Das ist die Schweizer Penélope Cruz
Von Barbara Reiter
Sie ist sich ihres Könnens bestimmt bewusst, dennoch ist‚ unprätentiös‘ wohl ein gutes Wort, um Deleila Piasko zu beschreiben. Erst vor vier Jahren hat die 28-Jährige die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin beendet und danach an Theatern in Zürich, Frankfurt und Dresden gespielt. Jetzt, 2019, wurde die gebürtige Schweizerin von Neo-Direktor Martin Kušej in den Olymp für Schauspieler, das Wiener Burgtheater, berufen.
Grüezi: Aus der Schweiz an die Wiener Burg
Mit Glorifizierung hat Piasko aber nicht viel am Hut. Ebenso wenig wie mit Gesprächen, die sich um ihr gutes Aussehen drehen. Trotzdem werden wir über beides sprechen. „Sagen wir doch Du“, schlägt sie vor. Da schlägt das Tiroler Herz der Interviewerin sofort höher. Gerne! Nicht viele Burgtheater-Schauspieler würden einem das Du-Wort anbieten.
Freizeit: Deleila, ist es für eine Schauspielerin nicht das Größte, ans Wiener Burgtheater berufen zu werden?
Deleila Piasko: Natürlich ist das ein traditionsreiches Theater mit großem Renommee und einer besonderen Strahlkraft. Es ist eine Ehre für mich, hier zu sein und hier zu spielen. Es ist aber nicht nur das Haus entscheidend, sondern es geht mehr um die Begegnungen, die du hast – künstlerisch und persönlich. Das ist es, was mir Freude macht.
Kanntest du vor deinem Engagement viele der berühmten Kollegen?
Ich war zuvor noch nicht sehr oft in Wien. Man kennt natürlich viele der berühmten Namen, aber ich habe auch noch nicht alle neuen Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne gesehen.
Das klingt relativ unbeeindruckt.
Nein, ich bin definitiv beeindruckt von den Leistungen meiner Kollegen. Man spricht seinen Respekt aus, aber es ist vielleicht keine Glorifizierung.
Was war es konkret, was dich sagen hat lassen: Ich gehe nach Wien?
Das ist ganz einfach. Man hat ein Angebot vom Burgtheater. Dann macht man das doch einfach, oder?
Ein Moment, von dem so viele Schauspieler träumen. Wie war es, als dir gesagt wurde, dass man dich holen will?
Ich wurde zum Vorsprechen eingeladen und hatte zwei Rollen vorbereitet. An einer haben wir dann intensiv gearbeitet und es fand, was wirklich wichtig ist, ein künstlerischer Austausch statt. Und dann sitzt man bei Martin Kušej im Büro und er sagt: „Du, wir finden dich toll, wir möchten dich engagieren.“ Ich glaube, ich habe in dem Moment tatsächlich „Okay!“ gesagt. Dann bin ich vom kolossalen Burgtheater ins nächste Café gegangen und habe einen Sodaradler getrunken. Ich musste das erst mal sacken lassen.
Sodaradler klingt schon sehr wienerisch. Du fühlst dich also wohl?
Ich habe das Gefühl, das ist so ein ‚Match‘ zwischen mir und Wien (Anm.: Treffer). Das klingt jetzt blöd, aber die Stadt hat so einen Klang und eine Frische. Genau kann ich das noch nicht analysieren. Frag’ bitte in einem halben Jahr noch mal.
Wo bist du nach deiner Ankunft in Wien zuerst hingegangen?
Das war tatsächlich das Burgtheater. Ich wollte von Anfang an möglichst oft hierherkommen. Am Anfang hatte ich nicht viel Zeit, mir Stücke anzusehen, weil wir für „Vögel“ oft durchgeprobt haben – plus Englisch-Coaching in der Mittagspause. Aber jetzt hole ich alles auf und habe mir zum Beispiel kürzlich „Die Edda“ angeschaut. Das ist eine extrem bildgewaltige Inszenierung.
„Vögel“ am Akademietheater ist ein Stück in vier Sprachen. Hat das Englisch-Coaching geholfen?
Die Sprache war tatsächlich die größte Hürde, obwohl ich gut Englisch spreche. Aber es ist nicht meine Muttersprache. Da sind Körper und Sprache erst mal uneins, und es braucht etwas Zeit, um den Text zum Leben zu erwecken.
Tobias Moretti, einer unserer bekanntesten Schauspieler, wird auch an der Burg spielen. Er war im Sommer der „Jedermann“ in Salzburg. Du bist eine schöne, weibliche Frau. Die „Buhlschaft“ wäre doch eine Rolle für dich?
Das ist eine Rolle, die schon wirklich starke Schauspielerinnen gespielt haben: Sophie Rois, Birgit Minichmayr oder auch Nina Hoss. Vielleicht ist das einmal was für mich, wer weiß?
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat dich jedenfalls schon einmal mit Penélope Cruz verglichen.
Echt, die FAZ? Das musst du mir zeigen.
Hast du von diesen Vergleichen generell schon mal gehört?
Jetzt werde ich ganz rot. Was soll ich dazu sagen? Das ist wirklich ein großes Kompliment, weil sie meines Erachtens eine total facettenreiche, sinnliche Schauspielerin ist.
Ist es deinem Gefühl nach eher ein Vor- oder ein Nachteil, als Schauspielerin ausnehmend hübsch zu sein?
Naja, du hast vorher auch gesagt, ich könnte die „Buhlschaft“ gut spielen, weil ich hübsch und weiblich bin ...
Abgesehen davon, dass die „Buhlschaft“ fast immer von großartigen Schauspielerinnen verkörpert wird, wie von dir bereits erwähnt wurde. Man schaut sich Stücke oder Filme aber noch lieber an, wenn einem der Darsteller oder die Darstellerin gefällt.
Dieser Beruf ist für mich mit einer großen Leidenschaft verbunden, ich befasse mich mit dem Stoff und überlege mir, was ich mit einer Figur erzählen will. Ich finde es schade, wenn man Schauspielerinnen und Schauspieler nur auf ihre äußere Erscheinung reduziert, und es langweilt mich, wenn ich das Gefühl habe, jemand ruht sich darauf aus.
Aussehen oder Ausstrahlung sind meist ein Teil des Ganzen – auch im Kino. Ist Film eigentlich ein Thema für dich?
Das ist mit dem Theater nicht immer leicht zu vereinbaren, aber ich drehe gerade meinen ersten deutschen Kinofilm. Viel darf ich noch nicht sagen, außer, dass es eine Hauptrolle und der Regisseur Leander Haußmann ist.
Und wann wirst du zum ersten Mal auf der Bühne des Burgtheaters stehen?
Das darf ich leider noch nicht verraten. Ich spiele im Moment im Akademietheater und finde das wundervoll. Die Atmosphäre mit dem Publikum ist intim und der Raum erlaubt einem, sehr leise sprechen. Ich mag es und kann gerne noch ein bisschen dort bleiben.
Würdest du dich da oder dort auch wieder nackt auf die Bühne stellen, wie du es schon mal gemacht hast? Das ist doch ein mutiger Schritt.
Manchmal kann Nacktheit etwas erzählen, was Kleidung einfach nicht kann. Es muss nur wirklich schlüssig sein, warum jetzt jemand nackt auf der Bühne steht. Das ist aber ein Thema, das jede Schauspielerin und jeder Schauspieler für sich alleine entscheiden muss.
Man hat das Gefühl, du bist sehr vorsichtig mit deinen Antworten, oder?
Etwas von sich preis zu geben, ist auch eine Form der Nacktheit.
Gut, dann ist die nächste Frage eine Rollkragenpulli-Frage, sprich unverfänglich: Wie heißen die Lieblingsschauspieler von Deleila Piasko?
Da könnte ich viele aufzählen. Ich würde nicht Lieblingsschauspieler sagen, sondern von Kolleginnen und Kollegen sprechen, die mich beeindrucken. Ich finde zum Beispiel Markus Scheumann wirklich toll und habe ihn schon auf der Bühne im Zürcher Schauspielhaus bewundert. Das war noch, bevor ich überhaupt mit dem Gedanken gespielt habe, mich für die Schauspielschule zu bewerben. Und jetzt stehen wir im Akademietheater zusammen auf der Bühne. Das ist großartig! Aus dem Film-Bereich fallen mir spontan Kate Winslet oder Cate Blanchett ein.
Gibt es eine Rolle, die du gerne spielen würdest, wenn du im Alter dieser beiden Schauspielerinnen bist? Kate Winslet ist 44, Cate Blanchett 50 Jahre alt.
Es gibt wahnsinnig viele Rollen, die mich interessieren, vor allem am Theater. Als Erstes fällt mir da gleich Virginia Woolf ein – oder die Medea oder Klytaimnestra. Ich freue mich tatsächlich auf das Alter in diesem Beruf. Es gibt ganz tolle Frauenrollen, die man erst spielen kann, wenn man ein bisschen älter ist.
Freu dich nicht zu früh. Unter Herrn Kušej mussten einige hervorragende Schauspieler/-innen über 50 die Burg verlassen.
Es ist doch Zeitverschwendung, darüber nachzudenken, was in 20 Jahren sein könnte. Es gehört zu diesem Beruf, dass die Zukunft nicht sicher ist – wie inzwischen zu jedem anderen Beruf auch. Ich versuche im Moment zu sein und Freude an meinem Job zu haben.
Deleila, würdest du unser Gespräch bitte mit einem Satz beenden, der zu dem passt, was wir heute hier im Burgtheater besprochen haben?
Du hast vorhin gesagt, dass ich vorsichtig bin. Da fällt mir ein Satz aus dem Stück „Yerma“ ein, in dem ich gespielt habe: „Man sieht die Wahrheit nicht, wenn sie in dir drinnen steckt. Doch wie laut schreit sie, wenn sie ans Licht kommt und die Arme zum Himmel streckt!“
Deleila Piasko, 28, wurde 1991 in der Schweiz geboren. Schon als Kind liebte sie es, sich zu verkleiden und vor Publikum zu tanzen. Deshalb absolvierte die Tochter einer Tänzerin und eines Physikers nach der Matura ein Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Schon währenddessen spielte Piasko an der Berliner Volksbühne, danach folgten Engagements an das Konzert Theater Bern. Zuletzt war Piasko am Staatsschauspiel Dresden als festes Ensemblemitglied beschäftigt und gehört seit der Saison 2019/20 zum Ensemble des Wiener Burgtheaters.
Derzeit ist sie am Akademietheater im Stück „Vögel“ zu sehen.
Deleila Piasko ist am 11. 13. und 24. November im Stück „Vögel“ am Akademietheater zu sehen.
www.burgtheater.at