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Volles Rohr im Re-Use

Er gehört nicht zu den Designern, deren Ausgangspunkt ein weißes Blatt Papier ist. Vielmehr arbeitet er mit dem, was schon da ist und einst für einen anderen Zweck produziert wurde. Bauabfälle zum Beispiel. In seiner Arbeit gibt er Materialien und Handwerk jenseits ihres vorgegebenen Verwendungszwecks einen neuen Wert. Der Designer Lucas Muñoz nimmt sich also jener Dinge an, die ihren Platz in der Welt verloren haben und domestiziert sie für den Hausgebrauch. So wie bei seiner Serie Objects from Interstitial Space (OFIS).

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Die Grundlage dieser Objekte bilden Materialien, die aus dem Zwischenraum (Interstitial Space) stammen, der sich hinter oder zwischen unseren Wänden befindet. Ausgangspunkt des Designprozesses bilden die Form und die mechanischen Eigenschaften dieser „Zwischenmaterialien“, die im Schaffensprozess die Grenzen ihrer festgeschriebenen Zweckgebundenheit überschreiten. „Das Potenzial industrieller Materialien, ein ganz eigenes Narrativ zu entwickeln, nimmt in dieser laufenden Forschungsarbeit konkrete Gestalt an“, erklärt der Designer.

Der Tubular Chair

Lüftungsrohre sind so ein Zwischenmaterial, das es Muñoz offenbar besonders angetan hat. Für seinen Tubular Chair kombinierte er die verzinkten Stahlblechrohre mit Knieverbindungen und einem Kupferblech als Sitzfläche. Das Material hatte er teilweise vom Schrottplatz, teilweise fand er es in seinem Atelier. Den daraus entstandenen Loungesessel Marke Chubby Chic präsentierte er erstmals im Rahmen der Ausstellung „Hardcore“, die auf der Dutch Design Week in Eindhoven und auf der Designmesse Collectible gezeigt wurde.

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Das Potenzial industrieller Materialien, ein ganz eigenes Narrativ zu entwickeln, nimmt in dieser laufenden Forschungsarbeit konkrete Gestalt an.

Lucas Muñoz, Designer

Das Möbel war das Ergebnis einer sehr praktischen Herangehensweise nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Pläne oder Zeichnungen dazu habe es kaum gegeben, wie er dem Magazin „Dezeen“ verriet. Das Kupferblech formte er von Hand, sodass es sich an die Rundung der Rohre anschmiegte. Gewöhnliche Aluminiumnieten verwendete er, um die einzelnen Teile miteinander zu verbinden.

Alles eine Frage der Kombination

Muñoz verfolgt einen handwerklichen Ansatz im Design. Werkstücke entstehen, indem er die einzelnen Komponenten in einen Diskurs treten lässt, wie er auf seiner Website erläutert. „Bei der Entstehung eines Objektes sollen die Materialien zusammenarbeiten, ähnlich wie es Menschen tun: Direkte Interaktion und ehrlicher Ausdruck individueller Fähigkeiten sollen spielerisch entstehen.“

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Die Arbeit des Designers sieht Muñoz dabei recht nüchtern und entmystifiziert. Beim Design gehe es ums Kreieren, und das sei nichts Anderes als das Kombinieren unterschiedlicher Dinge. „Jeder Schaffenprozess – vom Schreiben eines Textes oder dem Kochen eines Omeletts bis hin zu Experimenten in der Nanobiotechnologie – basiert auf der Kombination, und sonst nichts“, wie er anlässlich seiner Ausstellung „Temporal“ erklärte.

Rohrmöbel zum Wohnen

Ein Einzelstück des Tubular Armchair gestaltete der niederländische Street Artist Antigoon. Dabei sind die Rohre grafisch bemalt und mit einer Sitzfläche aus Leder bestückt. Zur Serie OFIS zählen auch Tische, Hocker, Regale und Lampen, deren Strukturen allesamt aus umfunktionierten Lüftungsrohren bestehen.

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Hinter all diesen Komponenten stecken großartige Designer und Ingenieure, die viel Arbeit in die Effizienz der Produkte und ihre Beständigkeit gesteckt haben.

Lucas Muñoz, Designer

In diesen industriell gefertigten Standardbauteilen sieht der Designer einen großen Schatz, der seinen Respekt verdient. „Hinter all diesen Komponenten stecken großartige Designer und Ingenieure, die viel Arbeit in die Effizienz der Produkte und ihre Beständigkeit gesteckt haben“, erklärt der in Eindhoven und Spanien lebende Designer.

Ein preisgekröntes Interiorkonzept lieferte er für das Restaurant MO de Movimiento in Madrid. Die gesamte Inneneinrichtung besteht aus umgenutzten Baumaterialien und entstand in einem Prozess der „Kollaboration, der Innovation und der Disruption“. Für die Nachhaltigkeit seines außergewöhnlichen Konzeptes erhielt er den Dezeen Award und den Frame Magazine Award.

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Der Alchemist des Vorhandenen

Lucas Muñoz sei ein wahrer Alchemist, ein Entlehner und vor allem einer, der das Experiment liebt, formulierte es der niederländische Historiker und Kulturjournalist Koen Kleijn. Sowohl das Konzept als auch der Kontext seien Treiber für seinen Entdeckungsgeist, der sich keine Grenzen hinsichtlich konventioneller Ästhetik und Nützlichkeit setzt.

Mit seiner Arbeit leistet Muñoz zudem einen wichtigen Beitrag dafür, die Endlichkeit der Ressourcen auf dieser Welt bewusst zu machen und zu zeigen, dass Design nicht die Schaffung von immer Neuem voraussetzt, sondern auch aus dem entstehen kann, was schon da ist. Man muss es nur richtig kombinieren.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Lucas Muñoz

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