Blau - eine Farbe mit vielen Facetten
Von Bernhard Praschl
Sie ist Erkennungszeichen der Marine, ebenso jene der Polizei. Erstaunlicherweise ist sie die Lieblingsfarbe der meisten Anzug- UND Jeansträger: Wobei Blau bei Jeans durchaus in der Working-Class-Tradition steht. Im speziellen Fall macht der Indigo-Farbstoff außerdem den ursprünglich brettl-harten Denim der Jeans mit der Zeit weicher.
Anzugträger verweisen dagegen eher auf frühe Würdenträger, die sich gern in Ultramarin zeigten. Man sieht: Blau ist für alle da. In Europa ist es Umfragen zufolge so beliebt, dass Blau auch zum Markenzeichen wurde – siehe EU-Flagge.
Siegeszug einer Farbe
Obwohl sie in der Natur einigermaßen dominant auftritt, ist die Herstellung blauer Farbtöne doch ziemlich aufwendig. Die alten Ägypter stellten vor rund 4.500 Jahren einen künstlichen Farbstoff namens „Ägyptisch Blau“ her oder verwendeten teures Lapislazuli, um Statuen oder Menschen zu schmücken. Erst im 12. Jahrhundert begann der Siegeszug dieser Farbe.
Mühsam herzustellen blieb Blau dennoch. Färber mussten tagelang warten, bis sie aus zermahlenen Blättern der Pflanze „Indigofera tinctoria“ den Farbstoff gewinnen konnten. Der Ausdruck „blaumachen“ für Faulenzen stammt vermutlich genau aus jener Zeit. Neueren Datums sind Untersuchungen, die herausfanden, dass Blautöne – etwa an der Wand – Konzentration und Kreativität fördern. Zuvor noch wurden die Farbtöne „Ultramarinblau“ sowie „Königsblau“ zum Begriff – letzterer ein unverhohlener Hinweis darauf, dass diese Farbe sehr kostspielig in der Herstellung war.
Kunsthistoriker etwa meinen, Michelangelo habe sein Gemälde „Die Grablegung Christi“ nicht fertiggestellt, da er es sich nicht leisten konnte, dafür genügend Ultramarinblau zu kaufen. In seiner „Blauen Periode“ thematisierte der junge Pablo Picasso in den Jahren 1901 bis 1905 vorwiegend schwermütige Themen wie Einsamkeit und Elend, Kummer und Kälte. Vermutlich kein Wunder, warum im Englischen die Farbe „Blue“ so nah am melancholischen „Blues“ gebaut ist.
Faszinierendste aller Farben
Für den französischen Maler und Bildhauer Yves Klein war Blau hingegen sehr positiv besetzt. Bekannt sind seine monochromen blauen Bildkompositionen, die statt Kälte eine gewisse Wärme ausstrahlen. Originell: Er ließ unter dem Namen „International Klein Blue“ sogar seinen eigenen Farbton patentieren. Für den zeitgenössischen US-amerikanischen Künstler und früheren Piloten James Turrell ist Blau überhaupt die faszinierendste aller Farben. Ähnlich pragmatisch sahen Wassily Kandinsky und Franz Marc die Beweggründe hinter der Gründung ihrer Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“.
Kandinsky schrieb 1930 in einem Brief: „Den Namen erfanden wir am Kaffeetisch in der Gartenlaube in Sindelsdorf, beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter. So kam der Name wie von selbst.“