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Plan B für den ultimativen Lockdown

Die Vorstellung ist zugleich gespenstisch wie reizvoll: Nach der Apokalypse in einem unteridischen System, abgeschottet von der restlichen Welt zu leben. Das wird hoffentlich nie passieren. Heute aber tun wir so als ob – und lassen uns in einen unterirdischen Bunker locken. In eine Unterwelt, die ausschließlich dafür ausgerichtet ist, dass man in ihr sein restliches Leben verbringt.

Plan B statt Planet A

Ganz konkret nimmt uns nämlich der ukrainische Architekt und Designer Sergey Makhno in seine ganz persönliche Utopie mit. Sie trägt den Namen „Plan B“ und soll zumindest drei Familien das Überleben sichern, wenn Planet A endgültig zerstört ist. Oder von einer supertödlichen Pandemie heimgesucht wurde. Also: Augen zu und durch:

Landeplatz für viel Tiefgang

Wir befinden uns in einem verlassenen Waldstück irgendwo im Nirgendwo. Plötzlich taucht von unseren Augen ein futuristisch wirkender Betonblock auf. Es könnte auch ein Museum für moderne Kunst sein, rätseln wir innerlich. Doch beim Näherkommen erkennen wir bald die Umrisse einer Helikopter-Landeplattform. Wenige Schritte später eine Eingangsluke, die unter dem fast 200 Quadratmeter großen Stahlbeton-Koloss zum Vorschein kommt.

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Nun hält Makhno kurz inne. Er holt Luft und sagt: "Wenn man der Welt nicht mit offenem Herzen und Verstand zuhört, wenn man nicht darauf achtet, was um einen herum vorgeht, wie die Luft riecht, was die Menschen sagen, beginnt die Welt ihre grausamen Regeln zu diktieren.“ Was er damit meint, können wir nur erahnen. Aber es soll wohl die poetische Variante von „Kommt mit, die Welt geht gleich unter“ sein.

Sicherheit fängt in 15 Metern Tiefe an

Jedenfalls geht es nun in raschen Schritten gleich einmal 15 Meter unter die Erde. Das sei laut internationalen Empfehlungen die ideale Tiefe, um einen sicheren Wohnraum zu errichten, erfahren wir. Doch weil es so wirkt, als würde der Raum durch eine Deckenluke geflutet, wähnen wir uns trotzdem in einer heimeligen und keineswegs dystopischen Atmosphäre. Freilich nur, bis wir die Illusion erkennen, die eine künstliche Lichtquelle dank richtiger Frequenzeinstellungen generiert.

Doch wir lassen die Täuschung zu und fragen uns vielmehr, warum hier alles so rund ist. Keine Ecken, weit und breit.

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Die Antwort fällt philosophischer aus als gedacht: „Die zylindrische Form des Raumes soll ein Gefühl von Unendlichkeit erzeugen. Diese Technik wird in der irdischen Architektur nicht oft verwendet, aber hier hilft sie uns sofort, eine Illusion zu erzeugen“, sagt unser Unterwelt-Guide, während wir über eine Wendeltreppe weiter nach unten wandeln.

Plan B ist eine Art Keller-Kuchen

Es ist wie eine Art Kuchen, durch den man nach unten reist. Direkt auf das Obergeschoß, das als eine Art Bibliothek und Ruheraum gedacht ist, gelangen wir weiter in einen Wohnbereich, in den auch die drei Schlafräume integriert sind. Darunter folgt eine mit Technik wie Wasseraufbereitungsanlage und Generatoren vollgestopfte Etage, gefolgt von einer Art Agrarfläche am unteren Sockel von „Plan B“.

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Diese hat es insofern in sich, als dass hier mit modernsten Mitteln Pflanzen kultiviert und sogar eine kleine Fischzucht betrieben werden. Schließlich wollen die Bewohner von „Plan B“ auch etwas zu essen haben, wenn die im eigenen Lager bereits eingebunkerten Vorräte irgendwann doch einmal aufgebraucht sein sollten.

Sterne unter der Erde

Das führt uns direkt weiter zum noch viel essenzielleren Thema – dem Wasser! Hierfür hat man eine unterirdische Quelle angezapft und in einem eigenen Brunnen-Raum gefasst, wie uns stolz demonstriert wird. Denn: Der Raum spielt auch optisch alle Stückerl und suggeriert, dass wir nicht etwa viele Meter unter der Erde, sondern vielmehr direkt unter einem Sternenhimmel stehen würden.

Kunst der künstlichen Normalität

Der Versuch eine Art Normalität in diese absurde Lebenswelt zu zaubern ist allgegenwärtig. Vor allem bei jenen Bereichen, die auch im überirdischen Leben der Gemeinschaft dienen, haben sich Sergey Makhno und sein Team besonders viel Mühe gegeben: Ein großer Esstisch versammelt alle Bewohner an einem Ort, um Heimat zu vermitteln. Ein eigenes Kino samt ausgesuchter Filmsammlung hilft dabei, in eine Scheinwelt zu entfliehen. Und dann ist da noch das heimliche Herzstück von „Plan B“: Die Küche.

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Hier hält der stolze Reiseleiter kurz inne und erklärt auf unserer fiktiven Reise Richtung Mittelpunkt der Welt: "Wir haben beschlossen, die Küche professionell zu gestalten! Kochen kann zu einem großen neuen Hobby werden. Auf jeden Fall werden die Bewohner recht oft hier sein. Und generell bin ich der Meinung, dass Edelstahl für Küchenoberflächen eine großartige Lösung nicht nur für Restaurants, sondern auch für Wohnräume ist."

Sicherheit geht vor

Abgesehen davon steht aber natürlich ein ganz anderer Aspekt noch über der perfekten Küchenszene: Die Sicherheit. Sie hat an jeder Stelle Vorrang, erfährt man. Deshalb wird der gesamte „Plan B“-Bunker auch von einer Art Rettungsring umgeben. Also einem Fluchttunnel, der von nahezu jedem Teil des unterirdischen „Idylls“ erreichbar ist und direkt Richtung Erdoberfläche führt.

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Klar ist natürlich, dass ein Fluchtkorridor wenig Sinn macht, wenn über Tag schon alles dem Erdboden gleichgemacht wurde. Aber das ist vielleicht nur ein Detail am Rande. Jedenfalls aber sieht Sergey Makhno in dem Tunnelsystem mehrheitlich einen ganz anderen Nutzen: Man könne hier seinen Hund Gassi entspannt führen, meint er. Schließlich solle man sich doch so normal wie möglich verhalten können.

Träume werden projiziert

Diese kunstvoll generierte Normalität findet übrigens in den Schlafzimmern dann ihre Perfektion: Über das Smart-Home-System kann hier jeder nach Belieben seine Einschlafatmosphäre personalisieren. Vielleicht will man eine Nacht vor schneebedeckten Bergen entschlummern? Oder am nächsten Tag inmitten der Straßen Kiews erwachen? Dank ausgeklügelter Projektionssysteme alles kein Problem. Dass der dazugehörige Soundteppich inklusive ist, versteht sich von selbst. Dass der jeweils passende Geruch aber auch künstlich generiert wird, ist dann doch verblüffend.

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Und so entlässt uns der Meister des hoffentlich utopischsten Baus aller Zeiten mit mehr oder wenig tröstlichen Worten: "Der moderne Mensch ist zu sehr an die Freiheit und das Fehlen von Einschränkungen gewöhnt. Das Leben in einem Bunker, selbst in einem sehr komfortablen, ist ein Leben im Rahmen. Wir haben versucht, den Raum so zu gestalten, dass die Menschen ihn minimal spüren können."

Jetzt aber sind wir erst einmal froh, dass kein derart ultimativen Lockdown in der Luft hängt.

Text: Johannes Stühlinger Bilder: Sergey Makhno Architects

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