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Treffpunkt im Herzen einer neuen Stadt

Manchmal braucht es die wortwörtliche Vogelperspektive, um größere Zusammenhänge zu erkennen. Bruno Mendes, der Direktor des Architekturbüros Woods Bagot, verdankt dem Landeanflug auf Christchurch eine Eingebung, wie das neue Convention Center in Neuseelands zweitgrößter Stadt aussehen könnte. Genauer gesagt war es ein Blick auf den Rakaia und dessen unverwechselbar verflochtenes Flussbett, der Mendes 2014 – auf dem Weg zu einem der ersten Planungsworkshops – die entscheidenden Designideen eingab.

Engagierter Wiederaufbau

Das im Jahr 2021 auf einer Fläche von 28.000 Quadratmetern eröffnete Te Pae Christchurch Convention Centre wurde als traditionsbewusster Versammlungsort definiert – und als architektonisches und soziales Wahrzeichen, als einladendes Herz im Zentrum der Stadt. Gleichzeitig gilt der Bau als eines von 17 Ankerprojekten im Rahmen des umfangreichen Christchurch Central Recovery Plans nach dem verheerenden Erdbeben 2011.

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Im Rahmen der gezielten Stadterneuerung soll das internationale Kongresszentrum als Katalysator wirken. Und zwar nicht nur für das Wachstum und die Weiterentwicklung von Christchurch, sondern, wie es auf dessen Homepage heißt, „auch für den Aufbau dauerhafter sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Verbindungen zwischen der Region und der Welt“.

Ein Land mit stolzer Geschichte

„Te Pae“ ist ein Begriff aus dem indigenen Te Reo Māori, einer der drei offiziellen Amtssprachen Neuseelands. Er ist Teil unterschiedlicher Māori-Ausdrücke und gerade deshalb als Namensgeber so passend: „Te Pae Maunga“ etwa beschreibt den Blick aus den Bergen, die den Māori als Quelle ihres Ursprungs gelten; „Te Pae Whenua“ wiederum erzählt von den weiten Ebenen, welche das Urvolk jahrhundertelang bewohnte.

Mit unserer starken Verbindung zu den Bergen und den von ihnen geschaffenen Flüssen ist es nur natürlich, dass sich dieser Einfluss im Design des Gebäudes wiederfindet.

Ōtākaro Limited

„Mit unserer starken Verbindung zu den Bergen und den von ihnen geschaffenen Flüssen“, erklären die Verantwortlichen von Ōtākaro Limited, dem staatlichen Betreiber des Te Pae Christchurch Convention Centre, „ist es nur natürlich, dass sich dieser Einfluss im Design des Gebäudes wiederfindet.“

Multikulturelles Erbe

Überhaupt zelebriert das Te Pae, wie es unter den Einheimischen kurz und prägnant genannt wird, das multikulturelle Erbe Christchurchs, das bei den Māori noch heute Ōtautahi heißt. Und zwar durchaus auf den ersten Blick: Das konturierte Profil des Gebäudes repräsentiert die ikonischen neuseeländischen Südalpen, grundlegende Formen und Linien stellen die verzweigten Flüsse der Region Canterbury dar.

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Sehr zur Freude von Puamiria Parata-Goodall. Sie ist nicht nur Mitglied des Canterbury Museum Trust Boards, sondern war als Nachfahrin des Volkes der Ngāi Tahu auch als Beraterin des Architekten Bruno Mendes in den Gestaltungsprozess einbezogen: „Die Gebeine unseres Volkes befinden sich auf diesem Land. In der wiederaufgebauten Stadt spiegelt das neue Ōtautahi sowohl die Ngāi Tahu als auch die europäische Geschichte wider. Die Sprache, die Kunst und die Geschichten der Māori werden anerkannt und gefeiert wie nie zuvor.“

Neue Stadt nach der Katastrophe

Christchurch, offiziell eigentlich Christchurch City, ist mit knapp 380.000 Einwohnern (nach Auckland) die zweitgrößte Stadt Neuseelands und die größte auf der Südinsel – die vor dem Anlanden europäischer Auswanderer zum größten Teil vom Stamm beziehungsweise vom Iwi der Ngāi Tahu bewohnt wurde. Das Te Pae, sagt Puamiria Parata-Goodall, ist auch Ausdruck eines neuen Bewusstseins: „Christchurch wird zu einer Stadt der Gespräche – die es vor der Katastrophe nicht gewesen ist.“

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Das Te Pae ist ein spektakuläres Zeugnis lokalen und regionalen Gestaltungswillens. Und das liegt nicht zuletzt an der Kooperation des eingangs bereits erwähnten Architekturbüros Woods Bagot (mit Sitz in Australien, Neuseeland, China, Singapur, England, den USA und im Mittleren Osten) mit den Kollegen von Warren & Mahoney, die sich mit ihren 300 Mitarbeitern auf den Markt in Australien und Neuseeland fokussieren.

Geduld und Planung

Eine der wichtigsten Entscheidungen der erfahrenen Architektengruppen war es, die traditionellen Regeln für Kongresszentren zu hinterfragen – und neue Lösungsansätze zu erlauben. Deshalb ist das Te Pae nicht als klassische, geradlinige „Big Box“ gestaltet, sondern von einer geschwungenen, fließenden Fassade umhüllt.

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Und das erforderte durchaus eine penible Planung und jede Menge Geduld: Nahezu 43.000 Fassadenplatten – in fünf Variationen – wurden einzeln nummeriert und an den richtigen Stellen platziert. Nun erinnern sie an die weitläufigen Flusslandschaften, welche die Canterbury Plains bilden; jenes Geflecht, das Mendes an diesem Tag in der Luft so eindrucksvoll ansprach.

Sensible Integration

Das alte Convention Centre von Christchurch war ein Zweckbau aus schmucklosem Beton – und wurde beim Beben 2011 so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass es 2012 geschliffen werden musste. Das neue Gebäude wurde sensibel in das verwundete Stadtzentrum integriert und richtet sich zum nahegelegenen Avon River (auf Māori: Ōtakaro – der Platz der Spiele) hin aus; der Eingang öffnet sich zur Oxford Terrace und bietet den Besuchern einen einfachen Zugang zum neu gestalteten Uferbereich.

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Im Inneren des Kongresszentrums finden bis zu 2.000 Delegierte Platz. Das zentrale Auditorium verfügt über 1.400 Sitze und kann bei Bedarf geteilt werden und zwei Veranstaltungen gleichzeitig beherbergen. Die freie Ausstellungsfläche in Neuseelands modernstem Veranstaltungszentrum bietet Platz für bis zu 200 Aussteller und kann in drei separate Flächen geteilt werden. Lichtdurchflutete Gänge erlauben in den Pausen einen fantastischen Blick auf den Fluss oder den Cathedral Square.

Historische Verbindung

Für Architekt Bruno Mendes war es vorrangig, eine Verbindung zwischen dem Te Pae und Christchurch zu schaffen: „In dieser Form könnte das Gebäude in keiner anderen Stadt stehen.“ Puamiria Parata-Goodall bestätigt diesen Eindruck: „Was sie hier sehen, das sind Erzählungen meiner Vorfahren. Wir haben in dieser Landschaft unsere Stimme wiedergefunden.“

Text: Hannes Kropik Fotos: Dennis Radermacher

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