Leben

Burning Man

Eine Fata Morgana? Ein seltsamer Traum? Oder ist es eher der pure Wahnsinn? Menschen in merkwürdigen Kostümen ziehen durch den Sand, mechanische Kreaturen im Mad-Max-Stil sowie riesige Holzfiguren im Gefolge – und das ausgerechnet dort, wo außer Hitze wenig existiert: Im Niemandsland von Black Rock im nördlichen Nevada.


Willkommen beim „Burning Man“-Festival. Seit nunmehr 25 Jahren wird im weit entfernten Hinterhof des Silicon Valley an acht Tagen im Jahr die Sau rausgelassen. Techno-Party, Hippie-Happening, Woodstock in der Wüste. Der ausgelassene Trubel hat ein bisschen was von alledem und ist doch einzigartig: Immerhin findet sich da in zwei Wochen eine schräge Gemeinschaft von fast 70.000 Besuchern auf nichts als heißem Wüstenboden ein.

Ein gigantischer Spaß. Dabei hat alles nur begonnen, weil einer großen Kummer hatte – Larry Harvey. Der bald 70-jährige Landschaftsarchitekt und Freigeist trommelte 1986 knapp zwei Dutzend Freunde zusammen, um am Baker Beach bei der Golden Gate Bridge in San Francisco nach einer verflossenen Liebe neuen Lebensmut zu schöpfen.

Gut, seien wir ehrlich, im Wesentlichen wurde viel Bier getrunken. Der Höhepunkt des Wochenendes aber war wirklich sensationell – das Abfackeln eines hölzernen Mannes. „Burning Man“.

Die Action sprach sich herum wie ein Lauffeuer, und die Party wurde größer und größer, bis sie 1990 in die Black Rock Desert übersiedelte. Anfangs folgten ein paar Hundert Teilnehmer dem Ruf der lebenslustigen Kreativen. Zehn Jahre später war die Zahl der Festival-Gäste bereits auf mehr als 25.000 angewachsen.


„,Burning Man ist eine jener Geburtstagspartys, bei der du es nicht schaffst, sämtliche Kerzen auszublasen", sagt Larry Harvey am Vorabend der großen Feierlichkeiten. 25 Jahre „Burning Man“. Wow! Eine respektable Leistung für ein Ereignis, das als Experiment startete und bis heute keines jener Merkmale aufweist, die man gemeinhin mit einem Festival verbindet.

„Es gibt keine Hauptbühne, keinen Starkult, keine muskelbepackten Ordner in schwarzen Security-Hemden. Burning Man ist eine ephemere (dt. kurzlebige) Stadt, die eine Woche lang dort besteht, wo eigentlich keine Stadt sein sollte“, heißt es im Vorwort eines opulenten Bildbandes, der zum Jubiläum dieser Tage im Taschen-Verlag erscheint.


Mehr noch. Nicht erst seit dem vorjährigen Motto „Karawanserei“ gilt: „Die Gäste hinterlassen Black Rock Desert nach dem Festival ebenso unberührt, wie sie die Wüste vorgefunden haben.“ Ein Glück also, dass der kanadische Autor und Fotograf NK Guy für „Burning Man – Kunst und Kult“ das ganze Drumherum und die besten Kunstwerke aus den letzten Jahren zusammengestellt hat.

Viele davon leuchten ab Einbruch der Dunkelheit, erhellen auf fast gespenstische Weise die umliegende Wüstenszenerie und sorgen so für den magischen Zauber des Festivals.

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Dass hier alles eine Tendenz zum Monumentalen und Spektakulären aufweist, erkennt man leicht an den Dimensionen der Hauptattraktion der ganzen Veranstaltung – „Burning Man“. Von einer lediglich drei Meter hohen Figur hat sich die hölzerne Skulptur zu einer imposanten, mehr als fünfzehn Meter hohen, feuerspeienden Special-effect-Maschine gemausert. Im Vorjahr folgte ein gewaltiger Sprung: Der „Man“ wuchs auf eine nie dagewesene Größe von 32 Metern an. Das Abfackeln dieser Pracht ist vielen noch heute in guter Erinnerung.


Dabei ist der namenspendende Fixpunkt beileibe nicht alles, was die Blicke der Abertausenden Besucher auf sich zieht. Unter großen Anstrengungen wurde schon alles Mögliche in die Wüste gekarrt: Ein mechanischer, feuerspuckender Tintenfisch genauso wie ausladende, aufwendig geschnitzte Holztempel, überdimensionale Fahrräder und sogar von einem Elektromotor betriebene lebensgroße Muffins, die mit ausgewachsenen Mannsbildern an Bord über den Wüstenboden fegen. Wenn man nur will, kann also Kunst im öffentlichen Raum durchaus mächtig Spaß machen ...


Heuer steht das gesamte Fest unter dem Motto „Carnival of Mirrors“. Larry Harvey, Mastermind von „Burning Man“, möchte damit den klassischen, altmodischen Jahrmarkt mit Gauklern, Wahrsagern und der kindlichen Faszination des Spiegelkabinetts wieder aufleben lassen: „Ob wir in den Spiegel schauen oder ein Selfie von uns machen, es geht seit Jahrhunderten um dieselbe Frage: Wer bin ich eigentlich?“

Selbstreflexion wie diese kommt an der US-Westküste besonders gut an. So kann es auch kein Zufall sein, dass das allererste „Doodle“ der Internet-Suchmaschine Google ausgerechnet die Holzfigur des eher schlichten „Man“ dargestellt hat. Im Jahr 1998 war das. Die Erklärung: Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin wollten damit schlicht ihre Anwesenheit beim Festival „Burning Man“ ausreichend ausdrücken und dokumentieren.

Wer jetzt Gusto bekommen hat, braucht sich nicht zu grämen: Die heiß begehrten Karten für den befristeten Eintritt in eine andere, eine wirklich komplett andere Welt sind längst vergeben.

Für nächstes Jahr dürfen Unerschrockene, die sich selbst von Wüstenstürmen, Wetterextremen und wahnsinnigen Künstlern nicht vom Träumen abhalten lassen, vielleicht auf Restplätze hoffen. Billig ist das Ganze sowieso nicht. Ein VIP-Ticket für die komplette Woche kommt auf 800 US-Dollar, eine normale Karte auf 390 US-Dollar. Ohne Unterkunft und ohne Verpflegung, selbstverständlich. Weil Wüste.

Eine Kategorie von "Burning Man" lautet: "Die Kunst des Tempels". Bitte schön, der hier ist ein wirkliches Schmuckstück. Davor und daneben: Fahrräder en masse, da der gewöhnliche Autoverkehr hier strikt untersagt ist

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Bis dahin bleiben die Fotos des Kanadiers NK Guy. David Best, erfahrener Designer von aufwendigen „Burning Man“-Tempeln, sagt über sie: „In ihnen zeigt er die wilde, verrückte Kunst, die Möglichkeit für Schönheit und Vergebung, die wir zu Werken wie den Tempeln verbauen. Das Kunstwerk ist vielleicht hinterher verschwunden, aber seine Bilder halten fest, was wir dort draußen in der Wüste gemacht haben und warum die Kunst von Burning Man einzigartig ist.