Nur Fliegen ist schöner
Ankunft, Abflug oder vielleicht ein Zwischenstopp – mehr als zwei, drei Stunden ihrer Reise verbringen die meisten Traveller selten auf Flughäfen. Bei jenen, die mit dem Privatjet unterwegs sind, sind es oft sogar nur Minuten. In der Vergangenheit lag der Fokus der Airport-Architektur daher auf Funktionalität und Wirtschaftlichkeit. Abfertigung, Sicherheitscheck, Passkontrolle und Logistik mussten reibungslos funktionieren.
Das ist natürlich auch heute noch so. Doch spiegelt die Gestaltung inzwischen auch wider, dass Terminals viel mehr sind als bloße Transferknoten. Hier steigt man bei der Landung nicht einfach nur aus einem Flugzeug aus, sondern taucht ein in ein Land, eine Stadt, eine Nation, eine Kultur, eine Identität.
Vom Transferknoten zum Prestigeobjektjekt
Flughäfen prägen also ganz erheblich den ersten (bzw. letzten) Eindruck, den Touristen und Geschäftsreisende von einer Destination haben. Sie sind symbolträchtige Prestigeobjekte und repräsentativer Erlebnisraum.
Die neueren Gebäude werden dieser Rolle gerecht. Mehr noch: Sie übertrumpfen sich mittlerweile gegenseitig mit immer ausgefalleneren Gestaltungselementen. Man denke nur an den 2019 eröffneten Jewel Changi Airport in Singapur. Neben 280 Shops und Restaurants, einem Hotel und einem Kino findet sich dort auch eine Glaskonstruktion mit einem 40 Meter hohen Wasserfall und hängenden Gärten auf vier Stockwerken.
Privatjet-Terminal Minsk: kleiner, aber feiner
Mit solchen Superlativen kann das neue Privatjet-Terminal des Flughafens Minsk allein schon größenmäßig nicht mithalten. Muss es aber auch nicht. Die Auftraggeber und Betreiber – der FBO Minsk und das CJSC Business Aviation Center – verstehen das 800-Quadratmeter-Gebäude vielmehr als „ultimative Vip-Lounge“ für eine internationale (Business)-Elite. Neben Luxus soll sie auch die Essenz des Landes Belarus und seiner Hauptstadt versprühen – als da wären: Ehrgeiz und Zuversicht.
Dem Mailänder Büro von Recs Architects ist das mit seinem Entwurf und seiner zeitgemäßen und doch zeitlosen Designsprache wohl gelungen. Die Projektleiter Pier Maria Giordani und Chen Zhen können jedenfalls verkünden, dass ihre Gestaltung „von vielen Passagieren gelobt wurde“. Sie gehören zu einer weitgereisten Elite, die schon einiges gesehen hat. „Ihre Zustimmung macht uns daher besonders stolz.“
Mamor trifft Messing
Das Tor ins Herz von Belarus bildet eine große Empfangshalle – mit einem Desk zur Abwicklung etwaiger Einreiseformalitäten. Als „Grand Entrance“ angelegt, hat sie aber nicht nur einen funktionalen Zweck. Sie steht auch optisch im Zentrum des Designs. Vor einer Kulisse aus hellem Marmor, der so gut wie alle sichtbaren Flächen verkleidet, haben aus der Luftfahrt und Reisewelt entlehnte Gestaltungselemente ihren großen Auftritt.
Den Boden ziert zum Beispiel eine glänzende Windrosenintarsie. An der Decke hängt ein Globus aus Messingprofilen, durch dessen Hohlräume der Raum via Oberlicht angenehm erhellt wird. Und das Geländer der Wendeltreppe kreiert die Illusion, als blicke man in eine sich drehende Flugzeugturbine.
Skywalk in den Salon
Die großzügige Wendeltreppe führt von der Lobby hinauf zu einer Balustrade, über die man in die Lounge, die Bar oder den Konferenzraum gelangt. Letzterer wird von einem markanten ovalen Tisch dominiert, dessen schwarze Spiegeloberfläche mit dem Licht strategisch platzierter Glühbirnen interagiert und so einen dynamischen Reflexionseffekt erzeugt. Eine anregende Atmosphäre für Kreativ-Meetings sicherlich, für Verhandlungen zieht man sich aber wohl besser an einen anderen Ort zurück.
Vielleicht in den VIP-Salon mit Kamin? Ihn erreicht man über den Aufzug ins Dachgeschoss. Dort öffnet sich der Lift zunächst auf einen gläsernen, flurähnlichen Skywalk, der dann zum Salon führt. Eine atemberaubende Passage mit Blick auf den Landeplatz und die umgebende Landschaft.
Symbol der Hoffnung
Bei allem Glanz: Das Projekt hat auch weniger schillernde Seiten. So war etwa bei Baubeginn alles andere als klar, ob aus dem Überfliegerterminal nicht vielmehr ein Himmelfahrtskommando werden würde.
Zwar hatte man das Projekt bereits 2018 angestoßen, und auch der endgültige Entwurf lag schon 2019 vor. Doch kaum hatten die Arbeiten begonnen, kam mit der Corona-Pandemie die ganze Welt zum Stillstand. Die Menschen reisten nicht mehr, Business-Meetings wurden per Zoom statt vor Ort abgehalten, die Luftfahrtindustrie war hart getroffen, die Weltwirtschaft ebenso.
Das Team von Recs Architects trieb den Innenausbau des Terminals jedoch mit Zuversicht auf bessere Zeiten voran, statt ihn abzubrechen. Und auch nachdem der Krieg in der Ukraine Belarus als engen Verbündeten Russlands ins Abseits gerückt hatte, arbeitete man nach dem Motto „Jetzt erst recht“ weiter. „Als Architekten wissen wir, dass die von uns geschaffenen Umgebungen und Räume wichtige Orte zur Förderung der internationalen Kommunikation und der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Entwicklung ist der Schlüssel zu einer friedlichen und wohlhabenden Zukunft.“
Das Privatjet-Terminal Minsk steht als Symbol der Hoffnung genau dafür.
Text: Daniela Schuster Bilder: RECS Architects
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