Leben

Die Rein-Macher

Immer wieder interessant, was Menschen so einfällt. Seit zirka sechs Jahren gibt es etwa eine Internetseite namens brainR. Die sieht sich als Plattform „für Kreativität und Innovation im Web“, die es jedem ermöglicht, ein Brainstorming online zu stellen – oder dabei mitzumachen. Motto: „Bei brainR spinnt die Welt ...“ Nicht weiter verwunderlich, dass im August 2014 unter der Rubrik „Gesundheit, Sport und Wellness“ ein Name für ein neues Gleitgel gesucht wurde. Man bat die Netzgemeinde um möglichst kreative Vorschläge. Einige davon möchte ich Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten, obwohl ... originell, na ja. Doch bitteschön: Flutsch und weg, Supaflow, Flow Glide, Flow Lube, Flow, Schleimi, Gleeech, Glitschi, SäxWäx, Joy Gel, Joyride, Rutsch.
So weit, so gleit, könnte man jetzt lustig und salopp sagen – um sich allen Ernstes zu fragen, was es mit dem Thema denn so auf sich hat. Gleitgel, so denken manche, nehmen immer nur die anderen – wir! sicher! nicht! Wo doch im eigenen Separee der Feuchtigkeitsgehalt stets exakt passt bis, hoho, extrem hoch ist. In der Herrensauna kursiert dazu gerne der leicht schmierige „Aquaplaning in der Unterhose“-Sager. Beliebt sind Gleitgels in Österreich dennoch: Laut Durex Sexual Wellbeing Studie beziehen 38 Prozent der Österreicher Gleitmittel in ihr Liebesspiel ein. 31 Prozent der Frauen in Österreich gaben an, durch die Reibungslosigkeit leichter zum Orgasmus zu kommen. Gleitgels zählen also zu den meistverkauften Produkten der weiten und bunten Sex-Artikel-Welt. Daher kommen sie auch in allen Formen, Farben, Aromen und Wirkversprechen daher: „stimulierend, wärmend, Komfort und Spaß verleihend oder ein seidig-weiches Gefühl“. Manche nennen das Zeugs dezent „Erlebnisgel“, andere elegant „Massagefluid“, in einem Onlineshop ist man gleich völlig ungeniert direkt. Dort wird ein Produkt namens „Der kleine böse Feuchtmacher“ verkauft. Vorteil: So gibt es wenigstens keine Missverständnisse, und das Gel wird garantiert nicht versehentlich auf kaputte Gelenke geschmiert und landet vermutlich auch nicht auf Zahnbürsten oder in der Herrenfrisur. Und auch für die Freunde aus der Bio-Ecke gibt es bereits Passendes. Vegane und tierversuchsfreie Gels, ohne Duftstoffe und Parabene, mit Ingredienzien aus der Naturkosmetik.
Abgesehen davon: Ein Gleitgel zu verwenden, ist keine Schande. Im Gegenteil. Es kann einfach nur Spaß machen – als willkommener „Rein-Macher“. Natürlich gibt es für eine Verwendung auch rein medizinische Gründe – etwa, wenn die Scheidenflüssigkeit bei Stress, nach einer Geburt oder im Rahmen der Menopause bei Östrogenmangel nachlässt. Aber selbst ohne diese Indikationen macht das reibungslose Herumgatschen mit dem Zeugs Spaß. Kleiner Tipp: Wer Kondome verwendet, sollte ölhaltige Flutschis meiden – sie machen Latexgummis kaputt.
Übrigens: Die Stiftung Warentest erwähnte im Rahmen eines Gleitgel-Tests im Jahr 2007, dass das Deutsche Wörterbuch „Wahring“ von 1980 das Wort „Gleitmittel“ als „Abführmittel“ definierte. Mittlerweile dürfte klar sein, dass es sich dabei dann doch eher um ein Einführmittel handelt.

gabriele.kuhn@kurier.at