gelatine-Fond übergießen. Beim Servieren die Ganslsülz mit mariniertem Salat garnieren.
Rotkraut-Ganslstrudel mit Maroni
Strudelteig | Butter | Kräuterrahm (Sauerrahm mit frischen Kräutern, Salz und Pfeffer)
Das übergebliebene Rotkraut gut abtropfen lassen, mit klein geschnittenen Maronis und restlichen Orangenfilets und Fleisch vermengen. Den Strudelteig mit Butter bestreichen, das Rotkraut darin einrollen und nochmals mit Butter bestreichen. Danach im Ofen goldbraun backen und mit dem Kräuterrahm servieren.