Leben

Ein starkes Team

Als Benni kam, änderte sich mein Leben. Ich hatte keine Ahnung von Hunden – und plötzlich hing ich an der Leine eines acht Monate alten Rüden, der mich um die Häuserblocks schleifte. Schuld ist mein Mann, er liebt Hunde, ließ nicht locker, bis ich nachgab. „Ein Hund ist wie ein Kind“, warnten mich noch gute Freunde, da war es schon zu spät.

700.000 Hunde und rund eineinhalb Millionen Katzen leben in Österreich. Die Liebe zum Haustier ist ungebrochen. Gut so, sieht doch der Wiener Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal den liebevollen Umgang mit Tieren als unerlässlich für eine soziale Gesellschaft: „Wo es Grausamkeit gegen Tiere gibt, da gibt es auch Grausamkeit gegen Menschen.“ Eine Bereicherung und ein gutes Signal also, dass Österreichs Wohnzimmer zunehmend von Hunden und Katzen erobert werden.

Die meisten von ihnen liegen wahrscheinlich jetzt, während Sie das lesen, friedlich dösend auf ihren Lieblingsplätzen und lassen sich das Fell kraulen. Andere wiederum testen gerade einmal wieder die Leidensfähigkeit ihrer Besitzer aus. Mein Hund Benni war von Anfang an ein Meister darin, unsere Belastbarkeit auszuloten. Es war gleich in der ersten Woche: Wir lagen auf dem Sofa, der Hund in seinem Körbchen, bis er sich lautlos anschlich und sein Köpfchen zwischen uns schob. Ich ignorierte das treuherzig-traurige Geschau, weil ich gelesen hatte, dass man das so tut. Bis ich merkte, dass Mann und Hund denselben seltsamen seligen Ausdruck in den Augen hatten. „Denk nicht einmal dran“, sagte ich noch. Wir hatten nämlich ausgemacht, dass der Hund nicht auf die Couch darf. Zwecklos – heute ist es Bennis Couch.

Dass unsere Haustiere uns beinhart manipulieren, bestätigt die Verhaltensforschung: „Sowohl Katzen als auch Hunde sind gut darin, ihre Besitzer zu konditionieren und sogar ihre Menschen gegeneinander auszuspielen. Katzen können zudem ein regelrecht terroristisches Verhalten entwickeln“, sagt Kurt Kotrschal. Warum sie das tun? Weil sie es können – und wir es zulassen.

„Hunde beobachten uns sehr genau, um sich gezielt auf uns einzustellen“, schreibt die Ethologin und Fachtierärztin für Verhaltenskunde Dorit Urd Feddersen-Petersen in ihrem Buch „Ausdrucksverhalten beim Hund“. Und da unsere besten Freunde lernfähig und taktisch hoch begabt sind, entwickeln sie sich strategisch immer weiter.

Womit wir umgehen lernen müssen: Wer seinen Hund unterschätzt und ihm kein guter Partner ist, bekommt Probleme. Dazu gehört auch, nicht ungeduldig an der Leine herumzuzerren und den Hund in Ruhe zu lassen, wenn er einmal nicht gestreichelt werden will. Verhaltensforscher Kotrschal: „Es geht auch darum, dem Hund seine Würde nicht zu nehmen.“

Mein Problem war, Benni hörte nicht, wenn ich ihn zu mir rief. Dass er zudem damit anfing, bellend in die Leine zu springen, wenn wir anderen Hunden begegneten und er meine Einwände ignorierte, forderte Handlungsbedarf. Wir mussten in die Schule. Nein, ich musste in die Schule.

Wenn es mit dem Hund klappt, heißt das auch, ihm soziale Sicherheit zu geben. Dazu gehören Aufmerksamkeit, echte Gefühle, das richtige Timing, ruhig und konsequent zu bleiben, auch wenn der Hund einen mal geärgert hat.

„Glaubst du selbst, was du sagst?“, fragte mich die Hundetrainerin, als ich „Aus“ flüsterte. Ich kam schon im Training an meine Grenzen. Es ging um Timing, Körpersprache, Verhaltensmuster, Stimme, aber vor allem darum, ein Gespür für das fremde Wesen zu entwickeln. Und um Gefühle: Angst, Wut, Unsicherheit, das alles spürt ein Hund – oft schneller als man selbst. Aber auch Begeisterung, Gelassenheit und Freude. Ich lernte: Damit der Hund zuverlässig kommt, darf kein Zweifel für ihn erkennbar sein, sonst nutzt er diesen aus – und übernimmt die Führung.

Seit 40.000 Jahren leben Hunde gemeinsam mit Menschen unter einem Dach, sie sind die ältesten Haustiere. Im Vergleich: Die Beziehung zu Hauskatzen ist erst 4.000 Jahre alt. „Es ist übrigens nicht so, wie früher oft behauptet, dass Hundebesitzer nicht mit Menschen auskommen und sich deshalb einen Hund zulegen“, sagt Kotrschal. Die Forschung bestätigt: Menschen, die sich in Tiere einfühlen können, entwickeln auch leichter Empathie für andere Menschen. Und es hat sowieso nur Vorteile, tierlieb und vor allem hundeverrückt zu sein. Wer mit dem Hund unterwegs ist, kommt schneller ins Gespräch und lernt sogar in Sachen Kooperationsfähigkeit dazu.

Voraussetzung ist halt, gemeinsame Runden zu drehen, sich auf den Hund einzulassen und ihm Grenzen zu setzen, die bei Bedarf konsequent eingefordert werden müssen.

Ich war stolz, als Benni das erste Mal Sitz, Platz und Bleib beherrschte, als Freunde, Familie und Fremde sagten, was wir für einen tollen, braven Hund haben. Aber zum Glück habe ich kapiert, dass es nicht darum geht, Kommandos und Kunststücke abzuspulen. Sondern vielmehr um Liebe, Zuneigung, Verlässlichkeit, die Bereitschaft, eigene Gewohnheiten zu hinterfragen und um Kommunikation. „Leider spielt für die meisten Hundehalter das nonverbale Ausdrucksverhalten im Umgang mit dem Hund nicht die verdiente Rolle“, bedauert Hunde-Expertin Fedderson-Petersen. „Sie reden und reden und nehmen sich körperlich – sogar bewusst! – zurück.“

Auch das habe ich lernen müssen. Und dass der Hund sich gerne an uns orientiert, wenn wir wissen, was wir wollen, uns als Besitzer einig sind und klar kommunizieren, was er darf und was nicht.

„Haben wir doch gesagt. So wie bei Kindern“, sagen die Freunde. Recht haben sie.