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Kultur und Grün statt Öl-Raffinerie

Das Vorhaben entspricht Chinas Bestreben, industrielle Infrastruktur entlang des legendären Grand Canal in lebenswerte Uferzonen umzugestalten: Die Hangzhou Öl-Raffinerie am südlichen Ende der seit 2014 zum UNESCO Welterbe zählenden Wasserstraße soll zum energieneutralen, grünen Kulturpark verwandelt werden.

Neue Ufer am alten Grand Canal

Was das rund 18 Hektar umfassende Gelände dann zu bieten haben wird? Das zeigt der Masterplan, mit dem das niederländische Erfolgsbüro MVRDV den entsprechenden Wettbewerb für sich entschied. Und das Projekt „Hangzhou Oil Refinery Factory Park“ verspricht, der beeindruckenden Geschichte des Grand Canal ein zukunftsorientiertes Highlight hinzuzufügen.

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Von der längst geschlossenen Hangzhou Öl-Raffinerie ist heute nicht viel übrig. Die meisten Gebäude wurden abgerissen, nur einige große Fabrikbauten und Öllager sind geblieben. Das von MVRDV in Kooperation mit Openfabric entwickelte Konzept soll demonstrieren, wie viel Potenzial in der Umwandlung von Industrieanlagen steckt: Der Altbestand wird ins neue Projekt integriert, während erneuerbare Energiequellen den künftigen Kulturpark zum Paradebeispiel nachhaltiger Zukunft gestalten sollen.

Es ist zugleich verlockend, mit der Geschichte zu brechen, und romantisch, sich eine Zukunft vorzustellen, in der wir auf den Ruinen der Vergangenheit aufbauen.

Winy Maas, Architekt und MVRDV-Gründungspartner
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„Als Planet wissen wir, dass wir in großem Stil vom Öl wegkommen müssen“, betont MVRDV-Gründungspartner Winy Maas. Dies werfe allerdings die Frage auf, was mit all der geschaffenen Infrastruktur geschehen soll: „Es ist zugleich verlockend, mit der Geschichte zu brechen, und romantisch, sich eine Zukunft vorzustellen, in der wir auf den Ruinen der Vergangenheit aufbauen. Bei diesem Projekt tun wir beides.“

Herzstück Museum

Als Herzstück des neuen Hangzhou Oil Refinery Factory Parks setzt MVRDV’s Entwurf das Art and Sci-tech Centre: Ein Museum, dessen zylindrische Form wie die stark vergrößerte Version der Silos wirkt, die früher auf dem Gelände standen.

Außen schlicht, innen komplex

Das Innenleben des äußerlich derart simpel anmutenden Neubaus ist allerdings deutlich komplexer angelegt: In einer teilweise unterirdischen, kreisrunden Ausstellungshalle stapeln sich lange, rechteckige Boxen, die Künstlerateliers, Büros und Geschäftsräume beherbergen. Die Oberseiten der Boxen bilden eine Reihe von Terrassen, die durch Treppen und Brücken miteinander verbunden sind. Sie sind dazu gedacht, diesen öffentlichen Bereich innerhalb des Museums zu beleben und Raum für Performances, groß angelegte Installationen oder Veranstaltungen zu bieten.

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Die Fassade des Museums ist durchlässig und so konzipiert, dass Luft und Wind in die Struktur dringen können. Dadurch wird das Gebäudeinnere passiv beheizt und gekühlt. Dieses Konzept lässt zwar die Temperatur je nach Wetterlage leicht schwanken. Es dient aber als thermischer Puffer, um den Energiebedarf für die vollständige Beheizung und Kühlung der Räume drastisch zu reduzieren.

Licht mit Sinn & Zweck

Mit ihrem speziellen Look unterstreicht die Außenhaut allerdings auch den Status des Gebäudes als Mittelpunkt des künftigen Hangzhou Kultur-Parks. Das Museum wird mit einer Reihe von LEDs bedeckt. Diese leuchten nachts auf und bilden eine Multimedia-Fassade, die der Besucher-Unterhaltung sowie der Bewerbung aktueller Veranstaltungen dient.

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Obendrein verfügt die Fassade über Tausende kleiner Fotovoltaikspots, die Energie aus Sonnenlicht erzeugen. Und diese Spots bilden ein interessantes „Sonnengemälde“, das mit parametrischem Ansatz entworfen wurde: Sonneneinstrahlung, vorherrschende Winde und wichtige Aussichten wurden berücksichtigt, um Photovoltaikanlagen dichter zu platzieren, wo sie am meisten benötigt werden.

Wir beziehen die alten Industriestrukturen mit ein, während neu gebaute Elemente uns eine bessere, nachhaltigere Zukunft zeigen.

Winy Maas, Architekt und MVRDV-Gründungspartner

Die Neubauten, die MVRDV’s Masterplan den verbliebenen Industriegebäuden hinzufügt, unterscheiden sich klar vom umgenutzten Bestand. Die alten „Fossilien“ sollen völlig neue, lebendige Funktion bekommen.

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In Teilen des Hangzhou Oil Refinery Factory Parks werden die bestehenden Strukturen erhalten und in Büros oder Einzelhandelsflächen umgewandelt. Und nicht nur das: Viele der bereits abgerissenen Strukturen werden nach einem modernen Konzept wiederaufgebaut. Mit den gleichen Abmessungen wie zuvor, aber mit Glas und – wie die Fassade des Museums – mit Fotovoltaikspots.

Ziel: Energieneutraler Betrieb

Im Südosten des Geländes komplettiert ein Cluster neuer Bürogebäude das Programm des Masterplans. Weil die Außenhaut aller Neubauten ebenfalls zur Energiegewinnung genutzt wird, kann der Hangzhou Oil Refinery Factory Park den MVRDV-Planern zufolge energieneutral betrieben werden und Strom ins Netz einspeisen.

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Ein verlockendes Ziel für die Bewohner und Besucher von Hangzhou soll die nachhaltige Anlage in jedem Fall werden. Neben der Landschaftsgestaltung durch die versierten Spezialisten des niederländischen Büros Openfabric tragen viele weitere Aspekte dazu bei.

Parametrischer Wald für Hangzhou

„Die natürlichen Elemente des Parks sind als parametrischer Wald konzipiert“, erklärt MVRDV-Partner Maas. Kriterien wie Beschattung durch eine bestimmte Baumart sowie der Beitrag der Anlage zu Nahrungsmittelproduktion oder Biodiversität beruhen auf einem Algorithmus, der die jeweilige Platzierung in der Waldlandschaft des Parks bestimmt. „Eine neue Symbiose“, beschreibt Maas.

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Die Türme der Raffineriegebäude werden beibehalten und in die Parklandschaft eingebunden. Treppen und Plattformen werden den Blick über den Park freigeben. MVRDV hat für den Masterplan eigens einen Katalog möglicher Nutzungen für die zahlreichen Silos des Geländes entwickelt: Einige wurden aus den ursprünglichen Strukturen umgestaltet, andere rekonstruiert, und wieder andere lediglich durch Pflasterkreise an ihren ursprünglichen Standorten angedeutet.

Bunter Hotspot, Tag und Nacht

Von erlebnisorientiertem Kunstgenuss über Einzelhandelskioske bis zu eingezäunten Gärten sollen diese Strukturen dazu beitragen, den neuen Kulturpark von Hangzhou allzeit zu beleben. So, dass er seinen Nutzern auch nach Einbruch der Dunkelheit stets etwas bieten kann.

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Auftraggeber des Projekts sind die Hangzhou Grand Canal Protection Development and Construction Group und Hangzhou Chenxiang Industrial Heritage Comprehensive Protection and Development Co. Ltd..

Geschickt durchdachter Masterplan

Dass der Vorschlag der niederländischen Architekten den Zuschlag bekam, ist wenig überraschend. Immerhin ist das Team von MVRDV längst bekannt für zukunftsorientierte Konzepte, die optimal zum Kontext passen. Projekte wie etwa der „Tainan Market“ in Taiwan oder der Plan fürs MINT-Zentrum in Jerewan machen's deutlich.

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Wann in Hangzhou mit der Fertigstellung gerechnet werden kann, ist derzeit noch offen. Fest steht indes das große Ziel: Der Park soll Showcase einer nachhaltigen Zukunft werden, die Menschen Freude macht. Am Ufer des 1.700 Kilometer langen, von Menschenhand gemachten Grand Canal, der damit einmal mehr zum Ort historischen Geschehens werden könnte.

Text: Elisabeth Schneyder Bilder: MVRDV, Engram, MIR

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