Stockholms rundes Wohn-Wahrzeichen
Die Erkenntnis, dass sich verwaiste Industriegebäude mitunter gut für neue Zwecke adaptieren lassen, bewahrt immer öfter veritable Baudenkmäler vor der Abrissbirne. So auch mehrere markante, zylindrische Gasbehälter in Stockholms Erneuerungsgebiet im Königlichen Seehafen. Teile des architektonisch wertvollen Bestands werden bereits neu genutzt. Gasbehälter 4 indes wurde abgetragen – was allerdings nicht an der Schönheit des Ensembles kratzen soll. Weil der betreffende Gasometer nun durch das extravagante Projekt Stadsljus ersetzt wird, das perfekt zum Kontext passt.
Innovation, die „Gestern“ würdigt
Der Entwurf für den Neubau stammt vom dänischen Büro Cobe und dessen schwedischen Kollegen von Yellon. Und das Design, mit dem das Team den von Entwickler OBOS und der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerb für sich entschied, bereichert Stockholms Skyline um ein neues Wahrzeichen:
Der Wohnturm Stadsljus erhebt sich 110 Meter über den Meeresspiegel und wirkt wie eine Hommage an die historischen Gasometer des ehemaligen Industriegeländes. Das kreisförmige Konzept mit seinen drei gebündelten Zylindern macht das Projekt quasi zum für Wohnzwecke idealen „Gasometer der nächsten Generation“.
Ein charakteristisches Merkmal der historischen Gasometer sind die großen vertikalen Backsteinsäulen. Diese spiegeln sich im Sockel von Stadsljus wider, wo detailverliebte Backsteinelemente von hoher Materialqualität das Erdgeschoss zieren. Inspiration für diesen offenen Ziegelsockel holten sich die Architekten bei zwei von Architekt Ferdinand Boberg entworfenen Gasometern aus den späten 1890er Jahren, die vor Ort an die Geschichte des Areals erinnern. In diesem Teil des Neubaus werden öffentliche Funktionen wie ein Restaurant und eine Vorschule Platz finden.
Blickfang, Wohntraum & Hommage
Stadsljus besteht aus Sockel, Körper und Krone. Der prismatische Körper des Turms greift die rationalen, sich wiederholenden Strukturen industriellen Designs auf. Er besteht aus einer modularen, dreidimensionalen Metallfassade, die auf subtile Weise das Tageslicht auf ihren schrägen Oberflächen einfängt. Die Krone schließlich ist eine Hommage an die Spitze der Boberg-Gasspeicher mit facettiertem, geneigtem Dach und ausgeprägtem Überbau. Und das Konzept kann mehr, als sich bloß elegant in seinen Kontext einzufügen.
Der Überbau der Krone, der das Stadtbild prägen wird, ist mit Solarzellen bestückt, während er technische Installationen verbirgt. Bei der Konstruktion von Stadsljus setzen die Architekten auf ein effizientes, modulares und vorgefertigtes Fassadensystem, das Zeit und Geld spart. Die Fassade besteht aus einem modularen Skelett mit geschlossenen Wandpaneelen, Fenstern, Türen und Balkonen, das verschiedene Konfigurationen ermöglicht. Das Ziel: Bestmögliche Balance zwischen Vielfalt und Rationalität, die den Wohnungen zugleich optimales Raumklima garantiert.
Der Wohnturm Stadsljus spiegelt nicht nur die Essenz seiner Zeit und seines Zwecks wider. Er bildet mit seinen historischen Pendants eine harmonische Familie von Gasometern.
Die Architekten Dan Stubbergaard (Cobe) und Fredric Scherman (Yellon)
Die kompakte Form des Stadsljus Wohnturms trägt zur Energieeffizienz bei. Die drei Zylinder sorgen für optimale Tageslichtnutzung im Inneren des Neubaus, und die Wohnungen bieten famose Ausblicke in alle Richtungen. Viele verfügen obendrein über eine oder mehrere Terrassen. Durch die matten und glänzenden Oberflächen der komplexen Balkonhülle der Fassade ergeben sich spannende Kontraste zur rationalen Konstruktion.
Insgesamt umfasst das Projekt 36.000 Quadratmeter, die sich auf Geschäfte im Erdgeschoss und etwa 300 Wohneinheiten verteilen. Stadsljus wird Wohnungen unterschiedlicher Größe beherbergen – von platzsparenden Studios bis zu großzügigen Appartements.
Leistbare Modelle und viel Grün
20 Prozent der neuen Wohnungen werden im Rahmen eines Miteigentumsmodells angeboten, um mehr Menschen die Möglichkeit zum Erwerb eines Eigenheims zu verschaffen. Durchdachte Landschaftsarchitektur soll auch das gesamte Gasverket-Gebiet wieder in seinem alten Glanz erstrahlen lassen.
Dem Sieger-Team ist es gelungen, zeitgemäße Wohnungen und hohe architektonische Qualität mit starker Verbindung zum kulturell und historisch wertvollen Gaswerkareal zu schaffen.
Daniel Kjørberg Siraj, OBOS CEO
Für das dänische Büro Cobe ist der spektakuläre „Wohn-Gasometer“ nicht das einzige aktuelle Projekt in Schweden. Denn die innovativen Architekten stehen auch hinter dem Plan des neuen Science Center in Lund, das bis 2026 fertig werden soll. Bei Stadsljus wird es noch etwas länger dauern: Die Fertigstellung ist für 2028 geplant, die ersten Bewohner sollen 2029 einziehen können.
Text: Elisabeth Schneyder Bilder: COBE und Yellon
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